Obdachloser sollte brennen

Als Wolfgang Dotten, Mittwochmorgen, auf dem Frohnhauser Markt Rettungshubschrauber, Krankenwagen, Polizei sieht, schießt ihm blitzartig ein Gedanke durch den Kopf: „Hoffentlich ist Berthold nichts passiert!“ Doch. Berthold starb zehn Stunden später einen grauenvollen Tod…

Westpark: Kurz nach sieben Uhr. Die Frohnhauser Erzieherinnen, Gertrud und Günay, steigen aus ihrem Wagen. Beide stutzen. Es riecht nach Brand. Eine Frau läuft aufgeregt in Höhe Hildesheimer Straße/Parkeingang auf sie zu. In der Hand einen Kanister Wasser. „Es ist was Schreckliches passiert.“ Alle Drei rennen in den Park. Günay mit einer 1 l Wasserflasche.

Sie sehen eine dunkle brennende Masse Mensch. Daneben steht ein junger Mann (informierte Feuerwehr, Polizei). Er versucht, beruhigend auf den Mann einzusprechen. „Denn er ist ansprechbar.“ Ob er sich selbst anzündete? Keiner weiß es. Günay schüttet dem Brennenden Wasser auf die Füße. Währenddessen unterstützt Gertrud die Polizei, die wenige Minuten später eintrifft. „Ich wollte nicht, dass Kinder, Leute, die durch den Park kommen, davon etwas mitbekommen. Damit Polizei und Feuerwehr in Ruhe arbeiten können.“

„Wir haben das getan, was man machen muss, wenn ein Mensch Hilfe benötigt: Nicht wegrennen, nicht weggucken. Helfen. Das ist für uns selbstverständlich.“
Selbstverständlich ist auch vermutlich für einen 68-jährigen Frohnhauser Rentner, dass er den Obdachlosen wie eine Fackel brennen sehen will. Fakt ist, dass „Berthold“, so nennen ihn alle ihn Frohnhausen, seit langem in einem Streugut-Container, Westpark, nächtigt. Beide Männer kennen sich.

Ein Tag vorher. Dienstag. Der 68-Jährige lädt den Berber in seine Frohnhauser Wohnung ein. Zum Frauen-WM-Fußballgucken. Der 58-Jährige darf bei ihm nachts bleiben. Muss nicht in seinen Container. Gegen 4.27 Uhr ruft dann aber der Rentner bei der Polizei an. Aufgeregt meldet er, dass ein Obdachloser ihm drei Uhren gestohlen habe. Die Polizei macht sich auf die Suche. Ohne Ergebnis. Um 5.55 Uhr der zweite Anruf. Der Rentner nennt den Namen des vermutlichen Diebes. Auch danach wird die Polizei nicht fündig.

7.02 Uhr: Die Mitarbeiterin einer Frohnhauser Tankstelle ruft die Polizei an. Nicht geheuer ist ihr ein Mann, der ein Liter Benzin im Kanister tankte. Er sei ihr „völlig irre vorgekommen.“ Außerdem habe er von einem Obdachlosen gesprochen, den er zur Rechenschaft ziehen – vielleicht gleich anzünden wolle.
Zunächst rast die Polizei zum Gervinuspark, denn dieser liegt am Kürzesten von der Tankstelle. Doch vergeblich.

Fast zeitgleich brennt lichterloh der 58-jährige Berthold. Der Rentner hat ihn vermutlich mit dem Benzin in seiner Container-Schlafstätte überschüttet. Abgefackelt! Der rennt schreiend durch den Westpark…
Mit dem Rettungshubschrauber wird Berthold in eine Spezialklinik geflogen. Doch die Ärzte wissen schon früh, dass er bei seinen schwersten Brandverletzungen keine Überlebenschance hat. 95 % seiner Haut sind zerstört. Weg…
Um 17.25 Uhr stirbt Berthold.

Die Polizei erlässt wegen Mordes einen Haftbefehl gegen den 68-jährigen Rentner. Er legte einTeilgeständnis ab, so Tanja Horn, Polizeipressesprecherin.

Fassungslos ist Wolfgang Dotten, Markt-Obmann. „Ich kenne Berthold über 20 Jahre. Er half jahrelang bei Blumen „van der Meer“ auf dem Frohnhauser Markt. Jahre lebte er auch bei ihnen. Bekam dort Kost und eine Schlafstelle. Er war alkoholkrank. Aber nie aggressiv; ein sehr ruhiger, harmloser Mensch. Die unheimliche Gewaltbereitschaft mancher Menschen ist extrem niedrig geworden. Das ist sehr, sehr schlimm.“

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Benefizkonzert für Berthold:
Samstag, 9. Juli 2011, 11.30 – 13 Uhr, findet auf dem Frohnhauser Markt ein Benefizkonzert für den ermordeten Obdachlosen Berthold statt.
Frohnhauser Musiker wollen damit Anteilnahme zeigen. „Wir hoffen, von den Einnahmen einen Teil der Bestattungskosten decken zu können“, wünscht sich Udo Marx mit Bandmitgliedern.

Hintergrund: Ein 68-jähriger Frohnhauser Rentner wollte sich rächen - für einen angeblichen Diebstahl. An einer Frohnhauser Tankstelle tankte er für einen Euro Sprit, faselte was von einem Obdachlosen, der Uhren bei ihm nachts geklaut hätte. Und – er wisse wer das wär, wolle ihn jetzt anstecken.

Die Kassiererin informierte umgehend die Polizei. Die suchte umliegende Parks ab. Doch in der Zwischenzeit übergoss der Rentner den 58-jährigen Berthold mit Benzin in seiner Schlafstätte, einem Streugut-Container im Westpark. Passanten versuchten vergeblich, ihn zu retten. Noch am gleichen Tag verstarb Berthold qualvoll in einer Spezialklinik. 95 % seiner Haut waren zerstört.

Die Obduktion ist Freitag, 8. Juli, so Tanja Horn, Polizei-Pressestelle. Ob Rentner Manfred G. Leukämie hat, konnte die Polizei nicht bestätigen, „aber er ist körperlich krank.“

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Foto: Georg Lukas / West Anzeiger

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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