„Lebenslagen“ in Castrop-Rauxel: Ein Besuch bei der Castroper Tafel

Rund 50 Familien werden täglich von der Castroper Tafel versorgt.                                                         Foto: Thiele
  • Rund 50 Familien werden täglich von der Castroper Tafel versorgt. Foto: Thiele
  • hochgeladen von Verena Wengorz

„Wir stehen heute im internationalen Vergleich sehr gut da“, fand Arbeitsministerin Ursula von der Leyen lobende Worte. „Deutschland geht es so gut wie lange nicht mehr“, behauptete Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Und doch macht der unter dem Titel „Lebenslagen in Deutschland“ veröffentlichte, vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vor allem eines deutlich: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist nach wie vor groß. Bei der Castroper Tafel haben wir mit Menschen gesprochen, denen es nicht so gut geht.

Was sich Martin K.* von der Bundesregierung wünscht? „Die sollen zuhören! Die sollen zu den Brennpunkten gehen und mit den Leuten reden – sie fragen, warum sie in diese Situation gekommen sind“, fordert er aufgebracht. „Es gibt so viele Menschen, die gerne arbeiten würden, die einfach keine Chance mehr haben.“
Von der Regierung fühlt sich Martin K. nicht mehr vertreten. „Es werden immer nur große Töne gespuckt. Ich fühle mich verarscht“, findet er deutliche Worte. Er selbst ist schon lange arbeitslos, konnte seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Chancen für seine Zukunft sieht er nicht mehr.
Wichtig sei es ihm, in dieser Situation Menschen zu haben, die sich kümmern – wie bei der Castroper Tafel. „Trotzdem, es ist immer eine Überwindung, hierher zu kommen“, weiß er. Sich als „bedürftig“ zu outen, falle nicht jedem leicht. „Ein Freund von mir hat es nicht geschafft“, erzählt er. „Er hatte Probleme mit Drogen und Alkohol, ist mit 22 Jahren gestorben.“
So lang, wie Martin K. bereits Kunde der Tafel ist, weiß er auch: „Früher war hier nicht so viel los. Inzwischen kommen immer mehr Leute.“
„Für meine Zukunft sehe ich schwarz“, sagt auch Julia W.*, ebenfalls Kundin der Tafel. Wegen einer Behinderung ist auch sie nicht mehr arbeitsfähig. „Das bisschen Geld, das man als Unterstützung bekommt, reicht vorne und hinten nicht“, berichtet sie und erklärt wütend: „Den Großen geht es immer besser – aber bei uns wird an allen Stellen gedrückt und gekürzt.“
„Jede Ausgabestelle der Castroper Tafel versorgt am Tag 50 Familien“, berichtet Lydia Schröder vom Team der Caritas. Sie habe selbst schlucken müssen, als sie sich diese Zahl vor Augen geführt habe, erklärt sie. Angefangen habe die Tafel 1998 mit nur einer Ausgabestelle. „Nun sind es fünf“, so Schröder. Eine Entwicklung, die nicht unbedingt für eine Gesellschaft spricht, der es „so gut wie lange nicht“ geht.

*Name geändert.

Autor:

Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

4 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.