4100 – oder Duisburg ging in alle Welt – Besuch der Postkartenbörse in Köln Mülheim

Rund 70 Händler boten ihre Postkarten an
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Man hört nur Nummern, wenn man durch die alte Stadthalle in Köln Mülheim geht. Reinhold Stausberg und Sascha Albertini, zwei „Heimatforscher“ aus Duisburg haben mich einmal mitgenommen zu diesem kulturellen Highlight in der Domstadt. Sie kommen mir an diesem Tag eher vor wie zwei Jäger und Sammler.

„Es ist die älteste und traditionsreichste Sammlerbörse hier in der Region!“ gibt Michael Warning aus Leverkusen zu verstehen, der mit einem Verein die Veranstaltung durchführt. Er freut sich, dass er die Standmieten seit 15 Jahren konstant halten konnte. „Und das trotz erhöhter Kosten! Vorher hat die Veranstaltung im Gürzenich stattgefunden, wo die Kosten jedoch explosionsartig nach oben gegangen sind!“

Rund 8 – 10 Millionen Postkarten liegen, fein säuberlich verpackt in Kartons und nach „alten“, manchmal auch nach neuen Postleitzahlen sortiert, auf den Tischen der rund 70 Händler im Saal und in den Wandelgängen. Dazwischen immer wieder auch ungewöhnlich Sammlerobjekte, Fotos, Orden oder auch Kino Programmhefte. Militaria findet man auch vereinzelt und Fotoalben.

Ja und diese alten Postleitzahlen rufen die Käufer den Verkäufern zu. 2850, 5000, 4500 und natürlich für die beiden Duisburger Sammler die gute alte „4100“!

Und prompt wird ein Kartenpäckchen herübergereicht. Das ist schon ein Zahlenwirrwarr, das da durch die Halle schallt.

Und Händler und Käufer kommen nicht nur aus dem gesamten Bundesgebiet sondern sogar aus Dänemark, England, Frankreich, Niederlande oder Belgien.

Und alle tauchen ab in die Vergangenheit deutscher Städte oder suchen zu einem bestimmten Thema oder eine bestimmte Postkartenart. „Ich suche zwischen 1899 und 1910 handgezeichnete Postkarten mit Kunst-Motiven! Diese sind nur selten zu finden!“ erklärt ein Sammler.

Und als ich selbst einmal mir einen Karton vornehme, da finde ich herrliche Ansichten aus dem alten Duisburg, doch dann bleibt es trotz aller Herrlichkeit beim Blick auf den Preis. Da stockt bei 36.- € für „eine“ Karte doch schon mal der Atem.

Und dann ein ungewöhnliches Foto bei einem Sammler, das die Aufbahrung von drei Luftwaffe Soldaten im Jahr 1936 in Braunschweig in einem Flugzeughangar zeigt. Auf dem Foto sieht man das damalige Nationalsymbol und links und rechts davon 2 Chanukka Leuchter. Ein für den Historiker völlig ungewöhnliches Bild, handelte es sich bei letzteren um ein Symbol aus dem jüdischen Glauben.

Chanukka erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im jüdischen Jahr 3597 (164 v. Chr.) nach dem erfolgreichen Makkabäeraufstand der Juden Judäas gegen hellenisierte Juden und makedonische Syrer, wie er im Ersten Buch der Makkabäer und auch im Talmud überliefert ist.

Und auch Informationen zur Geschichte der Ansichtskarte gibt es für den Sammler und besonders für den Laien.

Dr. Emanuel Herrmann, 1839 in Klagenfurt geboren und 1902 in Wien gestorben, war ein österreichischer Nationalökonom, der den ausschlaggebenden Vorschlag für die erstmalige postamtlich-offizielle Einführung der Postkarte in Österreich-Ungarn machte.

Er kam in jungen Jahren bereits nach Wien. Nach Absolvierung des Studiums der Rechtswissenschaften trat er in das Handelsministerium ein und habilitierte sich als Privatdozent der Nationalökonomie an der Universität Wien. Er unterrichtete an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt und von 1882 bis 1902 an der Technischen Hochschule Wien.

Am 26. Januar 1869 veröffentlichte er in der „Neuen Freien Presse“ einen Beitrag unter dem Titel „Über eine neue Art des Korrespondenz mittels der Post“. In diesem Artikel regte er an, dass alle geschriebenen oder durch Kopiermaschinen oder mittels Druck erzeugten Karten im Format eines gewöhnlichen Briefkuverts offen mit einer Zweikreuzermarke versendet werden dürfen, wenn sie mit Einschluss der Adresse und Unterschrift des Absenders nicht mehr als 20 Worte enthalten. Das normale Briefporto betrug damals fünf Kreuzer.

Der Vorschlag Herrmanns fiel auf fruchtbaren Boden. Der damalige General-Postdirektor Ritter v. Maly griff den Gedanken auf und schon im September 1869 erschien die Verordnung des Handelsministeriums über die Einführung der Korrespondenzkarte, wonach vom 1. Oktober 1869 von der Postverwaltung Postkarten ausgegeben werden, auf welchen kurze schriftliche Mitteilungen nach allen Orten der Monarchie ohne Unterschied der Entfernung gegen eine Gebühr von zwei Neukreuzern befördert werden können. Bereits in den ersten 3 Monaten wurden 3 Millionen „Correspondence Karten“ verkauft.

Die Korrespondenzkarte nahm von Österreich ihren Weg durch die ganze Welt. 1870 wurde die Postkarte im „Norddeutschen Bund“ und danach in allen weiteren deutschen Postverwaltungen eingeführt.

Herrmann wurde durch diese Erfindung ein bekannter Mann. Allerdings wurde seine Urheberschaft später bestritten. So wurde im deutschen Reichstag von einem Vertreter der Regierung erklärt, dass der preußische Oberpostrat und spätere Reichspostdirektor Heinrich von Stephan der eigentliche Erfinder der Korrespondenzkarte sei, da er diese schon im Jahre 1865 auf der Postkonferenz in Karlsruhe vorgeschlagen habe.

Diese Behauptung wurde aber von österreichischer Seite stets mit dem Argument zurückgewiesen, dass das, was Stephan vorgeschlagen hatte, nicht die Korrespondenzkarte, sondern ein Postblatt war, das in der Größe einer Geldanweisung bei allen Postkassen erhältlich sein sollte, aber vor dem Gebrauch erst mit einer Marke im Wert von einem Silbergroschen, also in der Höhe des vormaligen Briefportos beklebt werden musste. Das allerdings wäre keine Neuerung gewesen, da das Briefporto nicht ermäßigt werden sollte, vielmehr sei nur beabsichtigt gewesen, die Manipulation der Post zu erleichtern.

Tatsächlich gelangte auch nicht das von Stephan vorgeschlagene Postblatt, sondern eine Postkarte genau nach dem Muster der österreichischen Korrespondenzkarte in Deutschland zur Einführung. Stephan hat übrigens selbst niemals den Anspruch erhoben, der Erfinder der Postkarte zu sein.

Ab 1895 wurde durch ständig sich verbessernde Drucktechniken die Massenproduktion der Ansichtskarte möglich.

Nachdem durch die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre die Postkarten Sammlervereine erstarben, erlebte diese Sammelleidenschaft Anfang der 1980er Jahre ihre Wiedergeburt. Heute geht man von ca. 400.000 intensiven Sammlern in Deutschland aus.

Die teuerste Ansichtskarte wurde bei „Sotheby´ s“ in London für 14.371 Pfund also etwa 20.000.- € versteigert. Es handelt sich um eine während der Fahrt der „Titanic“ geschriebene Karte dieses Schiffes.

Alles in allem war dieser Tag in der Sammlerbörse in Köln ein Zeichen dafür, wie viel Geschichte noch von Händlern und Sammlern bewahrt und gepflegt wird.

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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