Stadtbücherei-Jubiläum wirft Schatten voraus

In den vergangenen Tagen ist die Hemeraner Stadtbücherei mal wieder in die öffentliche Diskussion geraten - Personalnotstand und immer häufigere Schließzeiten lassen Hemeraner und Hemeranerinnen sowie (zumindest Teile der Politik) mittelfristig um den Fortbestand der bedeutsamen städtischen Einrichtung bangen. Dabei hätte Hemers Stadtbücherei 2011 eigentlich allen Grund zur Freude, steht doch in Kürze der 100. Geburtstag ins Haus bzw. die Prinz‘sche Villa. Grund genug, einmal die wechselvolle Geschichte der Stadtbücherei Hemer in Erinnerung zu rufen.
Nachdem sich die Gemeindevertretungen von Nieder- und Oberhemer 1907 noch nicht zur Einrichtung einer Volksbibliothek entschließen konnten, war der Beschluss am 9. Februar 1911 eindeutig: die erst wenige Monate zuvor gebildete Gemeinde Hemer sollte nach ihrem Willen „eine allen Bürgern zugängliche Bücherei erhalten“. Zur Einrichtung wurde eine Beihilfe von 100 Reichsmark bewilligt. Man hielt es für zweckmäßig, die Öffnungszeit auf Sonntagmittag zwischen 11.30 und 12.30 Uhr (!) zu legen.Untergebracht wurde die neue Einrichtung in einem Zimmer des Amtshauses. Am 19. Februar 1911 wurde die „Volksbibliothek der Gemeinde Hemer“ mit einem Bestand von 228 Büchern eröffnet. Neben der neuen Volksbücherei Hemer gab es im Bereich des Amtes Hemer damals noch folgende bibliothekarische Einrichtungen: Bibliothek des Lesevereins Bredenbruch, Volksbibliothek Westig, Gemeindebücherei Sundwig und die Gemeindebücherei Brockhausen.
Die nächsten Jahre waren bestimmt durch den kontinuierlich wachsenden Bestand und eine immer größer werdende Lesergemeinde. Das war nur möglich, weil weder Staat noch Gemeinde auch angesichts des 1914 begonnenen Weltkrieges die Zuwendungen für den Bücherkauf reduzierten.
In den 20er Jahren begann im Zeichen der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession und der fortschreitenden Inflation auch für die Volksbücherei Hemer eine schwere Zeit.Einer weiter wachsenden Leserschaft standen kommunale Aufwendungen gegenüber, die wegen Teuerung und Geldentwertung nahezu wirkungslos waren. Das machte sich in einer geringen Neuanschaffungsquote deutlich bemerkbar. Ab 1928 hatte die Hemeraner Bücherei mit einer stark rückläufigen Bestandsentwicklung zu kämpfen. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 hatte schnell massive staatliche Eingriffe zur Folge, da das Buch als „Waffe“ im weltanschaulichen Kampf ausersehen war, der Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie zu dienen. Bestände wurden überprüft und beanstandete Bücher mussten umgehend an die Preußische Staatsbibliothek abgeliefert werden. Als Hemer 1936 Stadt wurde, blieben die drei getrennten Büchereien in Hemer, Sundwig und Westig als „Volksbücherei der Stadt Hemer“ zunächst noch erhalten, ehe es im April 1938 zu einer Zusammenlegung der Bestände im Amtshaus kam. Das Ziel der neuen „Stadtbücherei Hemer“ hieß: „Führung zum Schrifttum der Nation und Führung duch das Schrifttum der Nation“. Die Lesegebühr betrug 1 Reichsmark für zwei Ausleihen alle 14 Tage.
Im November 1944 zog die Bücherei in die Räume des ehemaligen Eisenwarengeschäftes Fricke, Hindenburgstraße 29, um, bevor sie Anfang 1945 aufgrund der Kriegswirren ihren Betrieb völlig einstellen musste.
Am 1. August 1946 wurde die Stadtbücherei Hemer im Haus des Gesundheitsamtes, Hauptstraße 209, wiedereröffnet. Nach der „Säuberung“ des Bestandes verblieben noch rund 2.200 Titel, die alle in braunes Packpapier eingeschlagen wurden (!). Da es in den ersten Nachkriegsjahren äußerst schwierig war, neue Bücher zu beschaffen, stammten alle neuen Titel aus privaten Spenden. Durch den starken Zuspruch der Bevölkerung, wurde der Ausgaberaum im Gesundheitsamt schnell zu eng, und so zog die Stadtbücherei im Mai 1947 erneut um, dieses Mal in ein Haus Im Ohl 64. Weitere sechs sollten noch folgen, ehe die Stadt Hemer 1957 das ehemalige Gebäude der Amtssparkasse an der Hauptstraße 201 kaufte, um darin die VHS und die Bücherei unterzubringen. Die Gründerzeitvilla Prinz sollte ,so die Stadt, „eine Heimstatt des Geistes und der Kultur schaffen, wie sie im weitem Umkreis bisher nicht anzutreffen ist.“ Fortsetzung folgt....

(Quelle: Seydel/Thomas: „Stadtbücherei Hemer in Geschichte und Gegenwart“,1986)

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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