ZDH Präsident Kentzler: „Handwerk muss seine Pluspunkte stärker herausstellen“

ZDH Präsident Otto Kentzler | Foto: ZDH
4Bilder

Gutes Arbeitsumfeld, hohe Arbeitszufriedenheit, Ausbildung für die Selbständigkeit, weitere Aufstiegs- und Fortbildungsmöglichkeiten - das Handwerk muss diese Fakten stärker in die Öffentlichkeit bringen, fordert Handwerkspräsident Otto Kentzler. Im Interview mit der Deutschen Handwerks Zeitung (19. Januar 2012) nennt er darüber hinaus seine Arbeitsschwerpunkte für 2012.

Herr Kentzler, mit welchen guten Vorsätzen gehen Sie ins neue Jahr?
Kentzler: Ich halte mich an einen Satz von Gustav Heinemann. Der hat gesagt: ´Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte´. Genau deshalb will ich für den Rest meiner Amtszeit bis Ende 2013 noch einiges auf den Weg bringen. Ich möchte aber vor allem, dass wir uns hier im Zentralverband, aber auch in den Kammern und Fachverbänden, die Frage stellen, wie das Handwerk 2020 aussehen könnte. Ich bin mir sicher: Nur wenn wir dann auch die richtigen Antworten formulieren, sind die Werte, die uns seit Jahrhunderten ausmachen, zu bewahren. Deshalb möchte ich, dass wir uns konkret überlegen, wo wir uns verändern müssen.

Nennen Sie ein Beispiel?
Kentzler: Heute verändern sich die Berufsbilder sehr schnell. Hier müssen wir mitziehen und neue Berufe noch schneller auf den Weg bringen. Nehmen Sie die Energiewende: Sie erfordert Veränderungen und Anpassungen in vielen Berufen. Wir müssen also nicht nur die Energiewende meistern. Wir müssen auch Ausbildung und Fortbildung ständig weiter entwickeln.
Müsste das Handwerk nicht auch bei seinen Vergütungsstrukturen einige Veränderungen vornehmen, um die notwendigen Fachkräfte zu bekommen?
Kentzler: Der Aufholprozess gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen hat längst eingesetzt, über erhöhte Ausbildungsvergütungen, Lohnsteigerungen oder die Vereinbarung von Mindestlöhnen gegen Lohndrückerei. Wichtig sind jetzt noch mehr flächendeckende Tarifverträge, um zu einem fairen Wettbewerb zu kommen.

Gleichwohl bleibt die Industrie ein harter Konkurrent im Kampf um gute Fachkräfte.
Kentzler: Das stimmt. Allerdings kommt es jungen Leuten bei der Berufswahl nicht nur auf das Einkommen an, wie Untersuchungen zeigen. Das Arbeitsumfeld ist zum Beispiel sehr wichtig. Bei uns arbeiten Betriebsinhaber und Mitarbeiter eng zusammen. Wir müssen auch andere Pluspunkte stärker herausstellen, etwa, dass es nirgends einen so direkten Weg in die Selbstständigkeit gibt und dass über den Meister hinaus viele weitere Aufstiegsmöglichkeiten bestehen. Selbst Professor kann man werden. Wir haben viel vorzuweisen, wir müssen es nur noch intensiver in die Öffentlichkeit bringen. Auch das habe ich mir für 2012 vorgenommen.
Auch Frauen und ältere Mitarbeiter helfen, die Fachkräftelücke zu schließen.

Macht hier das Handwerk genug?
Kentzler: Ein Drittel aller Beschäftigten im Handwerk sind weiblich - da brauchen wir uns überhaupt nicht zu verstecken. 27 Prozent Frauenanteil bei den Lehrlingen, über 20 Prozent bei den Meisterprüfungen, rund ein Viertel bei den Gründern – das spricht für sich. Dazu kommen immer mehr familienfreundliche Vereinbarungen in den Betrieben.
Und bei den Älteren?
Kentzler: Unser Ziel ist es, Arbeit bis 67 zu ermöglichen. Dafür müssen wir ältere Mitarbeiter weiter qualifizieren, sie nach Leistungsfähigkeit am richtigen Platz einsetzen. Dass dies in größeren Unternehmen leichter ist als in kleineren, ist klar. Viele Betriebe sind hier mit individuellen Lösungen bereits auf dem richtigen Weg.

Stichwort Pflichtversicherung für Selbstständige bei der Rente. Was halten Sie davon?
Kentzler: Wir haben im Handwerk eine gesetzliche Pflichtversicherung für eine Dauer von 18 Jahren. Diese ist nicht mehr zeitgemäß. Denn sie gilt nur für eine willkürlich herausgegriffene Gruppe: Unternehmer, die einen Anlage-A-Betrieb führen und keine Kapitalgesellschaft gegründet haben. Davon wollen wir weg. Jeder Selbständige sollte die Wahl haben, wo er sich für das Alter absichert. Im Rahmen einer Altersvorsorgepflicht heißt das: entweder in der gesetzlichen Rentenversicherung oder privat abgesichert.

Was beim Rentendialog herauskommt, steht noch in den Sternen. Anders sieht es bei den Steuern aus. Hier ist der Regierung kein großer Wurf gelungen. Und selbst der ist noch nicht sicher. Womit rechnen Sie?
Kentzler: Die Reform der Einkommensteuer muss zwar noch durch den Bundesrat. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die SPD die sehr maßvolle Entschärfung bei der kalten Progression torpediert. Ich wüsste nicht, wie sie dies den Arbeitnehmern erklären sollte. Was die Unternehmenssteuern angeht, ist bis auf Entlastungen von Bürokratiepflichten wohl nichts mehr zu erwarten.

Sie scheinen insgesamt nicht unzufrieden, und das trotz Krise. Profitiert das Handwerk womöglich davon?
Kentzler: Von den gestiegenen Investitionen in Sachwerte profitieren einige Handwerksbranchen. Wie es aussieht, werden wir für 2011 bei einem Umsatzplus von mindestens fünf Prozent landen, und 2012 erwarten wir ebenfalls ein Wachstum, voraussichtlich um 1,5 Prozent.

Sehen Sie durch die Krise, die auch die Banken unter Druck setzt, die Gefahr einer Kreditklemme?
Kentzler: Eine Kreditklemme wird es nicht geben. Aber ich sehe die Gefahr einer Kreditverknappung und -verteuerung durch Basel III. Wir haben uns deshalb auch auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass die höheren Eigenkapitalanforderungen, die an Kreditinstitute gestellt werden, über einen Ausgleichsfaktor neutralisiert werden, also den status quo zu erhalten. Das betrifft insbesondere die für das Handwerk relevanten Banken, also Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken.

Die Energiewende spielt für das Handwerk eine große Rolle. Einerseits bedeutet das viel Geschäft, andererseits leiden viele Betriebe schon unter höheren Kosten. Waren Sie am Anfang zu optimistisch in Sachen Energiewende?
Kentzler: Wir haben sehr früh darauf hingewiesen, dass Energieeffizienz der Schlüssel der Energiewende ist. Wo weniger Energie verbraucht wird, muss auch weniger erzeugt und verteilt werden. Und wo mehr Energie dezentral erzeugt wird, kann die Planung für neue Kraftwerke eher überdacht werden.

Noch geht die Energiewende erst langsam voran. Vermissen Sie von der Politik Entschlossenheit?
Kentzler: Ja, da fehlt uns der richtige Schub. Beispielsweise was die steuerliche Absetzbarkeit von Investitionen in die energetische Gebäudesanierung angeht. Die Sanierungsrate darf nicht zurückgehen, sie sollte doch verdoppelt werden. Ich hoffe, dass Bund und Länder bei ihrem dritten und letzten Treffen im Vermittlungsausschuss endlich zu einer Einigung kommen. Sie sollten sich nicht nur von den haushalterischen Erwägungen leiten lassen. Sie sollten auch die Chancen sehen, die verstärkte Investitionen privater Immobilienbesitzer und Mieter für die Klimabilanz und die Konjunktur bieten. Ein Euro Förderung löst acht Euro Investitionen aus - der Staat nimmt also am Ende mehr ein, als er ausgibt.

Bei der Photovoltaik ist die Förderpolitik vielen in der Politik ein Dorn im Auge. Kann die hohe Förderung so weiter gehen?
Kentzler: Schon jetzt ist klar, dass die Politik die EEG-Umlage weitgehend stabil halten will und die Einspeisevergütung 2012 sinken wird. Noch im Januar lotet die Bundesregierung aus, ob die Förderung weiter sinken muss. Unserer Ansicht nach müsste die Photovoltaik viel stärker zur Eigennutzung herangezogen werden - im gewerblichen Bereich etwa zur Beleuchtung von Fabriken oder Bürogebäuden. Auch hier können wir im Handwerk intelligente Lösungen bieten. Ziel muss es sein, den Eigenverbrauch in den Vordergrund zu stellen und erst zuletzt den Strom ins Netz einzuspeisen.

Interview: Burkhard Riering und Karin Birk
Quelle: ZDH

Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://malerdüsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de

Autor:

Heiner Pistorius aus Düsseldorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.