"Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast
Skulpturen von Tony Cragg - Anfassen erwünscht!

Tony Cragg vor seiner Plastik "Outspan". Das Anfassen der Skulpturen ist Programm in der Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast in Düsseldorf
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  • Tony Cragg vor seiner Plastik "Outspan". Das Anfassen der Skulpturen ist Programm in der Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast in Düsseldorf
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Was sonst im Museum verboten ist, ist in der Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Düsseldorfer Kunstpalast unbedingt erwünscht. Mit der Aufforderung "Please Touch!" - Bitte Anfassen!- dürfen die Skulpturen des international bekannten Bildhauers Tony Cragg mit bloßen Händen berührt werden. Eine besondere Kunsterfahrung.

Aus konservatorischen Gründen dürfen Kunstwerke im Museum normalerweise nicht berührt werden, sollen diese doch geschützt und für künftige Generationen bewahrt werden. Aber gerade Skulpturen üben einen besonderen Reiz aus, näher an sie heranzutreten, sie mit den Fingerkuppen zu berühren, das Material mit den Händen zu spüren. Die Auffassung, Skulpturen mit den Händen im wahrsten Sinne des Wortes zu "be-greifen" ist nicht neu. Bereits Henry Moore (1898-1986) und seine Bildhauer-Kollegin Barbara Hepworth (1903 -1975) waren überzeugt, dass Skulpturen erst durch Berührung tatsächlich verstanden werden können. Barbara Hepworth sagte: " Ich denke, jede Skulptur muss berührt werden ... Man kann eine Skulptur nicht betrachten, wenn man stocksteif dasteht und sie anstarrt." Bei der Recherche zur aktuellen Ausstellung fand man heraus, dass es bereits 1950 bei einer Henry Moore Ausstellung im heutigen Kunstpalast erlaubt war, einige der gezeigten Skulpturen Moores anzufassen.

Skulpturen anzufassen, heißt sie begreifen
Ganz so neu ist das wörtlich zu nehmende "Erfassen" von Skulpturen also nicht. Das Lehmbruck Museum in Duisburg zeigt gerade die interaktive Tastenausstellung "Shape! Körper und Form begreifen". Hier dürfen Skulpturen mit Handschuhen angefasst werden. Im Kunstpalast fällt diese stoffliche Barriere weg. Wer allerdings aus hygienischen Gründen Handschuhe tragen möchte, darf das natürlich tun, wenngleich ihm dadurch besondere, haptische Erfahrungen entgehen werden. Denn unterschiedliche Materialien bergen unterschiedliche Oberflächen, Strukturen und Temperaturen, die sich mit bloßen Händen direkter erfühlen lassen.

Ohne Handschuhe dürfen die Skulpturen angefasst werden. So kann man sie im wahrsten Sinne des Wortes  "be-greifen". Blick in die Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast Düsseldorf
  • Ohne Handschuhe dürfen die Skulpturen angefasst werden. So kann man sie im wahrsten Sinne des Wortes "be-greifen". Blick in die Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast Düsseldorf
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Die aktuelle Ausstellung wäre ohne die tatkräftige Unterstützung Tony Craggs nicht möglich. Alle Objekte stammen aus seinem Besitz. Private Leihgeber oder andere Museen hat man erst gar nicht nach Leihgaben gefragt. Denn das Anfassen beinhaltet natürlich auch Risiken. Im öffentlichen Raum kann man die Resultate häufiger Berührungen von Bronze-Plastiken sehen. Da bilden sich glänzende Stellen. Im Skulpturenpark Waldfrieden, den Tony Cragg in seinem Wohnort Wuppertal ins Leben gerufen hat, wird leider immer mal wieder auf Plastiken herumgeklettert. Das darf natürlich nicht sein, weder im Skulpturenpark noch in der Ausstellung. Skulpturen sind weder Klettergerüste noch Sitzgelegenheiten. So hofft man in der Ausstellung auf sanfte Berührungen. Wenn nötig, werden die Skulpturen nach der Ausstellung von Tony Cragg überarbeitet. Während der Laufzeit werden sie täglich gereinigt.

Mit Tony Cragg verbindet man meistens seine genau austarierten, hoch aufragenden, voluminösen Skulpturen. Blick in die Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast, Düsseldorf
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Vielfalt von Materialien und Formen
Mit Tony Cragg verbindet man meistens seine nur auf einer kleine Grundfläche gesetzten, genau austarierten, hoch aufragenden, voluminösen Skulpturen. Aus verschiedenen Blickrichtungen gesehen, lassen sich menschliche Gesichtszüge, Profile erkennen. Doch das ist nur eine Seite seiner Arbeit. In seiner bildhauerischen Arbeit interessiert sich Tony Cragg für unterschiedlichste Materialien. Immer auf der Suche nach der Wertigkeit von Material, erforscht er, was das Material kann. Die Bildhauerei ist für ihn keine Abbildung der Realität, sondern das Ausloten von Materialfähigkeit. So kommt man in der Ausstellung mit verschiedenen Materialien in Berührung. Stein wie zum Beispiel Travertin und Holz, wobei Cragg ausschließlich mit Schichtholz arbeitet, das ihm komplexere Aufbauten ermöglicht. Ebenso sind Glas, Stahl bzw. Cortenstahl, Bronze, gerne mit auf Bronze zugeschnittenen Farbaufträgen sowie Kunststoffe wie Fiberglas oder Kevlar, eine hitzebeständige Kunstfaser zu sehen bzw. zu erspüren.

Sehen, Anfassen, Erkennen, Begreifen, dabei stellen sich Emotionen und Assoziationen von ganz alleine ein. Blick in die Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast in Düsseldorf
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Die Vielfalt seiner Formen überrascht ebenso. Eine Arbeit mit abertausenden Spielwürfeln, eine Welle aus tausenden Menschenkörpern, die einen schaudernd an die Sintflut denken lässt. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Koralle, die sich als Händegewirr herausstellt, gekrönt mit einer Verästelungen von ausgestreckten Händen. Auf dem Boden liegt ein Schnabeltier oder ist es vielleicht doch etwas anderes? Sehen, Anfassen, Erkennen, Begreifen, dabei stellen sich Emotionen und Assoziationen von ganz alleine ein. Eine spannende Ausstellung!

Das nachgebaute Atelier Tony Craggs. Hier gilt dann allerdings: "Don´t Touch! Anfassen verboten!" Blick in die Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast in Düsseldorf
  • Das nachgebaute Atelier Tony Craggs. Hier gilt dann allerdings: "Don´t Touch! Anfassen verboten!" Blick in die Ausstellung "Tony Cragg. Please Touch!" im Kunstpalast in Düsseldorf
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30 Skulpturen sind zum Anfassen vor weiße Wände platziert, 30 weitere sind im letzten Raum, der das nachgebaute Atelier Tony Craggs zeigt, zu sehen. Auf Arbeitstischen und wandhohen Regalen liegen Werkzeuge, Modelle, Papierrollen, ein Sammelsurium von Dingen, mit denen sich Tony Cragg für seine Arbeit umgibt. Hier gilt dann allerdings: "Please do not touch!" - Bitte nicht anfassen!

Zum Künstler Tony Cragg :
Geboren wurde Tony Cragg 1949 in Liverpool, England. Nach dem Schulabschluss arbeitete er als Labortechniker im Bereich der biochemischen Forschung. 1969 wurde er am Gloucestershire College of Art and Design in Cheltenham und später an der Wimbledon School of Art in London aufgenommen. 1973 schrieb er sich am Royal College of Art in London ein, wo er sich auf Bildhauerei konzentrierte. Seine erste Professur nahm Cragg 1976 an der École des Beaux-Arts in Metz an. Im darauffolgenden Jahr zog er nach Wuppertal, wo er bis heute lebt und 2008 den Skulpturenpark Waldfrieden gründete. Von 1978 bis 2016 lehrte Cragg an der Düsseldorfer Kunstakademie, mehrere Jahre als deren Direktor. Cragg hat in den wichtigsten Museen der Welt ausgestellt. Seine Werke befinden sich unter anderem im Museum of Modern Art, New York, Tate Collection und im Centre Pompidou, Paris.

Laufzeit der Ausstellung: 22. Februar bis 26. Mai 2024

Einen Katalog gibt es zur Ausstellung nicht. Denn darin könnte man die Skulpturen ja doch nur ansehen. Zur Erinnerung an eine außergewöhnliche Ausstellung sind Masken aus einer Hanffaser mit dem Konterfei des Künstlers in Vorbereitung. Im Museumsshop werden gestempelte, unsignierte Masken zu 12,- € angeboten. Signierte und nummerierte Masken können für 200,- € erworben werden.

Für blinde und sehbehinderte Besucher*innen gibt es ein spezielles Audioleitsystem. Mehr Informationen zum Besuch und zum Rahmenprogramm unter www. kunstpalast. de

Die Fotos entstanden bei der Vorbesichtigung der Ausstellung.
Viel Vergnügen beim Anschauen.
Anfassen ist natürlich besser!

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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