Ein Sturm im Wasserglas? Die Bürger wehren sich, Anwohner sammeln Unterschriften, Dr. Roeser rät von „Panikmache“ ab

Das Heim für Asylbewerber und die Sporthalle im Löwental.
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  • Das Heim für Asylbewerber und die Sporthalle im Löwental.
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Die aufgeflammte Debatte um die neuen Standorte für zusätzliche Asylbewerber-Heime bewegt die Menschen. Doch lokale Politiker mahnen zur Ruhe und plädieren für vernünftiges Miteinander.

Ähnlich wie beim Streit um das Baugebiet zwischen „Grüne Harfe“ und Barkhovenallee haben viele Menschen in Heidhausen das Vertrauen verloren. Prompt wurde reagiert, ein Rechtsanwalt soll die Interessen der Anwohner vertreten, die kein Asylbewerberheim mitten im Wohngebiet, zwischen Grundschule an der Jacobsallee und Kindergarten an der Barkhovenallee, wünschen.
So fürchtet so mancher um den Wert seines Hauses. Denn beileibe nicht nur zugezogene „Neureiche“ wohnen hier, sondern etliche Familien, deren Eltern oder Großeltern nach dem Krieg ihre Bleiben mühselig mit bewundernswerter Initiative, wenig Geld und sehr viel „Muskelhypothek“ erbauten.

Bürger sind erregt

Auch ist noch nicht abschließend geklärt, ob es unter der „Hundewiese“ an der Jacobsallee noch andere Altlasten gibt als die Überreste der früher auf dem Gelände angesiedelten Baracken, als es eben noch nicht genug feste Wohnhäuser gab.
Eifrig werden von den direkten Anwohnern Unterschriften gesammelt, die Listen füllen sich zusehend. Die Bürger sind erregt, besonders, da sie sich wieder einmal von Politik und Verwaltung überfahren fühlen. So fiel jetzt auf, dass laut der Ratsvorlage klammheimlich 160 statt der immer proklamierten 80 Asylbewerber untergebracht werden sollen, und zwar in Miet-Containern auf dem Baufeld und direkt daneben.

Eine dauerhafte „Interimslösung“ ?

Solch eine als „Interim“ apostrophierte „Zwischenlösung“ dauert zum Beispiel im Löwental nun schon bald 25 Jahre…
Eine „städtebauliche Entwicklung“ mit Bürgerbeteiligung war angedacht, rückt aber immer mehr in die Ferne. Dabei hatten die Löwentaler ihre neuen Nachbarn willkommen geheißen, sogar Weihnachtsfeiern ausgerichtet. Doch nach und nach wurde klar, dass die Stadt ihre Versprechen nicht hält und immer wieder die Genehmigung für das ursprünglich nur für fünf Jahre vorgesehene Heim verlängert - mehr wurde nicht getan.
Nach vielen guten Erfahrungen ist das Heim im Löwental leider seit geraumer Zeit ein „problematischer Standort“ geworden, von dem die Anwohner nichts Gutes berichten können. So wurde aus anfangs wohlwollender Zustimmung der Nachbarschaft Ablehnung, die Geduld ist überstrapaziert.
Auch die geplante „24-Stunden-Betreuung“ wird kritisch gesehen: „Bisher fährt ab und zu jemand Streife. Aber aussteigen und eingreifen traut sich eh‘ keiner!“

Klärungsbedarf

Die Grüne Ratsfrau Dr. Elisabeth van Heesch-Orgass ist besorgt darüber, dass die von der Essener Stadtverwaltung vorgeschlagenen Standorte von Flüchtlingsunterkünften ohne jedwede Klärung der bestehenden offenen Fragen in der Februar-Ratssitzung durchwinkt werden sollen.
Die Grüne sieht noch erheblichen Klärungsbedarf, auch vermisst sie eine tatsächliche sozialverträgliche Verteilung der Standorte über das gesamte Stadtgebiet: „Dass weder im Bezirk II noch in Bredeney am geeigneten Standort Einigkeitsstraße Unterbringungen vorgesehen sind, ist so nicht akzeptabel, und bedeutet letztlich für andere Stadtteile und Bezirke die gezwungen höhere Unterbringungszahl. Wieder einmal wollen Verwaltung und Teile der Politik vor der Anhörung der BV sowie der örtlichen Bürgerschaft eine Entscheidung durch den Rat zwingen. Für geeignete Standorte zur alternativlosen Unterbringung der Flüchtlinge in Essen und eine wirkliche Integrationsmöglichkeit sowie Willkommenskultur ist aber gerade das Augenmaß und hinreichende Fingerspitzengefühl bei der Standortsuche im gesamten Stadtgebiet von großer Bedeutung. Für Flüchtlinge in großer Not, die zur Rettung von Leib und Leben ihre Heimat verlassen und in ein fremdes Land gehen, ist die Unterbringung fernab jeder Infrastruktur vollkommen kontraproduktiv.
Auch andere Konfliktfelder sind auszuräumen: Bei der Ausweitung bestehender Standorte wie im Löwental ist seitens der Verwaltung eine 24-Stunden-Betreuung der Einrichtung sicherzustellen, um Konfliktpotential auszuräumen und den Anwohneranliegen Rechnung zu tragen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Integration hilfesuchender Flüchtlinge.“
Dem Fällen der alten Kastanien hinter dem Löwental zur Aufstellung von Container vermag die Grüne nichts abzugewinnen. „Auch hier muss sich die Verwaltung fragen, ob es keine alternativen Standorte für die Containeraufstellung gibt, als ausgerechnet im Bereich des alten Baumbestandes hinter dem Heim im Löwental.“

Sankt-Florians-Prinzip?

Zum Thema „Finanzen“ äußerte sich Ratsherr Klaus Budde:
„Wir von der Ratsfraktion der FDP werden das Gesamtkonzept überprüfen und jeden potenziellen Standort besuchen. Uns treibt die Frage um, ob dies alles in diesem Umfang nötig ist – ein Finanzierungsplan von 45 bis 50 Millionen Euro scheint uns überdimensioniert. Wir sollten nicht unnötig Geld opfern, alles geht eine Nummer kleiner. Der jüngste Bürgerentscheid zur Messe hat uns die Richtung aufgezeigt, die die Bürger wollen.
Natürlich sind hier Menschen in Not, deswegen befürworte ich auch die Ausweitung des Standortes im Löwental. Aber hier, wie auch in Heidhausen, werden viele Menschen nicht einverstanden sein. Das kann ich sehr gut verstehen, warne aber davor, nach dem Sankt-Florians-Prinzip das Problem nur weiterzuschieben.
Wir haben das Glück, in einem sehr schönen Stadtteil zu wohnen. Wir müssen helfen – auch in Werden. Ich plädiere für vernünftiges Miteinander, aber wir brauchen zunächst belastbare Zahlen. Ist das überhaupt und so teuer nötig? Mit einfachen Mitteln könnte man vorübergehende Lösungen stemmen, die nicht auf Dauer ausgelegt sind.
Denn Essen soll eine lebenswerte Stadt bleiben!“

Noch nichts spruchreif...

Einen anderen Aspekt beleuchtet BV-Mitglied Dr. Frank Roeser:
„Ein Sturm im Wasserglas! Da ist noch überhaupt nichts spruchreif. Denn sollte demnächst eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes auf den Weg gebracht werden, demnach Serbien und Mazedonien als ‚ sichere Drittländer‘ eingeordnet werden, haben die dort Herkommenden praktisch keine Chance mehr auf Asylschutz. Da diese Menschen rund zwei Drittel der Essener Heim-Plätze belegen und dann nicht mehr dürften, wäre das Erfordernis zusätzlicher Unterkünfte vermutlich entfallen.
Also gilt wie so oft: ‚Ball flach halten, ist alles wieder nur Panikmache‘.
Ob der Boden an der Jacobsallee wirklich kontaminiert ist? Das sollte man erst einmal prüfen. Und wenn dem so ist, greift die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 3 (1): ‚Bauliche Anlagen…sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet wird…Mit Boden, Wasser und Energie ist sparsam umzugehen. Die Möglichkeiten zur Vermeidung und Verwertung von Bauabfällen und Bodenaushub sind zu nutzen‘.
Dann dürfte dort eben nicht gebaut werden.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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