Jobcenter außer Kontrolle – Menschen-Verachtung mit System

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Erst in der letzten Woche wurde ich mehrere Male Zeuge davon, dass einige Leistungsberechtigte nicht pünktlich ihre Leistungen erhalten hatten und von Jobcenter-Mitarbeitern mit Lebensmittelgutscheinen abgespeist wurden. Das ist nicht nur demütigend und falsch, sondern vorsätzlich rechtswidrig.

Das Sozialrecht ist zwar insgesamt hochkomplex, und für Betroffene oft unverständlich. Gar nicht zu verstehen ist aber, dass offenkundige Rechtsverstöße innerhalb eines ganzen Jobcenters von beinahe allen Mitarbeitern widerspruchslos umgesetzt werden.

Geldleistungen haben Vorrang vor Gutscheinen oder Sachleistungen

Im Sozialgesetzbuch ist sehr wohl geregelt in welcher Form die Leistungen zu gewähren sind. Das gilt auch für das Jobcenter Märkischer Kreis.

§ 10 SGB XII Leistungsformen
(1) Die Leistungen werden erbracht in Form von
1. Dienstleistungen,
2. Geldleistungen und
3. Sachleistungen.
(2)
(3) Geldleistungen haben Vorrang vor Gutscheinen oder Sachleistungen,

§ 24 SGB II Abweichende Erbringung von Leistungen
(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

Die Geschäftsführer fordern von ihren Mitarbeitern offene Rechtsbeugung

Nein, eine gesetzliche Grundlage haben die Geschäftsführer des Jobcenter Märkischer Kreis, Volker Riecke und Reinhold Quenckert für ihre internen Weisungen zur Vergabepraxis von Lebensmittelgutscheinen in den meisten Fällen nicht. Dieses selbstherrliche „Iserlohner Dorfrecht“ erinnert mehr an übermütige und machthungrige Lagerkommandanten, die sich darin gefallen Menschen zu demütigen und Mitarbeiter zu gängeln.

Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die finanziell abhängigen Mitarbeiter sich dermaßen freimütig der offenen Rechtsbeugung hingeben.

Bargeld oder Lebensmittelgutscheine

Auf den ersten Blick mag es für Leser, die nicht persönlich betroffen sind unerheblich sein ob Hilfestellung durch Geld oder Gutscheine erbracht werden. Bei genauerem Hinsehen aber zeigt sich, dass hier massiv in die Persönlichkeitsrechte von Mitbürgern eingegriffen wird.
Während Bargeld als Zahlungsmittel grundsätzlich anonym und weltweit anerkannt ist, brandmarken die Lebensmittelgutscheine die Sozialleistungsberechtigten bereits als „Hilfebedürftige“ durch die Absenderkennung „Jobcenter Märkischer Kreis“. Außerdem schränken die Gutscheine die Betroffenen erheblich ein. Der Geltungsbereich ist eng begrenzt. Das Jobcenter schreibt den Betroffenen vor was sie einkaufen dürfen und was nicht. Außerdem wird den Leistungsberechtigten aufgezwungen, wo sie einkaufen müssen, weil nur „akzeptierte Vertragspartner“ mit dem Jobcenter abrechnen können. Dem Käufer wird aufgezwungen sich auszuweisen und außerdem soll er seinen Einkauf mit Unterschrift dokumentieren, was natürlich auch zu Warteschlangen und öffentlicher Aufmerksamkeit an den Ladenkassen führt.

Diese öffentliche Demütigung treibt seltsame Blüten. Aus der Hansestadt Greifswald wurde 2012 ein Gutschein über 2,27 € bekannt, und selbst ein 1,00 €-Gutschein wurde in Thüringen ausgestellt. 

Die Gutscheinpraxis im Jobcenter Märkischer Kreis mutiert

Mit Gutscheinen kann man aber weder Bus noch Bahn bezahlen.
Am 20.06.2017 begleitete ich eine Frau ins Jobcenter, wo sie wegen eines Vorschuss vorsprechen wollte. Kurz vor Monatsende waren zwar Rechnungen bezahlt und Vorräte eingekauft, aber auch das Bargeld aufgebraucht. Dann wurden Extra-Kosten für zwei Rezepte in Höhe von 10,00 € dringend notwendig. Neben geringschätzigen Bemerkungen der zuständigen Jobcenter-Mitarbeiterin, sie könne wohl nicht mit Geld umgehen, steigerte sie die Demütigung weiter, indem sie einen „Extra-Gutschein für Medikamente“ verfasste: zur Vorlage in der Apotheke.

Dieses Vorgehen stellte eine massive Verletzung des Sozialdatenschutzes dar, spiegelt aber unfreiwillig die Gesinnung der Geschäftsführung des Jobcenter Märkischer Kreis wider.

Kein Mitarbeiter würde sich wagen, gegen die gesetzlichen Vorgaben offen zu verstoßen, wenn nicht interne Weisungen zur Rechtsbeugung vorlägen.

Kontrolle muss wohl von außen kommen.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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