DRK Gladbeck; Hilfe muss koordiniert werden

In den vom Taifun „Haiyan“ betroffenen Gebieten auf den Philippinen hat sich eine Art Alltag entwickelt - wenn man das Leben unter diesen Umständen überhaupt so bezeichnen kann. Um einen Eindruck von der Arbeit der Rotkreuz-Helfer zu bekommen, sprachen wir mit Emilio Teijeira, dem Büroleiter des DRK auf den Philippinen.

Deutsches Rotes Kreuz (DRK): Hallo Emilio, wir freuen uns sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns über Ihre Arbeit auf den Philippinen zu sprechen. Bitte erzählen Sie uns zuerst, welche Aufgaben Sie in Ihrer Position haben:

Emilio Teijeira: Ich leite das Büro des Deutschen Roten Kreuzes auf den Philippinen von Manila aus. Wir vom Roten Kreuz sind natürlich darin bestrebt, den „Haiyan“-Opfern so schnell wie möglich ein selbstständiges und menschenwürdiges Leben nach diesem Taifun zurückzugeben. Dafür arbeiten wir Hand in Hand mit dem Philippinischen Roten Kreuz zusammen. Das ist unser Partner vor Ort, der hier aufgrund seines lokalen Bezugs verwurzelt ist. Wir unterstützen das Philippinische Rote Kreuz bei seinen Projekten, in dem wir konzeptionell, finanziell, personell und organisatorisch mit fachlichem Wissen und unserer Erfahrung helfen.

Meine Aufgabe besteht unter anderem darin, Projekte, die das Philippinische Rote Kreuz unterhält, in diesem Sinne zu unterstützen: ich tätige Abstimmungen, schaue, dass die Projekte planmäßig und sicher verlaufen bzw., wenn es an etwas fehlt, trage ich gemeinsam mit dem Philippinischen Roten Kreuz dafür Sorge, dass es weiter geht. Außerdem bin ich für die DRK-Delegierten hier verantwortlich: Ich prüfe Projekte, deren Verlauf und die Arbeit, die wir leisten und stehe den Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite. Fehlt den Delegierten etwas um ihr Projekt voranzutreiben, wenden sie sich damit an mich.

DRK: Wie genau sehen die Arbeiten vor Ort aus?

Teijeira: Na ja, im Augenblick geht es natürlich in erster Linie um Aufräumarbeiten. Sie müssen sich vorstellen: Straßen, Häuser – vieles ist zerstört. Überall liegen Steine, Schutt, Geröll und Abfall. Umgeknickte Palmen versperren die Straßen. Das muss alles beseitigt werden. Um überhaupt Gebiete begehbar und befahrbar zu machen und die Familien so zu erreichen, räumen die Rotkreuz-Helfer nach wie vor auf. Dann werden natürlich Hilfsgüter wie Zelte, Schlafmatten, Moskitonetze, Decken, Hygiene- und Küchensets verteilt. Und es wird Zeit, an den Wiederaufbau zu denken. Hierfür ist die Bestandsaufnahme wichtig: welche Häuser sind zerstört, welche kann man wieder aufbauen, solche Dinge.

DRK: Das hört sich noch sehr unwegsam an. Wie bewegen Sie sich in den Gebieten überhaupt fort?

Teijeira: Wir fahren mit widerstandsfähigen Geländewagen und Pick-Ups. Diese kommen gegen den Matsch an und damit können wir auch mal einen umgekippten Baum von der Straße ziehen. Die meisten Wagen mieten wir bei lokalen Händlern an. Es sind gebrauchte und neue Modelle, je nachdem was die Händler verleihen. Nur in der Akutphase, direkt nach dem Katastrophenereignis, wenn noch unklar ist, ob Mietfahrzeuge überhaupt verfügbar sind, bringen wir vereinzelt ganz gezielt Fahrzeuge zusammen mit den ersten Hilfsgütern ins Land. Mobilität ist ein entscheidender Faktor, um schnell und richtig Hilfe leisten zu können.

DRK: Nach welchem Prinzip werden die Hilfsgüter denn verteilt?

Teijeira: Das Philippinische Rote Kreuz hat für die Verteilung Personenlisten von lokalen Behörden erhalten. Jede Familie muss bei Abholung eines Hilfspaketes eine Unterschrift leisten und sich identifizieren, so dass wir genau nachverfolgen können, wer welche Hilfsgüter erhalten hat. Bisher konnten 10.000 Familien mit Hilfspaketen versorgt werden. Das System ist transparent, durch andere Katastrophen erprobt und funktioniert sehr gut. Zusätzlich hat das DRK an 7.000 Familien jeweils 2.000 Pesos ausgezahlt. Das entspricht etwa 35 Euro. Dafür kann sich eine Familie beispielsweise 10 Tage mit Lebensmitteln und Hygieneprodukten versorgen.

DRK: Wie überprüfen Sie die Arbeit und das Verhalten Ihrer Mitarbeiter und Helfer vor Ort?

Teijeira: Das ist leider nicht der erste Taifun, der dieses Land heimgesucht hat. Unsere Helfer sind erfahren und engagiert, weil sie bereits bei früheren Katastrophen geholfen haben. Sie arbeiten nach dem Verhaltenskodex der internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften und respektieren die einheimische Kultur.

Unsere Arbeit zu kontrollieren, ist dennoch ein sehr wichtiger und fester Bestandteil. Schließlich sind wir verpflichtet effizient zu arbeiten. Dazu dienen zum Beispiel die angesprochenen Listen, in die jede Familie mit einem Identifikationsmerkmal (z.B. Erkennungs-ID, Unterschrift u.ä.) eingetragen ist. So ist gewährleistet, dass jede Familie die Hilfsgüter bekommt, die sie braucht. Zusätzlich haben wir Helfer vor Ort, die Fotos von unserer Arbeit machen, um sie zu dokumentieren.

DRK: Wie werden die Helfer eigentlich verpflegt?

Teijeira: Nun ja, gerade in den betroffenen Gebieten gibt es natürlich oft einfache Gerichte – Suppen, Brot. Das brauchen die Kollegen, um arbeiten zu können. Meist essen sie am Wegesrand zwischendurch ihre Mahlzeit. Bei einer Sieben-Tage-Woche mit je 14-Stunden-Tagen haben wir nicht unbedingt die Zeit, zusammen zu essen. Die meisten Helfer stehen schon im Morgengrauen gegen 5:30 Uhr auf, und legen sich erst gegen 22:30 Uhr auf ihr Lager. Einige haben seit November sogar um die fünf Kilo abgenommen, weil die Umstände für unsere Mitarbeiter natürlich auch hart sind…

DRK: Bei diesen Arbeitszeiten arbeiten Sie ja auch im Dunkeln. Haben Sie denn Licht?

Teijeira: In Manila und Cebu gibt es nach wie vor Strom. In stark betroffenen Gebieten hingegen haben wir unser eigenen Stromaggregate. Ohne die wäre unsere Arbeit extrem erschwert und wir wären erheblich langsamer, wenn wir nur bei Tageslicht arbeiten könnten.

DRK: Werden Hilfsgüter irgendwo gelagert? Wenn ja, in welcher Form und wie lange?

Teijeira: Die meisten Hilfsgüter kommen natürlich in riesigen Paketen und Gebinden. Diese müssen geöffnet und auf die einzelnen Familienpakete zusammengepackt werden. Ein Beispiel: Moskitonetze bekommen wir auf Paletten. Die Familien erhalten jedoch ein Paket, in dem unter anderem ein Moskitonetz enthalten ist. Unsere freiwilligen Helfer müssen die Hilfspakete für Familien also hier erst einmal zusammenstellen.

Ein Grund für diese Handhabung ist auch der, dass wir versuchen die Güter zu einem möglichst niedrigen Preis einzukaufen. Die Preise schwanken oftmals. Lebensmittel waren beispielsweise in den ersten Tagen nach dem Taifun extrem teuer. Aktuell, ein paar Wochen später, können wir wieder gezielt zu einem günstigen Marktpreis einkaufen, und so versuchen Spendengelder möglichst effizient einzusetzen. Das gilt für alle Nahrungsmittel. Ein Lebensmittelpaket für eine fünfköpfige Familie besteht unter anderem aus Reis, Öl, Zucker, Salz. Damit kocht die Familie für circa 15 Tage. Wir vermeiden, unsere Ware langfristig zu lagern. Bis zur Verteilung bleiben die Güter in einer Lagerhalle in der Nähe von Transportknotenpunkten, um sie vor Nässe und Diebstahl zu schützen. Die Lagerhallen stehen uns gebührenfrei zur Verfügung.

DRK: Erfolgt die Verteilung von Medikamenten ähnlich? Werden diese auch gelagert und nach Bedarf eingesetzt?

Teijeira: Wir selber dürfen hier im Land keine Medikamente verteilen. Das ist gesetzlich geregelt und geht ausschließlich über die Krankenhäuser. Unsere Medikamente stellen wir örtlichen Ärzten zur Verfügung, die die Medikamente einsetzen. Diese sind vor Ort berechtigt Medikamente zu verabreichen. Auch in unseren medizinischen Nothilfe-Einrichtungen werden natürlich Medikamente eingesetzt. Hier arbeiten auch Ärzte des Roten Kreuzes mit einheimischem Personal eng zusammen.

DRK: Wo hat das DRK eigentlich überall Büros im Land?

Teijeira: Wir haben Projektbüros in Manila, Bohol und Cebu. Von dort aus werden die Projekte dort und an den übrigen Standorten betreut. Das sind zum Beispiel: finanzielle Hilfen auf Panay Island, Gesundheitsteams im Norden Cebus und Bassey, sowie die Verteilung von Hilfsgütern in Bantayan und Leyte. Stützpunkte dort sind immer die Einrichtungen unserer philippinischen Schwestergesellschaft.

DRK: Wie wird mögliche Korruption verhindert? Werden zum Beispiel Schwestergesellschaften kontrolliert?

Teijeira: Nun ja, immerhin konnten wir seit 2008 neun nachhaltige Projekte auf die Beine stellen. Daran allein ist zu erkennen, dass wir mit den uns zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln haushalten. Natürlich nutzen wir bei der Projektumsetzung unsere Kontakte zu lokalen Partnern, damit wir gar nicht erst in Korruptionsfallen tappen. Wir profitieren hier von den lokalen Partnern, die uns bei notwendigen Einkäufen vor Ort beraten, so dass wir Produkte nicht zu teuer einkaufen. Wir selbst schulen unser Personal in dieser Hinsicht. Wird uns ein Fall von Korruption gemeldet, gehen wir dem auch nach und versuchen ihn aufzuklären.

DRK: Wie sieht die Planung für kommende Zeit auf den Philippinen aus?

Teijeira: Im Moment kann man sagen, dass wir noch eine Form von Nothilfe leisten. Das wird sich mit der Zeit ändern. Wir werden die Menschen aber nicht allein lassen, sondern planen bereits umfangreiche Hilfe zum Wiederaufbau bis zum Jahr 2016. Die Menschen brauchen neue Unterkünfte, oder ihre Häuser müssen repariert werden, die Infrastruktur muss aufgebaut, die Trinkwasserversorgung wiederhergestellt sein. All das sind Projekte, bei denen das Philippinische Rote Kreuz und die Menschen hier auch weiterhin unsere Unterstützung erhalten. Und nach dem Wiederaufbau geht es dann hoffentlich mit einem Katastrophen-Vorsorge-Programm weiter.

DRK: Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen noch viel Kraft und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und dem Wiederaufbau der von Taifun Haiyan betroffenen Regionen.

Quelle: DRK Bundesverband Berlin

Autor:

Wilhelm Walter aus Gladbeck

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

8 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.