Flieg, Oma, flieg!

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Oder: Oma ready for take off

ich bin ja schon öfters im Cockpit mitgeflogen, aber noch nie, nie auf dem linken Pilotensitz...

Dunkelheit senkte sich langsam über Frankfurt, als ich mich vorsichtig durch das enge Cockpit schlängelte.
Meine Hände zitterten heftig und ich hatte eine Heidenangst, irgendwo anzuecken und aus Versehen irgendeinen Schalter irgendwie zu berühren und zu verschieben. Oder mit meinem Fahrgestell das Fahrgestell der Maschine negativ zu beeinflussen. Ich kenne mich ja, und bei den tausend und drei Hebelchen und Knöpfen, die wie eine Armada von Glühwürmchen um mich herum leuchteten, konnte einem schon der Schweiß ausbrechen.
Wie auf rohen Eiern näherte ich mich dem linken Pilotensitz und ließ mich behutsam nieder.

Vor mir lag die Startbahn, schwarzer Abrieb von tausenden Reifen, die hier bei der Landung entlang geschrubbt waren, konzentrierte sich ziemlich zentral in der Mitte.
Flughafengebäude, geparkte Maschinen, Tankwagen, einer rollte auf uns zu, erste Sterne, die langsam im immer dichter werdenden Dunkel des Himmels aufblinkten.

Ich schnallte mich an.
Oma war ready for take off

Mein Begleiter auf dem rechten Pilotensitz programmierte den Computer.
Er - der Pilot auf Übungsschicht, ich - Gast .
Aber- er rechts! Ich – Oma- links!

Wir flogen mehrere Platzrunden, Steilkurven und andere Sachen, die für mich wie Flugchinesisch klangen.
Der Himmel über/neben mir hob und senkte sich, kippte über die Seite weg und entschwand manchmal ins Irgendwo. Ich wurde in den Sitz gepresst, die Maschine stieg steil hoch und war plötzlich wieder in der Geraden, landete und startete wieder durch. Himmel und Erde, Horizont und Nirwana. Mir schwirrte der Kopf, was meiner Begeisterung allerdings keinen Abbruch tat.

Schon bald musste ich kleine Aufgaben übernehmen: Fahrwerk ausfahren, einfahren, Checkliste vorlesen.
Oh Gott, kann ich das?
Ich kann!
Und ich will!
Oma war ready for take off!

Plötzlich umwaberte uns dicker Nebel mit heftigem Seitenwind von links. Landung nach Instrumenten. Unheimlich. Unheimlich ohne Ende. Erst im letzten Augenblick hatten wir Sicht auf die Landebahn. Dazu der schräge Anflug, weil wir fast Windstärke 7 hatten und gegensteuern mussten, um den Abtrieb auszugleichen.
Meine Augen hingen wie gebannt an der Landebahn links von uns.
Rüber, wir mussten rüber…!

Wir kamen gut runter: ich las von der Checkliste am Steuerhorn ab:
„ gear“? – „gear down 4 green“!
„Spoiles“? – „Spoiles armed“
„Flaps“? – „Flaps 25“
25? War die Klappenstellung 25? Ich weiß es schon nicht mehr. Es war alles viel zu aufregend für mich.
Für Oma eben.

Dann kam die Frage: “willst du mal selber fliegen?“
Ich?
Wollte ich?
Ich schluckte einmal und sagte dann tapfer: „ICH WILL!“
Und ob ich wollte!
.
„Ok, nimm das Steuerhorn und fliege eine Rechtskurve. Langsam. Mit Gefühl.“

Ich mache immer alles mit Gefühl!

Mein Herz hoppelte einen Doppelaxel, ich schluckte noch einmal kräftig, und dann flog ich ganz behutsam eine weiche Rechtskurve. Einfach so.

„Nase etwas höher! Höher, höher! - Pass auf den Horizont auf!“
"…tu ich doch! "
…Oder nicht?
Offensichtlich nicht.

Hallo! Ich bin’s doch! Oma Crissy! Ich kann weder ordentlich einparken noch unser Auto gerade in die Garage fahren. Ich bin immer und überall schief! Und da soll ich so ein Riesenteil von Flugzeug fliegen können? Ich- kann- nur- schief!
Zwar konnte ich inzwischen wunderbar die gears auf Kommando bedienen und die Spoiler armieren. Aber fliegen ist doch etwas anderes.

„Jetzt machen wir einen Landeanflug und starten dann wieder durch!“
Ich versuchte gleichzeitig mit dem Lenken den Leitstrahl auf dem Instrument vor mir zu finden, sozusagen die Anzeige, wo ich hin muss und die, wo ich wirklich gerade bin.
Upps! Besser nicht. Ich war versucht, das Steuer herum zu reißen so wie beim Auto, wenn man beinahe die Ausfahrt auf der Autobahn verpasst hätte.
Aber- geht nicht. Immer wieder vergaß ich die Trägheit der Riesenmaschine.

Bei dreien meiner Landeversuche wurde mir der erste ziemlich schnell abgenommen - sonst hätte ich die Maschine hoffnungslos zersemmelt.
Hilfe! Wo ist denn hier die Bremse?

Aber die anderen beiden Landungen waren gar nicht mal so schlecht. Ich habe die Maschine, die immerhin ein bisschen größer ist als unser Mazda, einigermaßen ordentlich auf den Boden gebracht. Na ja, vielleicht ein paar Landungsfeuer umgenietet, aber sonst…?
Sanft gelandet. Da, wo der Abrieb auf der Landebahn ist. Fast da. Na ja, vielleicht ein bisschen rechts davon. Aber immerhin.

Dann sollte ich die Maschine einparken. Zwischen die anderen dicken Brummer.
Hilfe!!
"Wo denn? Wie denn? Da? Wie komm ich denn dahin?"
„Dreh das Rändelrad da links von deinem Sitz!“

„Wo? Wie? Hier? – Ne? Da?? Wo denn????????“
Ich geriet in Panik. Die Maschine musste runter von der Landebahn!

Endlich fand ich das Rad zum Drehen im Stand, also zum Einparken.
Ich hasse Einparken. Ich konnte noch nie gescheit einparken. Auto wohlgemerkt. Und diese Riesenmaschine sollte ich jetzt übers Flugfeld rollen und einparken?
Ich?
Hektisch drehte ich an dem Rad. Es ratschte und kratzte, schrappte und wimmerte, das Flugzeug torkelte wie ein besoffener Seemann.
OGottttogooooooottttttttt!

„Ruhig, mit Gefühl, langsam!“

Als die Nase meines Flugzeugs endlich sauber ausgerichtet zwischen den anderen Maschinen geparkt stand, war ich fix und fertig, aber auch stolz wie Oskar.

Ich kletterte aus der Maschine, schaute noch einmal zurück und konnte es nicht fassen, .......

........wie klein doch letztendlich so ein Simulator ist. Er sah so harmlos aus wie er so still da stand auf seinen hohen Stelzen und den dicken Kabelsträngen rundum.
Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich schwören können, gerade aus einem echten Cockpit, allerdings ohne Flugzeug hintendran, ausgestiegen zu sein.

Wunder der Technik.

Fotos:
Foto 1: Robert Blanken / pixelio.de
Foto 2: Siegfried Fries / pixelio.de

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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