Kein Zuschuss für Hartz-IV-Empfänger bei Stromsperren

„Hunderttausenden Hartz-IV-Empfängern wird jedes Jahr der Strom abgedreht. Zusatzzahlungen wird es auch weiterhin nicht geben, im Notfall soll das Jobcenter aushelfen.“ – Soweit die Theorie. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Das Jobcenter Märkischer Kreis verweigert immer wieder Leistungsberechtigten die existenziellen Grundbedürfnisse.

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Leistungsberechtigte noch nicht einmal zur Abwendung von Stromsperren Zuschüsse erhalten, so ließ das Bundesarbeitsministerium jetzt durch einen Sprecher mitteilen. Im Notfall könnten die Betroffenen aber mit Darlehen der Jobcenter rechnen.
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-06/hartz-4-stromkosten-energiewende

Seit den vom Bundesverfassungsgericht in Auftrag gegebenen Gutachten zur Regelsatzklage (Az.: 1 BvL 1/09) Volltext: http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html ist nachgewiesen, dass mit der Einführung der Hartz-Gesetze eine chronische Unterversorgung der Erwerbslosen politisch beabsichtigt war.
Bei einer Regelleistung von 359,00 € waren für die Position 04: „Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe“ gerade mal 26,08 € für einen Singlehaushalt vorgesehen.
In seiner „Stellungnahme zu den Ausführungen der Bundesregierung zur Ermittlung der Höhe von SGB XII-Regelsatz / SGB II-Regelleistung“ in den Verfahren BVerfG 1 BvL 1/09; BVerfG 1 BvL 3/09; BVerfG 1 BvL 4/09 führt der Verfasser, Diplom-Kaufmann Rüdiger Böker, Mitglied des Deutschen Sozialgerichtstag e.V., aus:
„Das System krankte und scheiterte letztendlich daran, dass sich zu viele politisch Verantwortliche weigerten, die Höhe der Zahlungen an Hilfebedürftige in der Sozialhilfe so zu bemessen, dass es den Hilfebedürftigen möglich gewesen wäre, die „notwendigen“ Verbrauchs-Mengen zu realistischen Markt-Preisen einkaufen zu können.
Da die Höhe der „notwendigen“ Leistungs-Ansprüche politisch als zu hoch angesehen wurde, konnte das „Warenkorb-Modell“ nicht fortgeführt werden, da eine Reduzierung der „notwendigen“ Güter und deren Verbrauchs-Mengen argumentativ sinnvoll nicht darstellbar ist.
Das „Warenkorb-Modell“ wurde durch das sogenannte „Statistik-Modell“ ersetzt, bei dem lediglich pauschale Leistungen als Geld-Betrag gewährt werden, die keinen konkreten Bezug mehr zu irgendwelchen Gütern haben.
Für „Strom“ (gerne als „Haushaltsenergie“ bezeichnet) wurde beim Wechsel vom „Warenkorb-“ zum „Statistik Modell“ eine Ausnahme gemacht und weiterhin eine Verbrauchs-Menge (148,4 kWh monatlich) zuerkannt.
Diese Strom-Mengen-Garantie wurde nicht in SGB II / SGB XII übernommen“
Rein rechnerisch standen Hilfebedürftigen monatlich lediglich noch 47,49 kWh Strom zur Verfügung. Zu Sozialhilfe-Zeiten dagegen waren es noch 148 kWh.

http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/RB-BVerfG-Stellung-1-BvL-1-09-3-09-4-09-.pdf
Es darf als sicher gelten, dass alle Geschäftsführer der Jobcenter und Optionskommunen ausreichend Kenntnis über die Regelleistungs-Mogeleien der Bundesregierung haben. Damit ist es kein Kavaliersdelikt mehr, wenn selbst Darlehen zur Vermeidung von Energiesperren verweigert werden.

Bereits in den Verfahren SG Dortmund, Az.: S 10 AS 250/09 ER; LSG NRW - L 19 B 345/09 AS ER wurde die geizige Verweigerungshaltung des Jobcenters Märkischer Kreis öffentlich gerügt:
"Aus der Sicht als Berichterstatter überwöge im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes das Interesse des Antragstellers an einer bewohnbaren und mit Energie versorgten Wohnung die Gefahr eines Zinsnachteiles der öffentlichen Hand
bei zu Unrecht erfolgter Darlehensvergabe."
http://www.beispielklagen.de/klage006.html

In einem weiteren Beispiel nahmen die Verantwortlichen des Jobcenters MK auch selbst Gesundheitsgefährdungen eines achtjährigen Kindes billigend in Kauf. http://www.lokalkompass.de/iserlohn/politik/arge-maerkischer-kreis-verweigerte-stromdarlehen-asthmakrankes-kind-fuer-3-wochen-ohne-elektrisches-inhalationsgeraet-teil-1-d33174.html

Kostenlose Beratung zur Senkung der Stromkosten und zur Vermeidung von Energiesperren bietet z.B. die Caritas Iserlohn mit dem StromSparCheck. Teilnahmeberechtigt sind alle Menschen, die Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Wohngeld beziehen. Außerdem bietet die Verbraucherzentrale Energieberatung an.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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