Sprockhövel: Erfolgreiches Jahr 2011, doch Sorgen gibt es auch

Geballte Wirtschaftskompetenz in Sprockhövel: (v.l.) Detlef Merken (Wirtschaft und Marketing), Bürgermeister Dr. Klaus Walterscheid und Beigeordneter Bernd Woldt. Foto: Pielorz
  • Geballte Wirtschaftskompetenz in Sprockhövel: (v.l.) Detlef Merken (Wirtschaft und Marketing), Bürgermeister Dr. Klaus Walterscheid und Beigeordneter Bernd Woldt. Foto: Pielorz
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(von Dr. Anja Pielorz)

Wie in jedem Jahr blicken wir auch in 2012 nach dem Jahreswechsel auf die heimische Wirtschaft in Hattingen und Sprockhövel. In Sprockhövel freute man sich über ein finanzstarkes 2011, blickt aber trotzdem mit Sorgen in die Zukunft.

„Im Jahr 2011 haben sich die Stärken in unserem Wirtschaftsprofil ausgezahlt“, ist Bürgermeister Dr. Klaus Walterscheid überzeugt. Die Kundenorientierung und die Bindung der Arbeitskräfte über die Krise hinaus sei stark und bestimme den Standort. „Die Umsätze sind gut. Das zeigt sich an der gestiegenen Gewerbesteuer. Hattingen wir in 2010 noch 10,5 Millionen Euro, so waren es in 2011 genau 14,4 Millionen Euro. Die Arbeitslosenquote in Sprockhövel liegt unter fünf Prozent und das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.“
Negativ schlägt allerdings die Kreisumlage zu Buche. „Insgesamt sind fast die Hälfte des Sprockhöveler Haushaltes Transferleistungen. Das schränkt die Möglichkeiten de kommunalen Wirtschaften stark ein. In diesem Jahr müssen wir zwei Millionen Euro mehr Kreisumlage zahlen als noch 2010. Und für die Zukunft ist eine Entwicklung zu erwarten, dass die Kreisumlage in der Höhe mit den Einnahmen in der Gewerbesteuer vergleichbar wird.“
Ein großes Sorgenkind sind auch die Gewerbeflächen. Schon heute, so Beigeordneter Bernd Woldt, könne man Anfragen nach größeren Flächen nicht mehr positiv beantworten. Die schwierige Topographie sei sicherlich zu berücksichtigen, aber es gäbe einfach zu wenige ausgewiesene Gewerbeflächen.
Dies gilt auch bei Erweiterungen bestehender Firmen, die nicht immer positiv beschieden werden können, weil es eben an Fläche fehlt. Deshalb wanderten einige Firmen auch in Nachbarstädte ab, was zu fehlenden Arbeitsplätzen und sinkender Gewerbesteuer führe. In den letzten Jahren habe Sprockhövel deshalb etwa 300 bis 400 Arbeitsplätze verloren.
Diese Situation teile auch die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer. „Wir haben das Projekt der interkommunalen Gewerbeflächen gestartet. Sieben potentielle Flächen gibt es im Kreisgebiet, zwei von ihnen berühren Sprockhöveler Stadtgebiet. Zum einen eine Fläche südlich des Autobahnkreuzes Wuppertal-Nord, zum anderen eine kleinere Fläche als Erweiterung von Stefansbecke 3. Eine Kommission prüft alle Flächen auf ihre Machbarkeit und wir hoffen auf baldige Ergebnisse. Hier vor Ort haben wir bis auf vielleicht 40.000 Quadratmeter bereits alles realisiert, was möglich ist“.
Seit 2009 liegt die Regionalplanung in den Händen des RVR. Dort sollen die Planungen der Bezirksregierungen in Arnsberg, Münster und Düsseldorf zusammenlaufen und in eine Struktur „gegossen werden“. „Hier sitzen wir mit den großen Städten in einem Boot und müssen sehen, dass wir unsere Interessen behaupten können“, so Bürgermeister Dr. Klaus Walterscheid.
Auch sei es schwierig, Firmen aus Niedersprockhövel beispielsweise nach Haßlinghausen oder umgekehrt zu bringen. Das habe nichts mit Kirchturmdenken zu tun, sehr wohl aber etwas mit dem Einzugsbereich der Arbeitsplätze. „Wir haben im Beirat für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing im Herbst eine Resolution einstimmig verabschiedet, dass wir uns für die Ausweisung von mehr Gewerbeflächen aussprechen“. Die Grünen waren bei dieser Sitzung übrigens zufällig nicht vertreten...
Wichtig ist der Stadtspitze in Sachen Wirtschaft auch die Kooperation mit den weiterführenden Schulen. Hier gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen der Arbeitswelt und der Gesamtschule und der Hauptschule. Die Kreishandwerkerschaft hat signalisiert, weitere praktische Verbindungen einzugehen, beispielsweise in der projektbezogenen Nutzung einzelner Werkstätten. Die Innungsversammlung soll dazu Anfang 2012 ein erstes Ergebnis bringen.
Doch Sprockhövel besticht als Wirtschaftsstandort auch durch „weiche Standortfaktoren“. So profitiert die Stadt durch die EN-Agentur von Werbung über Reiterhöfe und Radwege. Auch das Stadtmarketing hat durch die Kunstreihe „Kühe“ und die musikalische Wirkung der Brass-Konzerte viel positives Aufsehen erzeugt. „Es zeigt sich aber, dass das Stadtmarketing durch die ehrenamtliche Organisation seine Grenzen findet und nicht alles leisten kann, was wünschenswert wäre“.
In der Überlegung ist eine Auflösung des Verkehrsvereines, um die Kräfte zu bündeln. Das wäre ein erster Schritt, der in Hattingen schon längst vollzogen wurde. Hier hat sich auch die Werbegemeinschaft aufgelöst und zugunsten von Hattingen Marketing die gemeinsame Arbeit in den Vordergrund gestellt. Sprockhövel als eine gemütliche und liebeswerte Stadt mit attraktivem Einzelhandel zu präsentieren – für Bernd Woldt ist dies nur mit einer Umgehungsstraße in Niedersprockhövel möglich. „Wir brauchen diese Straße. Der Nikolausmarkt oder die Weihnachtsstraße haben doch wieder deutlich gemacht, wie schade es ist, die Straße nicht einfach sperren zu können, wenn es nötig erscheint. Als Landesstraße sind wir immer auf die Entscheidungen an anderer Stelle angewiesen. Der Verkehr ist auf der Hauptstraße einfach ein Störfaktor. Wir haben damals mit dem Umbau der Hauptstraße einen ersten Schritt getan, nun muss mit der Umgehungsstraße ein zweiter Schritt erfolgen. Es ist übrigens nicht richtig, dass notwendige Schallschutzmaßnahmen von der Stadt bezahlt werden müssen, Das sind Kosten, die das Land trägt. Wir müssen die Anschlüsse der Hombergstraße, des Schulzentrums und der Dresdener Straße sicherstellen. Und das können wir auch. Einen Teil des Geldes bekommen wir vom Land, weil wir diesem das vorab erworbene Grundstück für die Umgehungsstraße verkaufen werden. Wir haben damals rund 500.000 DM gezahlt. Das wäre schon ein erster Schritt für die Finanzierung der Straßenanschlüsse.
Das Planfeststellungsverfahren soll noch in 2012 abgeschlossen sein.
Den Menschen vor Ort eine hohe Lebensqualität bieten – für die Stadtplaner und Wirtschaftsexperten gehört dazu eine Wohnbebauung, die alten- und behindertengerecht ist und dem demografischen Wandel Rechnung trägt. So entstehen beispielsweise auf der von-Galen-Straße ebenfalls altersgerechte Wohnungen. „Die älteren Menschen bleiben am Ort, um einzukaufen. Jüngere hingegeben zieht es oft in größere Einkaufszentren. Darum macht uns die Ansiedlung von Ikea und weiteren Fachmärkten vor Sprockhövels Haustür auch richtige Sorgen“, so der Bürgermeister.
Man wolle gemeinsam mit den anderen Städten alles tun, um den möglichen negativen Einfluss auf Sprockhövel zu verhindern. „Es ist die Frage, wie wir leben wollen. Wollen wir eine aktive und lebendige Innenstadt oder wollen wir, wie in den USA, auf die grüne Wiese in ein Einkaufzentrum hinausfahren und die Innenstadt soll als Bürostadt veröden?“
In 2011 herausragende Ereignisse seien die Bebauung des alten Sportplatzes in Haßlinghausen. Die Neueröffnung von Rewe/Lenk sei für das Frühjahr 2012 geplant. Auch der Neubau des IG Metall Bildungszentrums sei ein Imagegewinn für Sprockhövel – eine Stadt im Grünen mit Industriegeschichte und Gegenwart.

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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