Einkaufswagen
Der Einkaufswagen als Spiegel des Lebens

Der Einkaufswagen als Spiegel des Lebens: Zwischen Überfluss und Not

Inmitten des hektischen Alltags fiel mein Blick kürzlich auf einen Einkaufswagen, der einem Obdachlosen als mobiles Zuhause diente. Gefüllt mit Wechselkleidung, Getränken, etwas zu Essen und zahlreichen Decken, war der Wagen nicht nur ein Transportmittel, sondern ein Spiegel des Lebens in all seinen Facetten.

In den letzten Jahren sind mir immer häufiger zweckentfremdete Einkaufswagen von verschiedenen Supermärkten begegnet. Kindheitserinnerungen blitzen auf, als wir unsere Einkäufe vom Aldi nach Hause schoben, dabei ein Produkt als Pfand zurückließen und die Einkaufswagen noch halb so groß waren wie heute.

Heutzutage dienen diese Wagen Obdachlosen als Behausung für ihr gesamtes Hab und Gut. Die Ironie des Lebens wird deutlich: Während einige im Überfluss an Häusern, Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und Luxusanwesen leben, streben sie dennoch nach mehr – ein Phänomen, das im Türkischen als "gözün doyması" oder "acgözlülük" bezeichnet wird, übersetzt als "Sättigung der Augen" oder "hungrige Augen".

In einem Moment der Neugier, als ich den Einkaufswagen näher betrachtete, überkam mich die Erkenntnis: "Du schaust auch nicht in die Wohnungen anderer durch Fenster. Warum also hier? Hat diese Person keine Privatsphäre, die du sonst selbst so schätzt?" Diskriminierung, Ausgrenzung, Anerkennung, Privatsphäre, Akzeptanz, Toleranz – Wörter, mit denen wir uns täglich auseinandersetzen und doch dabei ertappen, wie wir Menschen in Schubladen stecken oder sogar klassifizieren.

Warum sind wir so? Diese Frage begleitet uns auf unserem Weg, wenn wir die Vielschichtigkeit des Lebens in einem Einkaufswagen erkennen und gleichzeitig selbst immer wieder vor den Herausforderungen stehen, die unsere eigene Wahrnehmung und Interaktion mit der Welt prägen.

Dieser Einkaufswagen, ein stiller Begleiter unserer Städte, sollte uns daran erinnern, dass das Leben in all seiner Komplexität nicht immer in klaren Kategorien passt. Es ist an der Zeit, mit offenen Augen und einem offenen Herzen durch die Welt zu gehen, um die wahre Vielfalt und Einzigartigkeit jedes einzelnen Lebens zu erkennen.

Sema Özer

Autor:

Sema Özer aus Duisburg

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