Infos aus der Ratingszene

Foto: transcript Verlag

Die Sommerpause geht zu Ende – und schon beglücken uns die Nachrichten wieder mit Neuigkeiten aus Griechenland. Das Land brauche mehr Geld als zugegeben, heißt es heute Morgen. Damit haben die Rating-Agenturen im Moment zwar scheinbar nichts zu tun, aber am Anfang der Griechenland-Krise stand ein Rating. Wer oder was die Ratingagenturen eigentlich sind, welche Firmen, welche Köpfe hinter den Agenturen stecken, welches Prinzip hinter den Ratings steht – Antworten auf diese und andere Fragen bleiben die Medien in aller Regel schuldig. Diese Lücke schließt jetzt Werner Rügemer, ein streitbarer Philosoph und Autor, mit seinem Buch „Rating-Agenturen - Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart“.

Auch wenn das Buch nicht unbedingt Schwimmbadlektüre ist, liest es sich mehr als spannend und sorgt für Momente ungläubigen Erstaunens. Auf einen kurzen Abriss zur Entstehung der Agenturen erläutert Rügemer, wie es möglich wurde, dass die Agenturen heute weltweit mit einer fast unbegrenzt scheinenden Machtfülle ausgestattet sind. Und schnell räumt der Autor mit naiven Vorstellungen auf. Die großen Drei – Moody's, Standard & Poor's sowie Fitch – sind weder von Regierungen noch der UNO noch einer sonstigen, demokratisch legitimierten Macht eingesetzt noch werden die abgegebenen Ratings auf ihre Stichhaltigkeit hin kontrolliert. Allerdings dürfen sich die Agenturen dank des Rückhalts in der politischen Szene über einen quasi halbstaatlichen Auftrag freuen. Dass ihre Arbeit sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union eher an Glauben denn an Wissen erinnert, erscheint spätestens nach der Lektüre des Buches nicht mehr als zufällig.

Wer steckt hinter den Ratingagenturen? Zunächst einmal: Die Agenturen sind Aktien-Gesellschaften. Aktiengesellschaften fühlen sich nicht dem Gemeinwohl, sondern lediglich und ausschließlich der Gewinnmaximierung verpflichtet. Dass die großen Investmentbanken, Hedgefonds und Medienkonzerne zu den Eigentümern der Agenturen gehören, verwundert da schon nicht mehr. Die Fäden laufen kreuz und quer, Rügemer schlüsselt auf, zeigt Verbindungen, sorgt schon in diesem Kapitel für viele „Ach – so ist das?“ Der Autor arbeitet mit vielen Quellenverweisen und Fußnoten - das ist manchmal hinderlich, hilft allerdings, die Aussagen auch tiefgreifender zu hinterfragen.

Das tief verschachtelte System Rating-Agentur hat so leichtes Spiel, intransparent zu agieren. Ohne den Rückhalt innerhalb der politischen Szene wäre es sicher nicht möglich, Ratings abzuliefern, für die die Agenturen weder Gewähr noch Haftung übernehmen. Welches Land bittet um ein Rating? Keins. Wer bezahlt die Agenturen für ihr Länderrating? Wie bitte? Niemand? Das alles scheint tatsächlich politisch gewollt zu sein.

Da bleibt die Frage nach dem Wie. Wie wird geratet? Man kann es sich schon fast denken. Wichtig ist nicht die Frage nach dem Schuldenstand eines Staates – das nimmt jeder normal denkende Menschen erst einmal an – wichtig ist die Frage: Kann sich der im Rating befindliche Staat noch weiter verschulden? Bekommt er Kredite? Und: Kann er die Zinsen und Schulden bedienen? Wobei das mit dem Zurückzahlen auch schon eine Sache für sich ist: Die Staaten sollen ihre Schulden gar nicht zurückzahlen – denn wenn die Staaten schuldenfrei wären, ließe sich ja nichts mehr verdienen. Die Verschuldung der Staaten liegt demnach absolut im Interesse der Rating-Agenturen, ihrer Inhaber und Aktionäre.

Wer sich vorstellt, Ratings würden auf einem fundierten, nachvollziehbar wissenschaftlich-mathematischen Modell beruhen, auch der geht in die Irre. Wenn stimmt, was Rügemer beschreibt, dann ist die Erstellung eines Länderratings nicht mehr als die Verdummung der Öffentlichkeit. Aber auch das scheint genau so gewollt zu sein.

Wer sich für die Dinge hinter der gängigen Meinung, wer sich für die Hintergründe der Griechenlandkrise und des globalen Einflusses der Rating-Agenturen interessiert, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.

Werner Rügemer, Rating-Agenturen – Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart
2012 im transcript-Verlag, Bielefeld. ISBN 978-3-8376-1977-5, 18,80 Euro

Autor:

Annette Henseler aus Kleve

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