Über 'Urban Birding' und ...
..ein Loblied auf die unscheinbaren Hausrotschwänze

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Was macht das Beobachten und Fotografieren von Vögeln in Großstädten , das man  auf Neudeutsch URBAN BIRDING nennt, für immer mehr Menschen jeglichen Geschlechts und Alters so interessant?
An den HOT SPOTS der Vogelbeobachtung (schon wieder neudeutsch!) sammeln sich nach meiner Erfahrung immer mehr Naturfreund*innen mit Ferngläsern und imposantem Fotoequipment, die auf der Jagd nach Eisvogel, Wanderfalke  und Co. sind.
Es muss mehr als reine Liebe zur Natur sein, denn sonst würde man die Vögel vor den Toren der Städte und nicht auf ehemaligen Zechen- oder Eisenhüttenarealen und begrünten Abraumhalden  u.ä. beobachten.
Wahrscheinlich ist es der Reiz der ehemaligen Kohle- und Schwerindustrie, der diese Orte als Location (neudeutsch!) für die Vogelbeachtung so intereressant macht. Es macht einfach Freude, zu entdecken, wie die Natur (und mit ihr die Vögel) diese noch vor wenigen Jahrzehnten lebensfeindlichen Orte zurückerobert.
Und welche Kontraste tun sich auf, wenn man einerseits die Relikte der ehemaligen Arbeitsplätze von schwer arbeitenden Menschen vor Augen hat und dann auf der anderen Seite die federleichten Vögel sieht, die sich als Kulturfolger diesen von den Menschen aufgegebenen Orten  wieder anpassen.
Die Zeche Zollverein, der Landschaftspark Duisburg Nord, Phönix -West in Dortmund oder der Gleispark in Essen-Frintrop sind solche Orte, die durch den Strukturwandel wieder größere Flächen für die Natur bereithalten und spektakuläre Kulissen fürs Urban Birding zur Verfügung stellen.
Bei mir vor der Haustür sind es die Reste eines alten Güterbahnhofs, die jedes Jahr die Hausrotschwänze dorthin zurückkehren lassen. Diese alte Brache liegt direkt neben der achtgleisigen Hauptbahnstrecke Duisburg- Dortmund, was die zierlichen Vögel nicht im Geringsten zu stören scheint. Ich bin immer wieder aufs Neue begeistert, wenn ich sehe, wie selbstverständlich dieser zierliche Vogel den von Menschen geschaffenen Lebensraum als Heimstätte übernimmt. 
Doch das Loblied auf diese Kulturfolger, die noch im 19. Jahrhundert ausschließlich im Gebirge lebten, muss ich nicht selber singen. Viel besser können das Jürgen Roth (Schriftsteller, der  u.a. für taz und titanic schreibt) und der Historiker Thomas Roth. Sie porträtiern in ihrem Buch "Kritik der Vögel" unsere wichtigsten Vogelarten witzig und aus ungewohnten  Perspektiven. Über den Hausrotschwanz schreiben sie zum Beispiel, dass er eine "feingliedrige, beklemmend fragile " sowie eine " berückend und bedrückend hübsche Gestalt" hat. Die  Hausrotschwänze wären "wundervoll würdevolle Gnome", mit einer "spielerisch übermütigen Zuneigung zum Diesseits". Und für den Ende Oktober/ Anfang November anstehenden Abflug in den Mittelmeerraum verabschieden sie den zierlichen Hausrotschwanz mit den Worten: "Du bist der Beste. Danke für deine unsre Verzagtheit verscheuchende Visite!"
Noch Fragen, warum Urban Birding so viel Freude bereitet?

Literatur:
1.) David Lindo: Urban Birding, Stuttgart 2018
2.) Jürgen Roth&Thomas Roth: Kritik der Vögel- Klare Urteile über Kleiber, Adler, Spatz und Specht, Berlin 2019

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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