Lokalkompass Adventskalender: Der Basteljunge

Der Basteljunge - Eine Geschichte von Britta Meyer | Foto: Britta Meyer
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Ein fieser Sonntag ist das. Fies draußen vor der Tür und fies im Kopp. Migräne. Früher dachte ich, Migräne ist, wenn Frauen keine Lust auf Sex haben. Von wegen.

Weil der Sonntag fies ist, liege ich auf dem Sofa und versuche zu lesen. Am Wohnzimmertisch sitzt ein Junge und bastelt Strohsterne. Er macht das zum ersten Mal. „Mist, das klappt nicht. Guck mal, wie der aussieht. Den kauft doch keiner auf dem Weihnachtsmarkt.“ Dem Stern ist tatsächlich ein bisschen mager geraten, es fehlen ihm ein paar Strahlen und er ist ein wenig schief gewickelt. Die Situation erinnert mich an die verunglückte Bastelarbeit aus dem Film mit Til Schweiger. Der selbstgenähte Hase ohne Ohren wurde einfach „Keinohrhase“ genannt und war gerade aufgrund seiner Unperfektheit besonders schön. „Den Keinohrstern da, den möchte ich aber behalten!“ rufe ich von meinem Lager. Genau genommen handelt es sich bei dem Keinohrstern um einen Wenigstrahlenstern.

„Vielleicht musst du das Stroh doch einweichen, wie es im Internet steht“, schlage ich aus der Horizontalen vor, wobei ich gar nicht richtig denken kann bei dem Kopp-Ping. „Auf der Strohpackung steht aber, dass man das nicht braucht.“ Er tut es trotzdem und versucht es erneut, hochkonzentriert werden die eingeweichten Halme geschnitten, die Zungenspitze des Basteljungen schaut ein wenig aus seinem Mundwinkel hervor. „Ach, das ist doch Mist. Das wird nichts, das kapieren die Schüler nie.“ Ich erhebe mich vom Sofa und schaue mir den zweiten Stern an. Der ist richtig gut geworden. Ich lobe meinen Jungen. Der glaubt mir nicht.

„Wieso habe ich mich freiwillig für diese blöde Bastelgruppe gemeldet?“ murrt er. „Ich hasse Basteln!“ Ich tröste ihn, deute auf den gelungenen zweiten Versuch und sage: „Der sieht doch toll aus. Mach mal weiter.“ Die nächsten beiden Strohsterne werden noch besser, üppiger und bunter. Mein Junge geht ab und zu zum PC und schaut sich verschiedene Bastelvorschläge an. „Guck mal, es gibt auch Strohengel.“ Dies scheint mir, bei allem Fortschritt seiner handwerklichen Fähigkeit, doch etwas zu weit nach den Sternen gegriffen, der Engel ist kompliziert. Inzwischen geht es mir besser und ich versuche zu helfen, wobei die Betonung auf „Versuch“ liegt. Ich stelle fest, dass Strohsternbasteln nicht mein Hobby Nr. 1 wird.

„Das kapieren die Kinder nie. Diese Bastelgruppe ist zum Scheitern verurteilt. Ich hasse Basteln!“ sagt der stirnrunzelnde 49jährige Basteljunge und Förderschullehrer beim wieder hochkonzentrierten Zuschnitt seines fünften Sterns. Er braucht die Sterne als Vorlage für seine Projektwoche. Am Freitag ist Weihnachtsmarkt.

„Heroes are hard to find“ steht auf seinem T-Shirt. Helden sind schwer zu finden. Och, wenn ich mir den großen Jungen so angucke, finde ich das eigentlich nicht. Und den Wenigstrahlenstern, den habe ich natürlich behalten.

Geschichte von Britta Meyer aus Düsseldorf

Autor:

Lokalkompass .de aus Essen-Süd

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