Weihnachten bei den buddhistischen Ökos

Nachdem Sheeba von ihrer Meditationsgruppe mit dem Fahrrad durch den eisigen Schneeregen mit ihrer nepalesischen Wollmütze auf dem Kopf zurückgekehrt war, stellte sie ihr Rad behutsam in den Keller und brachte die Meditationswäsche in den Jutewaschsack.

Bevor die Kinder aus dem Waldorfkindergarten nach Hause gebracht wurden vom Papa, wollte sie noch ein paar Kleinigkeiten besorgen aus dem nahegelegenen Bio-Supermarkt. Sie konnte sich Zeit lassen, wurden die Weihnachtsfeiern in der Waldorfschule doch immer sehr ausgiebig gefeiert mit einem Wettbewerb im Bratäpfelbacken und Kreistänzen.

Der heilige Abend stand ganz unter dem Zeichen eines veganen Essens und sie überlegte, einen Fondueabend zu gestalten mit diversen Gemüsestücken, die man genüßlich in Sesamsoße tunken könnte. Wie immer würde man dazu klares Wasser trinken, gereinigt mit dem Britta-Filter und angereichert mit der Energie von Rosenquarzsteinen.

Auf einen Tannenbaum hatte sie verzichtet - um die riesige Buddhastatue im Wohnzimmer waren ein paar Tannenzweige verteilt, auf denen sich die Schalen mit den tibetischen Räucherstäbchen befanden.

Sheeba bemühte ihre gertenschlanke Figur ans Fenster, um Ausschau zu halten nach ihrem mittlerweile gertenschlanken Mann und ihren gertenschlanken Kindern. Nichts zu sehen weit und breit. Sie konnte also in Ruhe die Weihnachtsgeschenke einpacken und um die Buddhastatue herum plazieren.

Ihr Mann bekam eine neue Fahrradklingel mit einem Vogelklingelton. Die beiden Kinder brauchten noch nicht so viel - sie sollten sich ein Meerschweinchen teilen, damie sie früh Verantwortung lernen für ein Lebewesenl. Als Zusatzgeschenk gab es Meerschweinfutter für die Kleinen.

Doch, wo blieb die Familie ? Es wurde zusehends dunkler und nichts war zu sehen. Ein Anruf über das Handy ihres Mannes war ergebnislos - na, ja, vielleicht war der "Omm-Klingelton" doch zu leise und er konnte sie nicht hören.

Sie setzte sich im Lotussitz auf die Matte und meditierte eine Stunde, zwei Stunden - dann plötzlich ging die Tür auf und ihre Familie trat ein. Doch was war das denn ? Die Kinder hatten Pappschachteln mit Hamburgern in der Hand und mehrere Flaschen Cola in den Plastiktüten und Herr Kaiser, ihr Mann schob eine ordentliche Fahne vor sich her - nicht etwa ein buddhistisches Gebetsfähnchen, nein es war eine reale Schnapsfahne.

Und in der einen Hand hatte er ein Sixpack Karlsberg-Bier von dem blauen Supermarkt und eine Flasche Doppelkorn in der anderen.

"Es iss sso langweilisch bei uns - weisst tu - immer nur meditieren und kein Fleisch und kein Fernsehfilm mit Schissi - so furschbaar. Ich will nisch mehr faahradfahren und bei meiner Ex war alles besser und ssie kommt gezz gleich auch noch mit, hicks, Svenja und Käwinn und wir machen Paadiee, Schatz - was, hicks, meinst denn Duu ?"

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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