Beim Gedenken an die Gräueltaten der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. November 1938
Gelsenkirchen setzt ein deutliches Zeichen

Eine beeindruckende Menge folgte dem Aufruf der demokratischen Intitiative zum Schweigemarsch und der Kundgebung zur Erinnerung an einen der Tiefpunkte der deutschen Geschichte, der heute von Rechtspopulisten ebenso verleugnet wird, wie der Holocaust und andere Schandtaten des Nazi-Regimes. Damit wurde ein deutliches Zeichen gesetzt, Farbe bekannt und Position bezogen, wie es auch Oberbürgermeister Frank Baranowski in seiner Erinnerungsrede forderte: „Wir müssen deutlich machen, dass es für bestimmte Positionen keine Toleranz gibt! Wer sich wie ein Nazi benimmt, wer sich wie einer äußert, ob verschwurbelt und nur in Andeutungen, oder doch einmal offen – den muss man dann auch so nennen! Und für Nazis gibt es eben keine Toleranz! Das darf nirgendwo in Deutschland der Fall sein, und schon gar nicht in unserer Stadt, in Gelsenkirchen!“Foto: Gerd Kaemper
3Bilder
  • Eine beeindruckende Menge folgte dem Aufruf der demokratischen Intitiative zum Schweigemarsch und der Kundgebung zur Erinnerung an einen der Tiefpunkte der deutschen Geschichte, der heute von Rechtspopulisten ebenso verleugnet wird, wie der Holocaust und andere Schandtaten des Nazi-Regimes. Damit wurde ein deutliches Zeichen gesetzt, Farbe bekannt und Position bezogen, wie es auch Oberbürgermeister Frank Baranowski in seiner Erinnerungsrede forderte: „Wir müssen deutlich machen, dass es für bestimmte Positionen keine Toleranz gibt! Wer sich wie ein Nazi benimmt, wer sich wie einer äußert, ob verschwurbelt und nur in Andeutungen, oder doch einmal offen – den muss man dann auch so nennen! Und für Nazis gibt es eben keine Toleranz! Das darf nirgendwo in Deutschland der Fall sein, und schon gar nicht in unserer Stadt, in Gelsenkirchen!“Foto: Gerd Kaemper
  • hochgeladen von silke sobotta

 „Ich begrüße diejenigen, die schon seit Längerem Jahr für Jahr am 9. November gegen Abend auf die Straße gehen – und damit dieses Gedenken und die Kundgebung mittragen –, aber auch genauso jene, die sich uns in diesem Jahr zum ersten Mal angeschlossen haben, weil Sie im Laufe der vergangenen Wochen und Monate festgestellt haben: Ja, die Situation in unserem Land ist so, dass auch ich Farbe bekennen sollte. Ich kann das nicht mehr allein den anderen überlassen!“ Mit diesen Worten begrüßte Oberbürgermeister Frank Baranowski die Teilnehmer der Kundgebung zum 9. November am Gustav-Bär-Platz, dem Ort an dem bis zum 9. November 1938 die Buersche Synagoge stand. 

Und der Oberbürgermeister fand noch deutlichere Worte, als er betonte: „Es ist verdammt wichtig! Denn gerade in diesem Jahr braucht unsere Stadt, braucht unsere Gesellschaft solche Zeichen wie diese Kundgebung! Und dafür möchte ich Ihnen schon jetzt herzlich danken!“ Die gesamte Rede des Oberbürgermeisters ist im Internet nachzulesen.
Und recht hat das Stadtoberhaupt mit diesen Worten, denn die Zahl der Teilnehmer am diesjährigen Gedenken der Pogrome vom 9. November 1938 überstieg deutlich die bisherigen Zahlen. Und das ist gut so für Gelsenkirchen, denn damit setzte die Bürgerschaft ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholen darf.
Dazu stellte Baranowski sehr treffend fest: „Viele Mitläufer haben sich später so entschuldigen wollen: ‚Ich konnte doch nicht wissen, dass…‘ Ob sie das wirklich nicht konnten, das muss uns heute nicht mehr beschäftigen. Das ist 2019 keine entscheidende Frage mehr. Entscheidend ist ein anderer Punkt. Entscheidend ist eine schlichte Tatsache: Wir selbst werden uns in dieser Form nicht so herausreden können. Denn wir wissen, was möglich ist, selbst in unserer Stadt. Wir wissen, was passieren kann, wenn bestimmte Dinge zusammenkommen!“
In seiner Rede legte der Oberbürgermeister deutlich den Finger in die Wunde, die Rechtsextremisten in unserer Republik bereits hinterlassen haben und erinnerte an die Geschehnisse erst kürzlich in Halle als ein Mann in eine Synagoge stürmte und Menschen erschoss, aber auch an die Taten der NSU. Und er erinnerte an den neuen Rechtspopulismus, der sich den Anschein einer demokratischen Partei gibt, deren Frontmänner mit Aussagen von sich reden machen, bei denen „selbst seine so genannten Parteifreunde nicht wissen, ob bestimmte Aussagen aus „Mein Kampf“ sind oder von Björn Höcke stammen.“
Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach, erinnerte auf dem Alten Friedhof an der Mühlenstraße an die Gründung dieses Ortes der letzten Ruhe. „In den Jahren zwischen 1907 und 1935 wurden nach heutigem Wissen hier 60 jüdische Bürger bestattet. Während der Reichspogromnacht 1938 wurden alle 27 Grabsteine zerstört und beseitigt“, erklärte die Gelsenkirchenerin.
Auch wenn sie daran erinnerte, dass es nach dem Ende des Dritten Reiches keine neuen Menschen in Deutschland und eben auch Gelsenkirchen gab, so beugte man bereits 1947 das Haupt vor den Geschehnissen der Jahre 1933 bis 1945. Denn „1947 wurde dann hier zum Gedenken an die Opfer des Holocaust das erste Mahnmal überhaupt in Gelsenkirchen errichtet. Das Mahnmal ist auf der Vorderseite mit folgendem Text versehen:
„Das Andenken der Gerechten ist zum Segen - Zum ewigen Gedenken an unsere feige dahingemordeten Schwestern und Brüder“.
Umso verstörender findet Neuwald-Tasbach die Geschehnisse der jüngsten Zeit: „Heute weinen unsere Herzen, weil wir heute, an diesem Datum, der Shoa, der großen Tragödie in einer Reihe der endlosen Verfolgung sooo nahe sind. Und auch, weil wir heute wieder erleben müssen, wie sich die Geschichte wiederholen kann.“
Sie beendete ihre Rede mit den Worten der Hoffnung: „Ich wünsche uns allen Mut und Kraft, und den unbedingten Willen, die Demokratie in unserem Heimatland auf allen Ebenen und mit allen unseren Möglichkeiten zu leben und zu schützen, für uns und unsere Kinder!“
Oberbürgermeister Frank Baranowski forderte die Teilnehmer auf, sich klar zu den Werten unserer Demokratie zu bekennen: „Wenn wir, die wir hier zusammengekommen sind, gegen Rassismus kämpfen, gegen Antisemitismus, gegen die Attacken auf die Demokratie und Grundrechte – dann müssen wir das als permanente Aufgabe verstehen. Dann müssen wir das auch im Alltag tun. Dann hilft es nicht, wegzuhören, sich wegzuducken. Dann müssen wir Präsenz zeigen. Wieder und wieder, auch und gerade dann, wenn es unangenehm und unbequem ist! Und das nicht immer im Schutz der Gruppe, sondern auch als Einzelne, als Einzelner."

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

12 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.