Der Kettwiger Gesamtlöschzugführer Klaus Stichel tritt altersbedingt zurück
Mister Feuerwehr geht

Klaus Stichel wird am 26. Juni das Amt als Kettwiger Gesamtlöschzugführer an seinen Nachfolger Stephan Schlunken übergeben. 
Foto: Bangert
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Wachablösung bei der Freiwilligen Feuerwehr Kettwig: Gesamtlöschzugführer Klaus Stichel tritt altersbedingt zurück und macht Platz für Stephan Schlunken. Kettwigs „Mister Feuerwehr“ im Ruhestand? Man mag es nicht glauben, man möchte es nicht glauben.

Der Brandoberinspektor wird zwar im September gerade einmal erst 63 Lenze jung, und doch: nach 44 Jahren im aktiven Dienst, davon 32 Jahren in der Löschzugführung und 15 Jahren als „Chef“ wechselt er in die Alters- und Ehrenabteilung. Früher musste man mit 60 aufhören, inzwischen wurde das auf 67 verlängert, aber Klaus Stichel sagt klipp und klar: „Am Krückstock möchte ich hier nicht heraus humpeln.“ Man müsse doch den jungen Leuten eine Chance geben: „Die können und sollen neue Ideen einbringen.“ Gemeint ist da unter anderem Stephan Schlunken. Da Corona keine reguläre Wahl ermöglichte, wurde an der Wache kurzerhand eine Drive-through-Wahl durchgeführt. Die Feuerwehrleute wählten den bisherigen Stellvertreter zum neuen Anführer. Der 47-jährige Schlunken nickt: „Schade ist es aber schon, dass die Amtsübergabe nun durch die Pandemie sehr eingeschränkt wird.“ Die offizielle Übergabe des Staffelstabes soll am 26. Juni erfolgen, sagt Stichel: „Dann bin ich exakt 44 Jahre im aktiven Dienst.“

Erlebniswelt Feuerwehr

Wie sieht das aktuell aus mit dem Dienst? Der gebürtige Kettwiger Stephan Schlunken verdreht die Augen: „Wir hoffen, dass wir bald wieder zusammen üben können. Treffen online können das nicht ersetzen. Gut, dass nun bald alle Kameraden gegen Corona geimpft sind. Mitte Juni haben dann endlich alle vollständigen Impfschutz.“ Eigentlich wäre am vergangenen Wochenende die „Erlebniswelt Feuerwehr“ dran gewesen. Alle zwei Jahre ein wahres Volksfest rings um die Wache an der Schulstraße. Die Kettwiger identifizieren sich mit „ihrer“ Feuerwehr. Die Massen strömen herbei, bekommen ein unglaubliches Programm mit faszinierenden Demonstrationen und Attraktionen für die ganze Familie geboten. Fällt alles aus in diesem Jahr, wird wohl auch erst turnusmäßig in zwei Jahren wieder stattfinden. Denn 2022 gibt es das 150-jährige Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Kettwig zu feiern. Eine Aufgabe, bei deren Bewältigung Schlunken natürlich auf die Unterstützung seines Vorgänger bauen kann. Schließlich sind die beiden schon seit 2006 ein eingespieltes Team.

Ein bunter Hund

In Kettwig ist Klaus Stichel bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Das war damals noch anders, als sein Cousin Walter Vogelbusch den 17-Jährigen mit zur Löschgruppe vor der Brücke schleppte. Erst gab es eine Übungsuniform, Probeeinsätze und eine Wartezeit, dann war Klaus Stichel Feuerwehrmann. Mit Schmunzeln erinnert er sich ans feuchtfröhliche Aufnahmeritual. Die Neuen wurden durch das rund dreißig Meter lange Becken der Schlauchwäsche gezogen: „Der Frischling wurde kurzerhand gepackt, erfuhr so seine Taufe. Heutzutage bieten sich da Teiche an…“ Heutzutage wird der Turm nicht mehr benötigt zum Trocken der Schläuche und das alte „Taufbecken“ beherbergt lange Spind-Reihen für die Ausrüstung. Viele der 53 Feuerwehrmänner und der einen Feuerwehrfrau sind Handwerker, etwa Klempner, Elektriker, Schlosser, Schornsteinfeger. Dazu kommt noch die zwanzig Mann starke Jugendfeuerwehr. Der Nachwuchs liegt Stichel besonders am Herzen: „Für die Jugendfeuerwehr war der digitale Unterricht sehr wichtig.“

Rund um die Uhr

Ende 1991 löste Klaus Stichel den aus gesundheitlichen Gründen abtretenden Wilfried Schörken als Führer der Löschgruppe vor der Brücke ab. Im Januar 2000 wählte ihn der Löschzug Kettwig-Mitte zum Anführer, bald wurde er stellvertretender Sprecher der Essener Freiwilligen Feuerwehren. Als Manfred Rauth in Rente ging, rutschte Stichel am 11. August 2006 auf und stand seitdem dem Kettwiger Gesamtlöschzug vor. Für seine besonderen Dienste wurde er mit dem Goldenen Feuerwehr-Ehrenkreuz geehrt.
Rund um die Uhr in Bereitschaft, da muss der Arbeitgeber mitspielen. Über 25 Jahre arbeitete Stichel bei der Traditionsfirma Erso Indulux, die Industrieleuchten herstellte. Nach deren Abwicklung war mit 57 Jahren ein Berufswechsel angesagt: „Da habe ich echt Glück gehabt. Jetzt bin ich beim Bauverein Kettwig als Elektriker und Hausmeister. Ich kümmere mich um 620 Wohneinheiten und bin sehr zufrieden.“ Der Bauverein auch, denn er bekam einen höchst kompetenten Sicherheits- und Brandschutzbeauftragten.

Großbrände und Unwetter

Die Aufgaben haben sich gewandelt mit der Zeit, nur noch ein Drittel sind Löscheinsätze. Technische Hilfe steht oben auf der Agenda. Menschen verunglücken: Sei es daheim, auf Straße, Schiene, Ruhr. So mancher Einsatz bleibt in Erinnerung: Als das Kinderheim brannte. Großbrände wie bei Hellweg oder bei Axel Springer. Oder die Unwettereinsätze bei Kyrill oder Ela. Unvergessen auch das Schneechaos im Münsterland, als der Elektriker Stichel wieder Strom in die Ställe brachte: „Überlebenswichtig für die Tiere.“ Ein besonders Erlebnis 2005 die Messe mit Papst Benedikt XVI. auf dem Marienfeld nahe Köln. Der Einsatz war Gottseidank nur ein Fehlalarm: „Aber diese riesige Menschenmenge. Das war Faszination pur.“ Bundespräsident Horst Köhler landete mit seinem Hubschrauber direkt neben der Einsatzstelle der Feuerwehr: „Er hat sich bei uns persönlich bedankt.“ Damals in Jugoslawien war der Campingplatz in Gefahr: „Die Pinienwälder brannten wie Zunder.“ Natürlich packte der Kettwiger mit an: „Schnell wurde eine Eimerkette organisiert und mit Wasser aus dem Meer gelöscht. Das stand dann sogar in der Zeitung.“

Allzeit bereit

Was „allzeit bereit“ ganz konkret bedeuten kann, wusste Ehefrau Martina spätestens dann, wenn er sie beim Einkauf an der Supermarktkasse stehen ließ. Denn wenn der Piepser ging, eilte Stichel zum Einsatzort: „Wir sind immer abrufbereit. Sie wusste, worauf sie sich einlässt. Das macht nicht jede Frau mit.“ Diese hier nimmt es mit Gelassenheit. Seit 1980 sind die beiden ein Paar, da gewöhnt man sich irgendwann. Tochter Rebecca folgt da ganz der Tradition, denn ihr Gatte ist auch Feuerwehrmann. Ob die frisch geborene Enkeltochter Milena in gut zehn Jahren bei der Kettwiger Jugendfeuerwehr anklopfen wird? Bei dem Opa? Nicht gerade unwahrscheinlich...

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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