Bürgerreporter-Recherche: Existenzvernichtung geht auch ganz ohne Sanktionen (Teil 4)
Prozessbetrug – Hat das Jobcenter MK Sozialrichter vorsätzlich getäuscht?

Seit Juni 2016 drangsalieren Mitarbeiter des Jobcenter Märkischer Kreis eine Leistungsberechtigte aus Menden (Sauerland) und verweigern ihr regelmäßig die Auszahlung der existenzsichernden Leistungen in dem Gebetsmühlenartig eine Bedarfsgemeinschaft unterstellt wird.
Das Vorliegen einer Haftungs- und Einstandsgemeinschaft wurde zu jeder Zeit vehement bestritten.

Jede einzelne Leistungsgewährung musste in Widerspruchs- und Klageverfahren vor Gericht durchgesetzt werden.

Prozessbetrug ist ein Straftatbestand

Ein erstes Eilverfahren scheiterte noch vor Gericht, weil die Vertreterin des Jobcenters, nennen wir sie „Niemand“ in dem Eilverfahren S 60 AS 2091/18 ER durch wahrscheinlich vorsätzliche Falschaussage über angebliche Einnahmen und unhaltbare Phantastereien die zuständige Richterin Wilschewski vorführte. In ihrem Antrag auf Klageabweisung vom 16.05.2018 trug „Niemand“ der Wahrheit zuwider vor:

„Es mangelt ebenso an der Eilbedürftigkeit.
Die Antragstellerin kann ihren Regelbedarf bereits durch ihre Erwerbsminderungsrente in Höhe von 479,40 EUR sicherstellen.
Dass die Antragstellerin einer ernsthaften Mietforderung ausgesetzt ist, wird bestritten.“

„Niemand“ wusste zu diesem Zeitpunkt, oder hätte wissen müssen, dass die Rente bereits zum 31.01.2018 ausgelaufen war, weil das Ablehnungsschreiben der Rentenversicherung vom 18.01.2018 in der Akte der Klägerin vorliegt.
„Ihrem Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.02.2018 können wir leider nicht entsprechen, weil Sie die medizinischen Voraussetzungen für diese Rente nicht mehr erfüllen.“

In Ihrem Beschluss vom 05.06.2018 übernimmt Richterin Wilschewski diese Falschaussagen der Sachbearbeiterin völlig ungeprüft, obwohl die Klägerin diese Information als Antwort auf den Antrag auf Klageabweisung per Fax übermittelt hat. (Möglicherweise liegt hier eine zeitliche Überschneidung vor, weil die Faxzusendung am gleichen Tag wie die Beschlussfassung erfolgte.)

Ihren Beschluss begründet sie mit den Worten:

"Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich des Regelbedarfes besteht ist nicht, da die Antragstellerin diesen aus ihrem Renteneinkommen decken kann."

Ein eindeutiges Fehlurteil: Die EU-Rente war nachgewiesen bereits zum 31.01.2018 ausgelaufen. Diese entscheidende Tatsache ist auch in der Verfahrensakte (Blatt Nr. ?) verkörpert.

Auch das Landessozialgericht NRW verweigert die Existenzsicherung

Am 08.06.2018 wurde Beschwerde eingereicht. Darin wurde das LSG NRW auf die Täuschung im Widerspruchsverfahren hingewiesen, die Einstellung der EU-Rente und auch die Rückstände der Miete und der Krankenversicherung. Während die Klägerin die falsche Tatsachenbehauptung des Jobcenters nachgewiesen hat, geben die Richter den Mutmaßungen und Interpretationen den Vorrang und formulieren Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführer in ihrem ablehnenden Beschluss vom 16.08.2018.
Es erscheint der Vorsitzenden Richterin Straßfeld, Richter Dr. Saitzek und Richter Dr. Kemper nicht nachvollziehbar, warum Gelder aus einem aufgelösten Versicherungsvertrag vorrangig für offene Mietforderungen (die vom Jobcenter zu tragen sind) verwendet wurden und nicht für die Krankenkassenrückstände (die ebenfalls vom Jobcenter übernommen werden müssen). Und gerade weil die Beschwerdeführerin so gut wie keine Kontobewegungen vorweisen kann – wird ihr selbst der Regelsatz verweigert.
L 19 AS 919/18 B ER

Dies wirkt wie eine offene Missachtung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.2005 das der Beschwerde im Volltext beigelegt worden war. Das BVerfG, hatte in dem Verfahren 1 BVR 569/05, klargestellt:

(zum Grundrecht auf Einstweiligen Rechtsschutz gem. Art 19 Abs. 4 GG)
"Die Verfassungsbeschwerde betrifft sozialgerichtliche Eilverfahren wegen der Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe wegen Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführer."
"(2) Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern."

Endlich erste Teilerfolge in drei ER-Verfahren

Ohnmächtig und ausgeliefert an ein Menschenverachtendes System in dem wieder einmal „Nichtse in Stiefeln“ die Oberhand zu behalten scheinen, irrt die Klägerin zwischen Gedanken von Suizid und Amoklauf. Unzählige Gespräche habe ich inzwischen mit ihr geführt. Dass sie nicht längst ausgerastet ist, ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Ich kenne ja meine Gedanken und Gefühle. Und ich bin nur ein „Außenstehender“.

Am 11.03.2019 ergeht endlich ein Beschluss, der zumindest 5 ½ Monate der Regelleistung zuspricht. Und überraschender Weise zitiert Richterin Wilschewski diesmal die Entscheidung des BVerfG 1 BVR 569/05, die das LSG NRW zuvor noch missachtet hatte.

Aber das Jobcenter Märkischer Kreis weigert sich die Leistungen ab Januar nachzuzahlen und verschleppt die Existenzsichernden Leistungen um einen weiteren Monat.
Und diesmal zeigt sich, dass die Geschäftsführung direkt eingebunden ist. Die Bereichsleiterin Recht Frau „Niemand“ forderte eine Prüfung der Revisionschancen ein.
Kurz vor Fristablauf legte das Jobcenter Märkischer Kreis Beschwerde ein. Aber diesmal landet das neue Verfahren bei der 7. Kammer des LSG und die bestätigten das erstinstanzliche Urteil am 28.05.2018 mit 5 Monaten Verspätung.

S 60 AS 240/19 ER, 11.03.2019,  (01.11.2017-30.04.2018)
L 7 AS 624/19 B ER, 28.05.2019, (01.11.2017-30.04.2018)

Weitere Leistungen mussten auf dem Klageweg erstritten werden
S 38 AS 4794/19 ER, 25.10.2019, (30.09.2019-28.02.2020)

S 38 AS 762/20 ER, 16.04.2020, (01.03.2020-31.08.2020)

Die ausführliche Dokumentation des jahrelangen Rechtsstreites und die Vielzahl der Einzelverfahren sind unter klage107 zugängig gemacht.

Fortsetzung folgt.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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