Bärendelle: besetzt - und schon geräumt

Überraschend schnell ließ die Stadt die besetzte Bärendelle räumen. Ein Gespräch mit den Jugendlichen wurde nicht gesucht. | Foto: privat
  • Überraschend schnell ließ die Stadt die besetzte Bärendelle räumen. Ein Gespräch mit den Jugendlichen wurde nicht gesucht.
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Kaum war die ehemalige Hauptschule Bärendelle in Frohnhausen von einigen Dutzend Jugendlichen besetzt, wurde sie auch schon wieder von einer Hundertschaft geräumt.
Die Stadt kann also auch schnell, wenn ihr etwas nicht in den Kram passt.
In Sachen Zukunft der Bärendelle hingegen gibt es offensichtlich keine Eile - sie gammelt seit Jahren vor sich hin. Ein Skandal, über den wir schon mehrfach berichtet haben.
Wie‘s hinter den verschlossenen Türen des altehrwürdigen Gebäudes aussieht, lesen Sie in diesem Lokalkompass-Beitrag

Was meinen Sie, liebe Leser?

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Erste Meinungen zur Besetzung und Räumung der Bärendelle:

LINKE: Besetzung legitim Räumung unverhältnismäßig

Zwei Tage lang hatte eine Gruppe Jugendlicher das „Plenum Bärendelle“, das leerstehende Gebäude der ehemaligen Hauptschule, besetzt. LINKE Vertreter waren mehrfach vor Ort und konnten sich von friedlichen Protesten im Einklang mit den Anwohnern überzeugen.

„Auch ich habe mich im Gebäude befunden um mit den Jugendlichen zu reden und zu vermitteln. Vorgefunden habe ich ein Bild von Verrottung und Verfall der Immobilie seitens des Besitzers. Wie die Stadt mit öffentlichem Eigentum umgeht, ist untragbar“, so Janina Herff stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN Ratsfraktion.

„Auf der einen Seite fehlen Räume im Stadtteil, die Möglichkeiten zur soziokulturellen Nutzung bieten, auf der anderen Seite rottet eine prinzipiell geeignete Immobilie vor sich hin, dass ist einfach ärgerlich,“ meint Herff weiter. „Dass die Jugendlichen auf dieses Missverhältnis aufmerksam machen, ist legitim. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass das Gebäude saniert und zur Nutzung freigegeben wird.“

Seit das Jugendzentrum Papestraße geschlossen wurde, fehlt der versprochene Ersatz. Also wollte man die Sache selbst in die Hand nehmen, hat auf Duldung seitens der Stadt gehofft.

Die Jugendlichen haben im Gespräch mit LINKEN Politikern immer wieder deutlich gemacht, dass sie sich von der Stadt wenig Unterstützung erhoffen, dass Räume zur Kreativen Nutzung bereitgestellt werden.

„Die Räumung der ehemaligen Hauptschule war aus meiner Sicht eine völlig unverhältnismäßige Reaktion seitens der Stadt,“ sagt Rainer Burk, Sprecher der LINKEN Essen, „es gab keine Not so übereilt die friedlichen Proteste gewaltsam aufzulösen und die Jugendlichen zu kriminalisieren.“

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Am Sonntag, dem 21.7 besetzten Jugendliche die seit 2011 leerstehende Hauptschule Baerendelle in Essen Frohenhausen.

Das Ziel der ca. 300 Besetzerinnen und Besetzer ist die Schaffung eines unkomerziellen Jugend- und Kulturzentrums, welches demokratisch selbst verwaltet werden soll.

Phillip M., Pressesprecher der Roten Antifa äußerte sich positiv dazu: "Als Essener Jugendgruppe begrüßen wir die Besetzung und Forderung nach selbstverwalteten Jugendeinrichtungen. Gerade Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien haben oftmals keine große Möglichkeit an kulturellen sowie freizeitlichen Angeboten teil zu nehmen, was zur Perspektivlosigkeit führt und somit oftmals zu härteren Problemen."

Die Stadt Essen, welche im Sommer 2011 bereits das einzige Jugendzentrum geschlossen hat, versuchte bis jetzt nicht mit den Jugendlichen zu kommunizieren, da sie laut eigener Aussage keine Kommunikationsmöglichkeit sieht.

"Ich finde es schade, dass die Stadt Essen uns Jugendliche oftmals vergisst und vernachlässigt", so Alina L., Mitglied des Essener Jugendbündnisses (EJB). " Wenn junge Frauen und Männer es risikieren, eine Anzeige zu bekommen und das nur, um einen Ort zu schaffen, wo sie sich treffen und ihre Freizeit verbringen können, dann zeugt das doch von purer Verzweiflung und die Stadt sollte sich wirklich Gedanken machen, ob ihre Jugendpolitik richtig ist."

Vor dem Gebäude versammeln sich im Park viele Menschen, singen Lieder und bemalen Transparente.

Auch wenn die anwesenden Menschen teilweise ziemlich unterschiedlich sind, steht eins für sie fest: Gewalt wird von Ihnen nicht ausgehen und auch will man keine Anwohnerinnen und Anwohner stören.

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Bärendelle: Berechtigte Forderungen der Jugend

Respekt und Solidarität drückt der Kommunalwahlbündnis „Essen steht AUF“ den Besetzern der Bärendelle aus: „Ihr wendet euch zu Recht gegen die Ideenlosigkeit der Stadt Essen, die ein so schönes und großes, zentral in Frohnhausen gelegenes Gebäude wie die ehemalige Hauptschule Bärendelle einfach verkommen lässt. Freie Jugendarbeit, nicht-kommerzielle Bildung und Kultur, davon entfernt sich die Stadt immer weiter.

Das Totschlagargument wie immer: Kein Geld da. Im gleichen Atemzug werden Riesensummen in den Neubau der Messe Essen gesteckt! Diese Millionen fehlen natürlich für wirklich sinnvolle Investitionen in die Lebensqualität für die Bürger, für die Zukunft der Jugend.

Wir fordern die Stadt auf: Nehmt die Besetzer und ihre Forderungen ernst! Nehmt für die Essener Jugend auch Geld in die Hand, nicht nur die Interessen der Wirtschaft! Das brauchen wir in Essen. Respektiert ihre Wünsche, ihre Initiative, statt mit Polizei und Räumung zu drohen!“

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Das Presse- und Kommunikationsamt der Stadt Essen:

Räumung des Gebäudes der ehemaligen Hauptschule Bärendelle 24.07.2013

Die Polizei hat nach einem Amtshilfeersuchen der Stadtverwaltung Essen heute das Gebäude der ehemaligen Hauptschule Bärendelle geräumt. Im Gebäude befanden sich 37 Personen, darunter eine 16-Jährige, die von der Polizei nach Hause begleitet wurde.

Der Einsatz verlief grundsätzlich friedlich. Beim Eindringen der Polizei ins Gebäude schmissen die Besetzer Farbbeutel und Gegenstände auf die Beamten. Eine Person leistete Widerstand und wurde festgenommen. Die anderen erhielten einen Platzverweis und konnten nach der Personalienfeststellung das Gelände der Schule selbständig verlassen.

Die Stadt Essen erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Das Schulgebäude muss nach der Besetzung gereinigt werden, es müssen Reparaturarbeiten durchgeführt werden und das Gebäude muss neu gesichert werden. Der Objektschutz wird ab sofort deutlich verstärkt.

Mitglieder des so genannten „Plenums Bärendelle“, hatten das seit 2011 leerstehende Gebäude am Montagmorgen besetzt und sich darin verbarrikadiert. Vertreter der Immobilienwirtschaft, des Ordnungsamtes und der Polizei haben noch am selben Tag vor Ort versucht, die Besetzer zum Auszug aus dem Haus zu bewegen. Da das Gebäude in Teilen baufällig und die Sicherheit der Personen im Gebäude somit nicht gewährleistet ist, gab es keine andere Möglichkeit, als das Gebäude räumen zu lassen. Einen freiwilligen Auszug hatten die Mitglieder des Plenums abgelehnt. Eine weitere persönliche Kontaktaufnahme war nicht möglich.

Das „Plenum Bärendelle“ fordert mit der Aktion, laut einer Pressemitteilung, eine neue Nutzung des Gebäudes für einen „unkommerziellen und selbstverwalteten Raum in Essen“ für Jugendliche oder die freie Künstlerszene in Essen. Das direkte Gespräch mit der Stadtverwaltung hat das Plenum nicht gesucht und eine Konkretisierung der Forderung blieb aus.

Als Schul- oder KiTa-Gebäude wird die Bärendelle nicht mehr benötigt. Das Gebäude steht daher zum Verkauf an. Es gibt aktuell drei Interessenten. Erste Ideen bestehen darin, am Standort verschiedene soziale Einrichtungen unter einem Dach zu vereinen oder das Gebäude für Wohnzwecke umzubauen. Zwei mögliche Investoren erstellen zurzeit eine Machbarkeitsstudie.

Jugendhausangebote in Essen:

Insgesamt gibt es in Essen 77 Jugendhäuser, deren Träger entweder die Stadt Essen ist oder freie Träger wie die AWO oder die JugendhilfeEssen. Im Stadtbezirk III, in dem auch Frohnhausen liegt, gibt es 10 Jugendhäuser.

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Presseerklärung zur gewaltsamen Räumung der Bärendelle-Schule

Wir sind entsetzt über und protestieren gegen die am 24.07. stattgefundene, völlig unverhältnismäßige Räumung der früheren, seit zwei Jahren leerstehenden Bärendelle-Schule in Essen-Frohnhausen.

Mit einer Hundertschaft (!) Polizisten, einem Sondereinsatzkommando (SEK !) sowie einer Hundestaffel (!) nebst einem Räumpanzer (!) wurden friedliche junge Hausbesetzer attackiert, als handelte es sich um einen Banküberfall, eine Geiselnahme o.ä.

Leider war diese Eskalation vorhersehbar, da die Stadtsprecherin in ihren Statements von Beginn an jeden zivilgesellschaftlichen Dialog verweigert und statt dessen striktes obrigkeitsstaatliches Handeln angekündigt hatte.
Die Forderungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach unkommerziellen und selbstverwalteten Räumen für Freizeit und Kultur sind absolut legitim.

Die sozialdemokratisch (!) geführte Stadtverwaltung enthüllt nicht nur ein kultur- sondern auch ein erschreckendes demokratiepolitisches Defizit.
Während mit zwielichtigen juristischen Tricks das von mehr als 14.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützte Begehren Kulturgut seitens der maßgeblichen Ratsrepräsentanten hintertrieben wird, werden zugleich junge Menschen, Demonstrantinnen und Demonstranten für kulturelle Vielfalt in unserer Stadt brutal angegriffen und kriminalisiert.

Zugleich vergeht kaum eine Woche, in denen dieselben Repräsentanten nicht ihre Meriten beim Kulturhauptstadtjahr 2010 in Erinnerung rufen und um Wiederholung buhlen. Was für eine Heuchelei! Da kommt einem doch der zu diesem Anlass geprägte Spruch des Bochumer Kabarettisten Frank Gossen in den Sinn, der zigtausenfach auf T-Shirts verewigt wurde: »A 40 - Woanders ist auch Scheiße«.

Die Stadt Essen hat nun bereits massenweise Anzeigen gegen die jungen Demonstrantinnen und Demonstranten gestellt. Schließlich soll ja – nach dem martialischen Polizeieinsatz – ein weiterer Abschreckungseffekt erzielt werden. Aber: Bange machen gilt nicht! Zusammen mit einem großen Teil der Essener Bevölkerung sprechen wir den Besetzerinnen und Besetzern unsere Sympathie und unsere Solidarität aus und hoffen, dass es in Essen noch genügend engagierte Anwälte gibt, die den Betroffenen beistehen und die Stadt Essen auch auf juristischem Wege in die Schranken weisen werden.

Eines steht jetzt schon fest: Die moralischen Sieger sind die jungen Leute von der Bärendelle. Der Kampf um Kultur und selbstbestimme Freizeit gegen die angeblich objektiven Sparzwänge in unserer Stadt hat einen neuen Schwung bekommen. Vielen Dank dafür an die mutigen jungen Besetzerinnen und Besetzer!

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e,V., Regionalgruppe Essen
i.A. Heinz-W. Hammer, Vorsitzender

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FDP: Räumung der Bärendelle gerechtfertigt

Die FDP-Ratsfraktion sieht die Räumung der alten Hauptschule in Frohnhausen als sachgerecht an.

„Die Räumung des baufälligen ehemaligen Schulgebäudes „Bärendelle“ war völlig gerechtfertigt. Illegale Aktionen, wie die widerrechtliche Besetzung von Gebäuden, kann kein Instrument der Jugend- und Kunstförderung sein“, so Hans-Peter Schöneweiß, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion Essen.

Die Liberalen kritisieren ebenfalls das verantwortungslose Vorgehen der „Besetzer“, die sich selbst in dem einbruchgefährdeten Haus in Gefahr gebracht hätten. Hinzu kommen, dass die Aktionisten weder konkreten Forderungen gestellt, noch ernsthafte Verhandlungsbereitschaft signalisierten hätten.

Weiterhin wird auf die verschiedenen Jugendhäuser und Künstlerräume in der Stadt Essen verwiesen, die Jugendlichen und der freien Künstlerszene zur Verfügung stehen.

Allerdings habe die Besetzung auch gezeigt, dass die Vermarktung nicht mehr genutzter städtischer Immobilien zeitnaher zu erfolgen habe. „Die Immobilienverwaltung muss zügig ihre Hausaufgaben machen und die Verhandlungen mit den Interessenten schnell zu einem Ergebnis führen“, mahnt Schöneweiß.

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Linke fordern: Soziokulturelle Zentrum Bärendelle
Zukunftsfähiges Gebäudemanagement statt Immobilien – Unwirtschaft

Eine alternative Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes soll geprüft werden. „Dazu wurde die Verwaltung bereits 2011 aufgefordert“, erklärt Susanne Kreuzer, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE, in der Bezirksvertretung III, „seit dem ist nichts passiert. Die Ratsfraktionen von CDU und SPD sollen endlich Farbe bekennen und auf Ratsebene umsetzen was ihre Bezirksvertreter gemeinsam mit der LINKEN fordern: Eine Sanierung und Nutzung der Bärendelle als Soziokulturelles Zentrum.“

Janina Herff dazu: „Immer wieder habe ich im Jugendhilfeausschuss einen realen Ersatz für das JZE gefordert, das eben nicht nur Kinder und Jugendzentrum war, sondern auch Treffpunkt für junge Erwachsene, Bands und Vereine. Dieses Angebot ist ersatzlos weggefallen. Die Besetzung zeigt, dass Bedarf nach soziokulturellen Räumen vorhanden ist und das nicht nur im Bezirk 3. Auch in Kettwig finden „Partys auf dem Schulhof statt“, weil es schlicht keine Räumlichkeiten für die Jugendlichen und Erwachsenen gibt.“

Dabei sind bereits 3 Millionen Euro in die Sanierung der Bärendelle geflossen, weiter in das Gebäude zu investieren wäre nur folgerichtig. Ein ähnlicher Fall, die Gesamtschule Süd: 1,3 Millionen flossen unlängst in das Schulgebäude, der Schulstandort läuft aus, eine alternative Nutzung ist nicht in Sicht. Das Hauptbad-trotz Denkmalschutz, ist vom Abriss bedroht. Eigenkapital wird durch mangelnden Bauunterhalt vernichtet.

„Es kann nicht angehen dass die Stadt so mit öffentlichem Eigentum und Steuergeldern umgeht“, kritisiert Herff weiter. „Erst werden 3 Millionen in die Bärendelle gesteckt- dann wird das Gebäude wegen erwarteter Folgekosten dem Verfall überlassen. Kreative Nutzungsmöglichkeiten gar nicht erst erwogen, Investoren bestenfalls halbherzig oder gar nicht gesucht. Das ist kein zukunftsfähiges Gebäudemanagement, sondern Immobilien- Unwirtschaft.“

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Was von der Besetzung übrig bleibt! Leerräume nutzen – Kreativität fördern

Pressemitteilung der Jusos Essen

Die Besetzung der ehemaligen Hauptschule Bärendelle unterstreicht das Fehlen von Freiräumen für (junge) Kreativität in der Stadt. Die Situation ist bekannt, wurde aber bislang noch nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutiert.

„Der Fokus rückt wieder auf die Problematik des Leerstandes in Essen auf der einen Seite und der fehlenden Möglichkeiten für Jugendliche auf der anderen Seite. Finanziell am Boden und auf bessere Zeiten hoffend, können wir es uns nicht erlauben, nur oft zeitraubende konventionelle Wege zu gehen.“, so Alexander Nolte, Vorsitzender der Jusos Essen: „gerade im vielbeschriebenen Strukturwandel brauchen wir kreative Köpfe, um Innovationen zu fördern. Dazu muss auch eine Stadt wie Essen Freiräume schaffen.“

Auch wenn dieses Ereignis nun die benötigte öffentliche Debatte angeregt hat, so ist das Vorgehen der Beteiligten sowohl von Seiten der Stadt als auch vom Plenum Bärendelle kritisch zu betrachten. Das Fehlen einer direkten Ansprechperson des Plenums erschwerte eine Verhandlung zwischen den AktivistInnen und der Stadt. Ebenfalls ist der Einsatz der Polizei fraglich und problematisch zu betrachten: Waren ein Räumungspanzer und eine Hundestaffel wirklich notwendig, für das Räumen friedlicher BesetzerInnen? „Es sieht danach aus, als hätte die Stadt Essen ein Exempel statuieren wollen und hat daher so schnell reagiert“ ergänzt Sophia Schönborn, Mitglied im Vorstand der Jusos Essen.

Wir fragen uns: Was bleibt von der Besetzungsaktion übrig? Das Problem der ungenutzten Leerstände in Essen bleibt weiterhin bestehen. Dies betrifft nicht nur städtische Gebäude. „Es muss überlegt werden, wie mit Leerständen in Essen umgegangen wird. Wir brauchen die Kreativität hier und nicht in Berlin.“ So abschließend Alexander Nolte.

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Städtische Gebäude erhalten

Linke fordern zukunftsfähiges Gebäudemanagement

Essens Immobilien gammeln vor sich hin. Jahrelang wird nicht in die Gebäude investiert, um dann angesichts der aufgelaufenen Sanierungskosten die Immobilien einfach stillzulegen. Das alte Rathaus, das JZ Papestrasse, nun das Hauptbad - städtisches Eigenkapital wird durch mangelhafte Bauunterhaltung vernichtet .

„Durch mangelnde Wartung und Instandsetzung gehen der Stadt Essen jährlich Substanzwerte in Millionenhöhe verloren. Dabei liegt der Wertverlust aufgrund mangelnder Wartung oft über den eingesparten Wartungskosten. Seit Jahren beantragen wir im Rat mehr Mittel für den Bauunterhalt, ohne Erfolg. Es ist nicht hinnehmbar, wie die Stadt mit dem Eigentum der Essener Bürgerinnen umgeht“, so Hans Peter Leymann - Kurtz, Fraktionsvorsitzender der Linken Ratsfraktion:
Ein zukunftsfähiges Gebäudemanagement ist nicht zu erkennen, vielmehr wird hier und da Flickschusterei betrieben und werden Steuergelder verplempert. 3 Millionen flossen zum Beispiel in die Sanierung der Bärendelle die jetzt wegen erwarteter Folgekosten dem Verfall überlassen wird. Ein ähnlicher Fall ist die Gesamtschule Süd: 1,3 Millionen flossen unlängst in das Schulgebäude, der Schulstandort läuft aus, eine alternative Nutzung ist nicht in Sicht.

Leymann - Kurtz weiter: „Nicht nur mangelnde Instandsetzung und Wartung sind das Problem, auch die Vermarktung und der Abriss von tatsächlich nicht mehr benötigten Immobilien läuft schleppend. „Schrottimmobilien prägen oft jahrelang das Stadtbild, wie die alte VHS oder die Gesamtschule Holsterhausen. Immobilienmanagement und Instandhaltung gehören für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung in eine Hand.“

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Erklärung des Vorstandes des Kulturbeirates der Stadt Essen

Kreativität darf nicht mit Panzern weggeräumt werden

Zum wiederholten Mal innerhalb von drei Jahren haben Künstler aus dem gesamten Ruhrgebiet den radikalen Weg der Hausbesetzung gewählt, um auf ihre Situation und ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Das DGB Haus in Essen, die Kronenbrauerei in Dortmund, die ehemalige Hauptschule in Duisburg-Laar und nun die ehemalige Hauptschule Bärendelle in Essen-Frohnhausen: Müssen Künstler zu Hausbesetzern werden, damit Politik und Verwaltung endlich berechtigte Anliegen zur Kenntnis nehmen?

Die Kreativen fordern bezahlbare Räume und weisen in diesem Zusammenhang auf die enormen Leerstände im gesamten Ruhrgebiet hin. Viele dieser ungenutzten Gebäude gehören den Kommunen und werden – wie auch die ehemalige Hauptschule Bärendelle – dem Verfall, Vandalismus und der Verwahrlosung preisgegeben.

Leerstand ist Stillstand

Diese Strategie führt zu einem Stillstand in der Entwicklung der Stadtgesellschaft. So ist es nicht verwunderlich, dass die Debatte um aktuelle Kunstbegriffe und deren Verhältnis zum öffentlichen Raum in den letzten drei Jahren zu einem Kampf um Atelierräume und bezahlbare Mieten geworden ist. Die Diskussion um diese Anliegen muss somit auf der Schnittstelle zwischen kulturpolitischen und stadtentwicklungspolitischen Fragen stattfinden.

Es müssen Gespräche geführt und Anliegen ernst genommen werden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung, anstelle von martialischem Handeln mit Panzer und Polizeihundertschaft wäre auch im Fall Bärendelle angebracht gewesen. Das Problem wird nicht gelöst, indem man der professionellen Polizeiarbeit Beifall klatscht, sondern nur über den diskursiven Austausch von Argumenten.
Wir fordern die Stadt Essen auf, die Strafanträge gegen die Besetzer wegen Hausfriedensbruch zurückzunehmen.

Aktuell hat die Stadt eine Chance vertan, mit Beteiligung von engagierter Politik, Verwaltung oder Bürgerschaft in einen Dialog über eine sinnvolle zukünftige Nutzung des unter Denkmalschutz stehenden Schulgebäudes an der Bärendelle einzutreten und Perspektiven zu entwickeln. Wer das Motto der Kulturhauptstadt, „Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel“, nachhaltig im politischen und gesellschaftlichen Handeln verankern will, der muss bereit sein, sich mit kultureller Vielfalt und den sozialen sowie ökonomischen Bedingungen auseinanderzusetzen, unter denen sie entsteht und wachsen kann.

Investitionen in die Zukunft der Stadtgesellschaft

Investitionen in die Jugend sowie in junge Kunst und Kultur sind Investitionen in die Zukunft der Stadtgesellschaft und für ihre Fortentwicklung unabdingbar. Nur durch eine entsprechende Infrastruktur, geeignete Rahmenbedingungen und mit Unterstützung von Politik, Verwaltung und der Privatwirtschaft ist die Abwanderung künstlerisch und kreativ arbeitender Menschen zu stoppen und mittelfristig ein Umschwung im Schrumpfungsprozess der Stadt herbeizuführen. Essen benötigt dringend kulturell aktive, junge Menschen, um den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen und als Wohn-, Studien- oder Arbeitsort attraktiv zu bleiben.

Das Engagement der Kunst- und Kreativszene für die Entwicklung der Stadt und die Herausbildung eines Publikums muss erkannt werden. Es müssen Formen ihrer Beteiligung an Prozessen der Stadtentwicklung gefunden werden und darüber hinaus Orte entstehen, wo diese Szene sich bündeln, vernetzen und austauschen kann.

Leerstehende städtische Gebäude müssen kurzfristig zur Nutzung oder zumindest zur temporären Zwischennutzung für Künstler und Kreative freigegeben werden, denn die nachwachsende Generation benötigt günstige und geeignete Räumlichkeiten, um darin arbeiten und sich kreativ entfalten zu können.

Der Kulturbeirat hat bereits in früheren Erklärungen die kreative Umnutzung von Gebäuden, die Bereitstellung von Räumen für bildende und darstellende Künstler, Musiker u.a. sowie die Entwicklung von sogenannten Kreativquartieren gefordert. Dies sind allseits anerkannte Möglichkeiten, eine Stadt urban und zukunftsorientiert zu gestalten, sie attraktiv und interessant zu machen.

Die Anliegen von Kunst und Kultur

Die ursprünglichen Anliegen von Kunst und Kultur, nämlich Sinnstiftung, Identitätsbildung, Persönlichkeitsentwicklung, Emanzipation, Herausbildung ästhetischer Ausdrucksformen, Erkenntnis und Innovation, gesellschaftliche Entwicklung sowie Medium der kulturellen Bildung, haben sich in den letzten Jahren zunehmend zur Standortentwicklung, Imagepolitik und zum Marketing der Städte entwickelt. Bildung und Kultur als Grundlage der Entwicklung einer modernen, zivilen, zukunftsfähigen und demokratischen Stadtgesellschaft werden aber in ihrer gesamten Vielfalt in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation dringender gebraucht als jemals zuvor.

Der Kulturbeirat appelliert an die verantwortlichen Mandatsträger der Stadt die künstlerisch-kulturellen Potentiale in Essen nicht weiter abzuweisen und ihnen mit Polizeigewalt zu begegnen. Durch den gelungenen Diskurs mit den jungen Fordernden und Kreativen der früheren Generationen sind Projekte in Essen entstanden, die wegweisend für die gesamte Region waren. Dieser Weg ist fortzusetzen.

Der Kulturbeirat stellt hierbei seine Erfahrungen, Ideen und Kontakte in die Szene gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Marcus Kalbitzer für den Kulturbeirat der Stadt Essen

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Auch Anwohnerinnen und Anwohner fordern Nutzung der ehemaligen HS Bärendelle

Am Sonntag, dem 28.07 versammelten sich mehre Menschen vor dem Gelände der ehemaligen Hauptschule Bärendelle um gegen die überdimensionale Räumungsaktion der Polizei und für eine Nutzung des unter Denkmalschutz stehende Schulgebäude mit einem Picknick zu protestieren.

Die Initiative zeigten Anwohnerinnen und Anwohner, welche Unterschriften sammeln und nach Zeugen suchen um zu beweisen, dass viele der den Besetzerinnen und Besetzern zugeschriebenen Beschädigungen am Gebäude bereits vorher da waren.

Philipp Müller, Pressesprecher der Roten Antifa meint dazu: „Die Unterstützung durch die Anwohnerinnen und Anwohner zeigt mehr als deutlich, dass nicht nur HausbesetzerInnen ein Interesse am ehemaligen Schulgebäude haben, sondern ein Großteil der Menschen aus Essen und deshalb sollte die Stadt ihre Augen öffnen und das Anliegen eines unkomerziellen Jugend- und Kulturzentrums Bärendelle unterstützen, anstatt es mit teuren Polizeieinsätzen zu bekämpfen.“

Die anwesenden Menschen brachten Lebensmittel mit, an welchen man sich kostenlos bedienen konnte, führten Konversationen und berieten transparent in aller Öffentlichkeit ihr weiteres Vorgehen.

Auch ein Mitarbeiter des städtischen Sicherheitsdienst, der seit der Räumung Tag und Nacht vor dem Gebäude wachen muss, äußerte sich eher positiv gegenüber der Idee zur Nutzung des Gebäudes, bemängelnde allerdings die Sicherheitsrisiken sowie die hohen Sanierungskosten, welche allerdings noch von keinem unabhängigen Organ geprüft worden sind.

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Zwischen VHS und Bärendelle
kulturgutEssen sucht „Essen 2030 – urban und vielfältig“

„Essens Bürger erobern den öffentlichen Raum, setzen bei seiner Gestaltung auf eine gute Atmosphäre und viel Platz für Lebendiges.“[…] „Aktive Teilhabe ist keine Forderung, sondern tägliches Programm“. So zu lesen auf den Internetseiten von Essen2030 der Stadtverwaltung. Entwickelt wurde das Strategiepapier dazu von und mit der Unternehmensberatung Roland Berger, finanziert von der Interessengemeinschaft der Essener Wirtschaft.

Damit hatte OB Paß nicht gerechnet, dass ihn junge Bürger dieser Stadt beim Wort nehmen und selbstbestimmt das Konzept 2030 umsetzen.
Eine bunte Mischung junger Menschen zwischen kreativer Punk-Kultur und Künstler-Avantgarde möchte für diese Stadt Freiräume finden jenseits von Sponsoren, Stiftungen, Mäzenatentum und institutioneller Hierarchien.
Das Strategiepapier Essen 2030 steht so krass im Gegensatz zu den Handlungen und Haltungen der regierenden und verwaltenden Hauptakteure, dass es zum Himmel schreit.
Es zeigt sich auf welch perfide Weise die Ideale einer freien und gerechten Gesellschaft werbewirksam aufbereitet werden können, in den Konzepten derjenigen, die sich vor allem einer Konkurrenz-Gesellschaft und Leistungsideologie verpflichtet fühlt.

„Wir von kulturgutEssen unterstützen eine Stadtentwicklung, die allen Bürgern – armen und reichen – die Möglichkeit geben soll kreativ zu werden, sowohl in solchen Freiräumen als auch im geordneten Rahmen von VHS, Musikschule etc.“, so Anabel Jujol, eine der Vertretungsberechtigten von kulturgutEssen.
„Wir wollen Kultur und demokratischer Teilhabe das Gewicht geben, welches die Strategie 2030 so vollmundig verspricht.“

Autor:

Frank Blum aus Essen-Süd

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