Portrait über einen Gelsenkirchener Singer-Songwriter: Rüdiger Jagsteit
Trotz Corona: Von Stillstand keine Spur

Ende Juni gab es mit "Jagsteit&Friends" im Lalok Libre in Schalke ein erstes Konzert nach Corona. Wegen anderer künstlerischer Projekte wird es aber einer der wenigen Live-Auftritte in diesem Jahr für die Band bleiben. Foto: Yvonne A. Berger
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  • Ende Juni gab es mit "Jagsteit&Friends" im Lalok Libre in Schalke ein erstes Konzert nach Corona. Wegen anderer künstlerischer Projekte wird es aber einer der wenigen Live-Auftritte in diesem Jahr für die Band bleiben. Foto: Yvonne A. Berger
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Monatelang lag seine Gitarre unter'm Bett. Für Kreativkopf Rüdiger Jagsteit eine extrem schwere Zeit. Der Singer-Songwriter redet aber nicht über die Corona-Pandemie, sondern von einer persönlichen Krise in seinem Werdegang. Von Stillstand im Lockdown hingegen war bei ihm keine Spur: erst im Februar veröffentlichte er mit seinem Bandprojekt "Jagsteit & Friends" ein neues Album - und ab September ist der Gelsenkirchener als Schauspieler sogar wieder auf der Theaterbühne zu sehen.

Von Sara Drees

"Der Anfang war schon sehr erschreckend: Im Februar 2020 haben wir so viele Absagen wie noch nie in meiner Karriere bekommen", erinnert sich der Musiker zurück. "Und wenn die Veranstalter schon im Februar Events für den Sommer canceln, wird einem schnell klar, dass das keine Sache von wenigen Wochen oder Monaten ist." Für die Kunst- und Kulturszene der Beginn einer handfesten Krise - doch selbst darin versucht Rüdiger Jagsteit das Positive zu sehen. "Ich will wirklich nicht in der Haut der Politiker stecken. Wir haben sicher Fehler gemacht, aber wir können gemeinsam daraus lernen - so sehe ich es gesamtgesellschaftlich wie auch für meine persönliche Geschichte."

Seine persönliche Geschichte, die beginnt 1968 in Gelsenkirchen-Mitte. Mit acht Jahren greift er zum ersten Mal zur Gitarre, schon mit zwölft spielt er Musical in der Schule. "Viele Jahre ist das dann immer hin und her gewechselt zwischen Musik, Theater und seriösem Leben", kann er heute über sein buntes Schaffen grinsen. Er spielte unter anderem mit der Band „Mr. Fax“ und eine Hauptrolle im Musical "Hair" am Consol Theater Gelsenkirchen, leistete aber auch seinen Wehrdienst und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung. Sogar Hard Rock habe er mal probiert, sagt der Mann, der eher für gefühlsvolle, ruhigere Töne bekannt ist. Geblieben ist er dabei nicht, "aber dadurch wurde ich im Texten viel solider". Es läuft turbulent, aber nie erfolglos, bis er 2008 in ein Loch fällt. "Ich wurde überraschend gekündigt, meine damalige Beziehung ging in die Brüche und ich habe auch zu oft zum Alkohol gegriffen in dieser Zeit", gesteht Rüdiger Jagsteit heute. Erst 2011 findet er zurück in die Spur, auch auf eine neue Liebe und holt in fortgeschrittenem Alter seine Ausbildung in der Gastronomie nach. Und er kramt seine Gitarre wieder unter seinem Bett hervor. Dann geht es auch künstlerisch wieder steil bergauf und er knüpft sogar feste Beziehungen in der Musik.

Heute fährt Rüdiger Jagsteit, der im Stadtteil Resse lebt, musikalisch zweigleisig: die Folk-Cover-Band „The Colins Company“ (mit Molly Malone, Michael Vohwinkel, Jörg Gelfert) ist bekannt, beliebt und häufig gebucht für Entertainment auf Stadtfesten. "Jagsteit & Friends" ist sein eigenes Singer-Songwriter-Programm, begleitet von Marco Runge (Piano), Carmen Klüh (add Vocals), Nils Stadtmann (bs) und Jörg Gelfert (Akkordeon). Mit letzterer Formation hat er erst im Februar das neue Album "Natural Forces" veröffentlicht. "Die Zeit, alle Songs in ein Kleidchen mit Blümchen oben drauf zu bringen, wie ich so gern sage, hätten wir in einem normalen Jahr vielleicht gar nicht gehabt", erzählt er davon, wie er den ausgefallenen Konzertsommer 2020 genutzt hat. Üblicherweise wäre man mit dem neuen Material jetzt längst wieder auf Promotour auf den Bühnen der Region unterwegs. Daraus wird aber erst einmal nichts.

"Ich habe mich nämlich vor kurzer Zeit für ein Theaterprojekt beworben - und wurde engagiert", freut sich der Künstler. Im dem Stück "Stadt der Arbeit", das ab Ende September im Musiktheater im Revier gezeigt wird, untersuchen der Regisseur Volker Lösch und der Autor Ulf Schmidt die Mühlen der Arbeitswelt Gelsenkirchen. Als Künstler passt Rüdiger Jagsteit da perfekt ins Bild, denn "Schreiben ist ja kein Beruf", weiß er aus eigener Erfahrung. Er lebt das Modell Teilzeit - zur Hälfte in einem regulären, anerkannten Beruf (aktuell im Krankentransportwesen) und zur anderen Hälfte als Kulturschaffender - und ist damit immer wieder auf bürokratische Hürden gestoßen. Corona-Hilfe habe er übrigens keine angefordert, eben weil er seine Fixkosten anderweitig abdeckt. Trotzdem kennt er das aktuelle Leid vieler Kolleginnen und Kollegen. Was er sich wünscht: nicht zu klagen, aber es eben zukünftig besser zu machen. Was die finanzielle, staatliche Unterstützung angeht - aber auch den Zusammenhalt innerhalb der Branche. "Wenn einer mal wochenlang nichts von sich hören lässt und auch nichts in den sozialen Netzwerken postet, dann frage ich eben nach, was da los ist." Hören, das werden wir von Rüdiger Jagsteit selbst gewiss auch in der Zukunft noch so manches.

Ende Juni gab es mit "Jagsteit&Friends" im Lalok Libre in Schalke ein erstes Konzert nach Corona. Wegen anderer künstlerischer Projekte wird es aber einer der wenigen Live-Auftritte in diesem Jahr für die Band bleiben. Foto: Yvonne A. Berger
Rüsiger Jagsteit an der Gitarre. Foto: Yvonne A. Berger
Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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