Deutsche Meisterschaft 12./13. Oktober: Hallenradsport hat Tradition am Niederrhein

Das Moerser Damen-Quartett mit Inge van Zütphen, Renate Wilbert, Lotte Opolony und Irmgard Pichler -alle miteinander verwandt und dem GRMSV bis heute treu geblieben-, sie wurden 1950 Bundesmeister im Vierer-Einradfahren in Stuttgart.
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  • Das Moerser Damen-Quartett mit Inge van Zütphen, Renate Wilbert, Lotte Opolony und Irmgard Pichler -alle miteinander verwandt und dem GRMSV bis heute treu geblieben-, sie wurden 1950 Bundesmeister im Vierer-Einradfahren in Stuttgart.
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Schon mal vom ‚Übergang Kehrlenkersitzsteiger Kehrsteuerrohrsteiger‘ oder ‚Sattelbeugestand‘ gehört? Was ist ein ‚Dornstandsteiger‘, wissen sie etwas mit dem Begriff ‚Übergang Reitsitzsteiger Lenkersitzsteiger‘ anzufangen? Dieses ist eine Auswahl von über 150 Übungen, die Hallenradsportler in ihrer 5-minütigen Wettkampfkür präsentieren können. Am 12. und 13. Oktober steht die Kamp-Lintfort‘er Glückauf-Sporthalle, Moerser Straße 167, im Blickpunkt der Kunstradfreunde, denn bei der ‚Deutsche Meisterschaft im Hallenradsport der Elite‘ -den Kunstradsportlerinnen und –sportlern über 18 Jahren- werden die Deutschen Meister in den Wettkampfkategorien Einer-, Zweier-, Vierer- und Sechser-Kunstradfahren, sowie Vierer- und Sechser-Einradfahren bestimmt.

Zum Hallenradsport gehören neben dem Kunstradfahren und der Akrobatik, auch die Disziplinen Rad-Polo und Radball. Alles Sportarten, die nicht im Rampenlicht stehen, aber Randsportarten, die von den Aktiven intensives Training der Beweglichkeit, Koordination, Geschicklichkeit, Konzentration, Kondition und Mut erfordern. Am Niederrhein blickt man auf eine über 100-jährige Tradition im Hallenradsport zurück, vom Dachverband „Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität Deutschland“ -kurz RKB Solidarität- haben immerhin 5 der 7 aktiven NRW-Vereine hier ihren Sitz. Ausrichter der Deutschen Meisterschaft 2012 sind der Rad- und Motorsportverein ’’Frischauf’’ 1912 Kamp Lintfort e.V. (RMSV Kamp-Lintfort) und der Grafschafter Rad- und Motorsportverein Moers e.V. (GRMSV-Moers) aus dem Gründungsjahr 1906.

Die Chroniken der beiden Radsportvereine weisen einige Gleichheiten und Überschneidungen auf, neben den sportlichen Aktivitäten, wie Touren- und Wanderfahrten um die nähere und weitere Heimat kennen zu lernen, hatten die jeweiligen Vereinsgründer nach der vorletzten Jahrhundertwende vor allem das Miteinander und Füreinander im Vereinsleben als Basis bzw. Ziele gesehen. Zu dem wollte man sich einen Ausgleich zur täglichen Arbeit schaffen, im Winter trafen sich z.B. die Kamp-Lintforter Mitglieder im Saal einer Gaststätte, man nahm die eigenen Räder mit und fand Vergnügen an Farben-, Schmuck- und Schulreigen oder baute menschliche Pyramiden auf dem Rad. Nach dem ersten Weltkrieg wurden dann einige Saalräder angeschafft und das Kunstradfahren und Radballspielen angefangen. Bereits in den zwanziger Jahren hatte man beachtliche Erfolge bei Meisterschaften erzielt, Hans Gondzik aus Kamp-Lintfort wurde im Jahre 1932 im Vierer-Gruppenfahren Landes- und Westdeutscher Meister. 1933 wurde der Dachverband RKB Solidarität durch die Nationalsozialisten verboten und somit kam in beiden Städten das Vereinsleben zum Erliegen, das komplette Radinventar wurde im folgenden Krieg zerstört.

1948 setzten sich Heinrich Friedrich, Johann van Zütphen, Hermann Geisler und Gerhard Flechtner an einen Tisch und beschlossen den Radsport in Moers wieder aufleben zu lassen, es wurde der Grafschafter Rad- und Motorsportverein Moers gegründet. Aller Anfang war schwer und so mussten zuerst die Kunsträder und anderes Material zusammengesucht werden, Motorräder waren zum Teil vorhanden. Ähnlich verlief der Neuanfang in Kamp-Lintfort, erst 1949 als „Onkel Hans“, wie Hans Gondzik auch heute noch liebevoll genannt wird, aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, wurde der Sportbetrieb langsam wieder aufgenommen: Zuerst auf Straßenrädern auf dem Fichte-Platz und auf dem Schulhof der Ebertschule. Die ersten Saal- und Einräder baute Hans Gondzik aus ausrangierten Vorderradgabeln. Von den Vereinsmitgliedern wurde das Geld gestiftet um Bereifung, Pedalen und Speichen zu kaufen, mit Erfolg, denn ein Jahr später konnten auf diesen behelfsmäßigen Rädern die ersten Meisterschaften der Nachkriegszeit errungen werden. Ebenso erfolgreich war das Moerser Damen-Quartett mit Inge van Zütphen, Renate Wilbert, Lotte Opolony und Irmgard Pichler -alle miteinander verwandt und dem GRMSV bis heute treu geblieben-, sie wurden 1950 Bundesmeister im Vierer-Einradfahren in Stuttgart.

Beide Vereine entwickelten sich unaufhaltsam weiter und aufwärts, es wurde gutes Sportmaterial angeschafft, man wechselte in besser geeignete Trainingshallen, weitere Sportarten wie z.B. Rollschuhsport, Motorsport, Radball, Rennsport, Badminton und Volleyball ergänz(t)en teilweise noch bis zum heutigen Tage die Vereinsangebote. Sportliche Highlights im Hallenradsport waren für die Sportler des RMSV Kamp-Lintfort in den 70er Jahren die Einladung zu den Hapoel Spielen (nichtolympische Sportarten) nach Israel und ein Jahrzehnt später der Sportleraustausch mit der damaligen Tschechoslowakei. Bei den Grafschafter Hallenradsportlern wurde Ende der 60-er Jahre der Ehrgeiz geweckt, man wollte die sogenannte „Goldene Kette“, den Wanderpokal für den erfolgreichsten Verein einer Bundesmeisterschaft der RKB Solidarität, nach Moers holen. 1968 erreichte der GRMSV den 5. Platz, 1969 war es der 3. Platz, 1970 der 2. Platz, zwischen 71 und 76 ging die begehrte „Goldene Kette“ 6 Mal in Folge nach Moers, eine einmalige Leistung, kein anderer Verein hat dieses seitdem geschafft. Der Kamp-Lintfort‘er Verein kann auf eine stolze Bilanz von 26 deutschen Meisterschaftstitel im Vierer- und Sechser-Einradfahren, im Zweier-, Vierer- und Sechser Kunstradfahren, sowie im Zweier Rad-Polo zurückblicken. Bundesmeisterschaften im Motor- und Hallenradsport, Deutsche Meisterschaften, Bundespokalturniere und German Masters werden regelmäßig in die beiden niederrheinischen Städte geholt und von den Vereinen erfolgreich durchgeführt, immerhin zählt man in Kamp-Lintfort 4 aktive Turniersportler und in Moers sogar 15, die es ihrem großem Vorbild „Onkel Hans“ nachmachen mögen. Übrigens diese Kamp-Lintfort‘er Sportlegende hat noch bis vor ein paar Jahren mit Anfang 90 selbst den Nachwuchs trainiert, inzwischen 97-jährig besucht Hans Gondzik so oft es geht die Hallenradturniere.

Fotos mit freundlicher Genehmigung durch Rad- und Motorsportverein ’’Frischauf’’ 1912 Kamp Lintfort e.V. (RMSV Kamp-Lintfort) und Grafschafter Rad- und Motorsportverein Moers e.V. (GRMSV-Moers)

Autor:

Christian Voigt aus Moers

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