Volkshochschule Bottrop feiert 2019 den 100. Geburtstag - Uwe Dorow hat recherchiert

Wirkt wie ein Waschzettel, ist aber das eigentliche Gründungsdokument der Volkshochschule. | Foto: Michael Kaprol
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  • Wirkt wie ein Waschzettel, ist aber das eigentliche Gründungsdokument der Volkshochschule.
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2019 feiert nicht allein die Stadt ihr 100. Bestehen, auch die Volkshochschule in Bottrop kann dann auf diesen dreistelligen runden Geburtstag zurückblicken.

Der stellvertretende Direktor der Volkshochschule Uwe Dorow hat zwei Jahre lang nahezu jede Minute seiner freien Zeit investiert, um die Bottroper VHS-Geschichte vor hundert Jahren zu erforschen. "Als die Volkshochschule ihren 75. Geburtstag feierte, hatte ich schon einen Einblick in die Akte des Amtes Bottrop über Volkshochschulen. Innerlich habe ich mir das immer auf Wiedervorlage zum 100. Geburtstag gelegt." Aber diese Akte allein reichte dem Historiker für einen umfassenden Überblick bei weitem nicht aus.
Uwe Dorow hat das I. Staatsexamen für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Sozialwissenschaften und Geschichte abgeschlossen und ist seinen Studienfächern nicht allein bei seiner Arbeit an der Volkshochschule treu geblieben. Er führte verschiedene Lehraufträge im Bereich der Erwachsenenbildung an der Universität Gesamthochschule Essen durch. Außerdem ist er Mitglied der Geschichtswerkstatt Bottrop im Stadtarchiv bei Heike Biskup. "Auch da kam das Thema zum 100. Geburtstag der Stadt auf - nichts lag näher, als dass ich mich um die Anfänge der Volkshochschule kümmern wollte."

Mit Lupen ans Werk gegangen

Die Akte gab ihm einen groben Überblick: "Sie ist halbwegs chronologisch geordnet, hierüber kann man sich weitere Quellen erschließen. Welche Quellen es gibt und wie man an sie herankommt, sind Fragen, denen sich Historiker stellen müssen." Eine solche Quelle war die Bottroper Volkszeitung. Jede Seite dieser Tageszeitung der Jahrgänge 1919 bis 1923 musste Uwe Dorow untersuchen. Der Zeitungsdruck sah in den 20er Jahren noch ganz anders aus als heute. Fotos waren zu dieser Zeit kaum in den Blättern zu finden, Schlagzeilen, wie wir sie heute kennen, gab es auch nicht, die Schriftgröße war klein, die Zeitung eine ziemliche Bleiwüste. Dorow musste mit verschiedenen Lupen ans Werk gehen, um nichts zu übersehen, denn die Schlagzeilen aus dem lokalen Bereich waren meist relativ kleine, fettgedruckte Überschriften, genauso breit und kaum größer als der zugehörige Artikel. Der stellvertretende VHS-Direktor musste etwa 20 dieser Bände - diese waren pro Quartal abgeheftet - unter die Lupe nehmen, und das im Wortsinne. "Wenn ich Artikel zur VHS gefunden habe, habe ich die fotografiert und vergrößert. Das hat das Lesen erleichtert."
Bis 1960 gab es in Bottrop nur eine evangelische Kirchengemeinde: "Bottrop war eine katholisch dominierte Stadt - das ist wichtig, um den Werdegang der VHS zu verstehen. Vom Katholizismus war alles durchdrungen, ein großes Interesse an weltlicher Weiterbildung gab es nicht." Die Weimarer Verfassung erklärte die Förderung der Erwachsenenbildung zu einer verpflichtenden Aufgabe. Im Bottroper Aufruf zur VHS-Gründung schrieb Gymnasialdirektor Prof. Kleffner: "Noch aber besteht zwischen der geistig arbeitenden Minderheit und dem größeren Teil der mit der Hand schaffenden Volksgenossen eine weite Kluft. Hier gilt es eine Brucke zu schlagen, von einem Volksteil zum anderen."

Sich selbst Ergebnisse erarbeiten

Die Zahl der Volkshochschulen stieg von 26 (1919) auf 853 (1922). In Bottrop hatte die VHS zu diesem Zeitpunkt den selben Unterrichtsort wie heute, damals war dort noch das städtische Jungengymnasium. Als Hauptaufgabe wurde "die Ausbildung des Denk- und Urteilsvermögens der Hörer" gesehen. Die Bottroper Volkszeitung war der Volkshochschul-Idee distanziert wohlgesonnen, wie man in dem Bericht über die erste Veranstaltung nachlesen kann: "Herr Amtsrichter Dr. Blumenthal nahm vor einer erfreulich großen etwa 70köpfigen Hörerschar seine Vorlesung auf. Mit dem Dozenten geben wir uns der eingangs von ihm geäußerten Hoffnung hin, dass das Interesse, welches der erste Abend zeigte, sich möglichst unverändert bis zum Abschluss der Vortragsreihen erhalten möge."
In das Programm der Volkshochschule wurden bergmännische Themen mitaufgenommen und bald auch darauf geachtet, dass die Bergleute, trotz Wechselschichten, teilnehmen können. Allerdings war die Hörerzahl mit weniger als 20 gering. Arbeitsrecht, Elektrizitätslehre und Volkswirtschaft waren gefragt, Literatur, Geschichte und Erdkunde kaum. Die Weiterführung der VHS wurde in Frage gestellt. Ein Ziel bei den Kursen sollte es sein, kein fertiges Ergebnis zu übermitteln, sondern den Hörer dahin zu bringen, es sich selbst zu erarbeiten. Ende 1920 wurden nur noch sechs Vortragsreihen oder "Arbeitsgemeinschaften" angeboten. 1921 waren es sieben Lehrgänge, die aber nur noch 164 Hörer hatten. "Der Zuspruch aus den Kreisen der Arbeiterschaft wurde immer geringer, deshalb wurde die Zukunft der VHS als kritisch betrachtet", blickt Dorow zurück. "Die freien und christlichen Gewerkschaften sowie die konfessionellen Jugend- und Handwerkervereinigungen haben für ihre Mitglieder ebenfalls Kurse angeboten - damit wurde die Zahl der VHS-Hörer immer geringer." Durch die sich andeutende "Hyperinflation" wurde die Situation für die Volkshochschule noch schwieriger.

Ständige Unruhe und Gewalt

"Fast sarkastisch aus heutiger Sicht klingt die Feststellung des Chronisten im Jahrbuch der Stadt Bottrop aus dem Jahr 1925: 'Die im Jahrbuch der Stadt genannte Volkshochschule ist im Frühjahr 1923 eingegangen'", blickt Dorow zurück und zeigt die Gründe für das Scheitern auf: "Die politischen Umstände waren von ständiger Unruhe und Gewalt geprägt. Die Versorgungslage der Bevölkerung war nach dem Ende des I. Weltkrieges katastrophal. Weltanschauliche Neutralität war nicht gewollt. Zusammenfassend kann man sagen, dass es den politisch-sozialen und klerikalen Milieus vorrangig um den Erhalt ihres Einflussbereiches ging - und in solchen Gedankengebäuden hatte die VHS keinen Platz. Die Weimarer Geschichte der Bottroper VHS war zwar kurz, aber wichtig, denn sie führte nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus zur Wiedergründung der VHS in Bottrop im Jahr 1946."

Wirkt wie ein Waschzettel, ist aber das eigentliche Gründungsdokument der Volkshochschule. | Foto: Michael Kaprol
Fotos gab es in den Zeitungen vor 100 Jahren kaum, sogar die Überschriften waren so klein, dass man besser einer Lupe vertraute, um nichts zu übersehen. Jede Bottroper Volkszeitung aus fünf Jahren musste Uwe Dorow Spalte für Spalte durchgehen, um nichts zu übersehen. | Foto: Michael Kaprol
Autor:

Bettina Meirose aus Bottrop

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