Mietsenkungsverfahren im Märkischen Kreis

„My Home is my castle“ – „Schaffe, schaffe, Häuslebaue.“ Die Unverletzlichkeit der Wohnung gehört wohl in allen Nationen zu den höchsten Gütern der Menschen. Dann kam Hartz IV. Und mit Hartz IV entfällt innerhalb kurzer Zeit der Berufsschutz, die Alterssicherung und auch Unverletzbarkeit der Wohnung.

Nach nur 6 Monaten im Hartz IV-Leistungsbezug fordert die Behörde Betroffene auf ihre Mietkosten „auf ein angemessenes Maß“ zu senken. In den Jahren 2005-2011 registrierte das Jobcenter Märkischer Kreis im März 2006 den Höchststand von 20.434 Bedarfsgemeinschaften. Im gleichen Zeitraum leiteten Jobcentermitarbeiter insgesamt 7310 Mietsenkungsverfahren ein und stellte damit Einpersonenhaushalte und Familien vor die Wahl sich nach billigerem Wohnraum umzusehen, oder die Differenz zu bewilligten Miete aus dem Hartz IV-Regelsatz auszugleichen. Das sind 36,74 % gemessen am Höchststand der BGs. Die Gesamtzahl der Bedarfsgemeinschaften ist jedoch deutlich höher anzusetzen, wenn man Abgänge und Neuzugänge mit einbezieht.

7310 Mietsenkungsverfahren in 7 Jahren

Wie viele der 7310 Bedarfsgemeinschaften tatsächlich umgezogen sind, ist anscheinend nirgends dokumentiert. Allerdings stellte sich heraus, dass zumindest 1967 dieser Mietsenkungsverfahren aufgrund von falschem Zahlenmaterial eingeleitet worden waren.

Aufgrund einer Gesetzesänderung in NRW zum 01.01.2010 sowie in Ermangelung von qualifizierten Mietspiegeln, hatte der Märkische Kreis jahrelang falsche Bezugsgrößen für die Kosten der Unterkunft vorgegeben. Korrekturen wurden erst nach einigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts eingeleitet. Erste Nachzahlungen erhielten jene Betroffene, die im Widerspruchs- und Klageverfahren Rechtsmittel eingelegt hatten.

Wie auf dem Weg einer IFG-Anfrage bekannt wurde, sind von rund 3400 geprüften Bedarfsgemeinschaften, 1967 von der Neuberechnung betroffen, das sind 58% aller geprüften Bedarfsgemeinschaften. Die Anzahl der nach zu leistenden Monate wird mit 31.641 Monaten beziffert. Der Gesamtnachzahlungsbetrag beläuft sich auf insgesamt 841.757,27 €. Rein rechnerisch entspricht entfällt auf jede Bedarfsgemeinschaft eine Unterdeckung für 16 Monate und eine Schadenssumme von 428 €.

Noch immer haben sich nicht alle Anspruchberechtigten beim Jobcenter und der Grundsicherung gemeldet. Mögliche Ansprüche haben all jene, die nach Januar 2010 anteilige Leistungen zur Miete aus ihrer Regelleistung bestritten haben.

Bestandskräftige Leistungsbescheide sind von Amts wegen mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zu nehmen

Die Weisungslage des Märkischen Kreises stellt den rückwirkenden Rechtsanspruch klar:

„Bestandskräftige Leistungsbescheide nach § 22 SGB II, in denen statt der tatsächlichen Kosten der Unterkunft lediglich die bisher angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, sind von Amts wegen mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 SGB X i.V.m. § 40 SGB II zurück zu nehmen, sofern sich aufgrund der Anwendung der Wohnungsgrößen nach Ziffer 8.2 den WNB im Rahmen der Produkttheorie ein höherer Anspruch nach § 22 SGB II ergibt (s.a. Rundschreiben Nr. 0412012).“

Mehr zum Thema und Auskunft über die aktuellen Richtlinien im Märkischen Kreis:
IFG042 und klage032

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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