Die Weinroute auf Gran Canaria
Alles beginnt mit einem Flamen

Der Naturpark Bandama mit seinem gleichnamigen Vulkankrater erstreckt sich im Nordosten Gran Canarias, etwa zehn Kilometer von der Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria entfernt. In seiner Nachbarschaft liegen etliche namhafte Weingüter. | Foto: Daniel Basler
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  • Der Naturpark Bandama mit seinem gleichnamigen Vulkankrater erstreckt sich im Nordosten Gran Canarias, etwa zehn Kilometer von der Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria entfernt. In seiner Nachbarschaft liegen etliche namhafte Weingüter.
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Während andere Weinbau-Regionen gerade mal ein paar Rebsorten kultivieren, kann Gran Canaria das Vielfache davon aufbringen. Dank der neu eingerichteten Ruta del Vino lässt sich dieser Schatz direkt bei den passionierten Erzeugern sinnenreich erleben – und zugleich die ganze spannende Geschichte dahinter erfahren.

Gemeinsam sind wir stark: Das Motto mag für eine Winzer-Vereinigung etwas pathetisch daherkommen, allerdings ist dessen verbindende Kraft bezeichnend für die Ruta del Vino. „Unser Bestreben ist es, die regionale Landwirtschaftskultur zu fördern, damit deren Erbe weitergetragen wird“, bringt Álvaro González Santana den Gründungsimpuls zur nationalen Weinroute auf Gran Canaria vor vier Jahren auf den Punkt.

Mit der Initiative, die erste Weinstraße auf den Kanaren (auf dem spanischen Festland gibt es davon bereits 34) in Kooperation mit dem spanischen Verband der Weinstädte (ACEVIN, Asociación Española de Ciudades del Vino) zu etablieren, ist es gelungen, den vor über 500 Jahren von den Konquistadoren eingeführten Weinbau neu zu beleben – mehr noch: „Wir knüpfen damit an den vergangenen Ruhm an und lassen unsere Gäste regelrecht kosten, welche Güte unsere Vielfalt an Weinen abermals erlangt hat“, freut sich der Direktor des Weintourismus-Projekts über das beherzte Engagement seiner Mitstreiter. Neben den Hauptakteuren, den über zehn Kellereien der drittgrößten Kanareninsel, sind zudem Restaurants, Unterkünfte, Fremdenführer, Tourismusvermittler, Önotheken, nachhaltig produzierende Betriebe bis hin zu den Bochinches (hier werden lokale Delikatessen serviert) Teil des Weinstraße-Konzepts.

Dessen Initiatoren hatten dabei nicht nur die Stärkung des touristischen Angebots und der wirtschaftlichen Entwicklung Gran Canarias vor Augen. „Es geht gleichzeitig darum, dem bewussteren, einfühlsameren Tourismus mehr Potenzial einzuräumen, mehr Ressourcen auf der Insel zu behalten und dem ländlichen Raum mehr Beachtung zu schenken“, fasst der Weinstraße-Leiter die Kriterien zusammen, mit denen es gelungen ist, Ende 2021 den Innova Gran Canaria Tourism Award (mit ihm wird das beste gemeinschaftliche Innovationsvorhaben im Tourismus auf der Insel gewürdigt) einzuheimsen.

Mit wie viel Leib und Seele die Insel-Winzer und Bodega-Betreiber auf dem knapp 1600 Quadratkilometer großen Minikontinent die Weinbau-Tradition mit innovativem Geist fortführen, dazu reicht ein kurzer Abstecher ins Hinterland von Las Palmas, der quirligen Insel-Metropole, um tiefere Eindrücke der vielversprechenden vinologischen Renaissance und ihrer Erzeugnisse zu gewinnen.
Oben im grünen Hügelland der Gegend zwischen Santa Brígida, Monte Lentiscal und der Caldera de Bandama angekommen, kann es gleich losgehen mit einer ebenso informativen wie kulturhistorisch interessanten Weinführung und Verkostung des einen oder anderen Tröpfchens und das direkt beim Erzeuger. Einer davon ist beispielsweise die Finca El Mocanal mit ihrer Bodega San Juan, die wie die anderen Stationen entlang der Weinroute besucht werden können – und dies in einer Atmosphäre, bei der man sogleich merkt, dass man willkommen ist.

Dabei verbindet sich mit jedem Besuch einer der Ruta del Vino-Anwesen ein Ausflug in die Historie der insularen Weinwelt, bei dem der Vulkankrater Bandama – vielen gilt er als der beeindruckendste der Kanaren – eine bedeutende Rolle spielte, wie Maria Lugo Aufschlussreiches zu Vergangenheit und Gegenwart vermittelt.
Auf dem Rundgang (auch für Familien sehenswert) mit der Finca-Mitarbeiterin durch die seit fünf Generation bestehende Weinkellerei, eingebettet in eine Art kleinen botanischen Garten, spannt sich der Bogen von den ehemaligen Produktionsmethoden, über den Besuch des Weinmuseums mit typischen Weinbauutensilien bis hin zur Herstellung der einheimischen Weine nach umweltfreundlichen Standards. Bei der Kostprobe der temperamentvollen Tropfen, ausgebaut aus den vorhandenen Rebsorten Listán Negro, Negramoll oder Listán Blanco, ergänzt mit typischem Inselkäse, gibt Maria Lugo noch einen „Rundumschlag“ zur Kultur, den Bräuchen, der vorspanischen Bevölkerung und den spektakulären Naturlandschaften des Archipels.

Dazu zählt auch der Bandama-Bergkessel, von dem oben bereits die Rede war. Seine Caldera entstand vor etwa 5000 bis 3000 Jahren durch eine Wasserdampfexplosion, dessen Ausmaße man am besten vom Pico de Bandama in knapp 580 Meter Höhe überblicken kann – und ein Blick entlang der Kraterflanken, an denen sich dicht am Boden Reben bis an den Fuß des Vulkans ziehen, lässt erahnen, dass hier noch bis vor wenigen Jahren im kleinen Stil Landwirtschaft betrieben wurde.
Ein amüsantes Detail grancanarischer Weinkultur-Einzigartigkeit darf bei so einer reichhaltigen Exkursion natürlich nicht fehlen: „Bandama“, so expliziert die Fachfrau, geht auf eine sprachliche Sinnverfälschung des Namens „Vandama“ zurück und ruft einen Pionier der kanarischen Weinwirtschaft in Erinnerung. Es handelt sich um den Flamen Daniel Van Damme, der kurz nach der Conquista die Insel erreichte und im besagten Kraterrund Reben kultivierte. Was viele für unmöglich hielten, ging voll auf: Der Anbau auf den mineralreichen Lavaböden stellte sich als passabler Erfolg heraus und ebnete dem kanarischen Wein den Weg zu den Tischen der gehobenen Gesellschaft (en) Europas.

Dem Weinbau-Aufschwung setzten schließlich die Folgen des Spanischen Erbfolgekrieges und die globalen Umbrüche, verbunden mit dem Verlust von Absatzmärkten, und der Mehltau-Befall ein jähes Ende, sodass im 19. und 20. Jahrhundert nur noch kleinere Weinmengen für den Hausgebrauch produziert wurden – bis die Europäische Union auf den Plan trat: Mit ihren Subventionen zu Beginn der 90er-Jahre brachte sie einen Umschwung in Gang und befeuerte damit eine imposante Qualitätsoffensive in Kooperation mit den heimischen Weinmachern (heute schmückt sich der Inselwein mit eigener DOP, einer geschützten Herkunftsbezeichnung, womit rund 60 Kellereien registriert sind), von denen heute jeder bestrebt ist, mit einer etwas anderen Handschrift, Philosophie, Methode und großer Passion das reiche Erbe in eine vielversprechende Zukunft weiterzureichen.

Text / Fotos: Daniel J. Basler

Hilfreiche Reiseinfos und Tipps für Ausflüge und Bodega-Adressen finden sich auf den Seiten:

www.spain.info.de, www.grancanaria.com, www.rutadelvinodegrancanaria.net,
www.etnoexperience.com und www.hallokanarischeinseln.com

Autor:

Daniel Joel Basler aus Dortmund

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