2. Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung zu COVID-19 (6.01.2022)

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Die aktuellen Belegungszahlen der Krankenhäuser für COVID-19 sind mit dem Abklingen der Delta-Welle derzeit rückläufig. Die Belegung der Intensivstationen befindet sich jedoch mit etwa 3.500 COVID-19 Patient:innen weiterhin auf hohem Niveau. In einigen Regionen sind
die Intensivkapazitäten dauerhaft ausgelastet. Weiterhin werden hohe Todeszahlen zwischen
1500 und 2000 Verstorbenen pro Woche verzeichnet. Die Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante ist derzeit in Deutschland insgesamt niedriger als in vielen europäischen
Nachbarstaaten, nimmt aber aktuell deutlich zu.

regionale Unterschiede

Es bestehen derzeit noch große regionale Unterschiede bei der Verbreitung der Omikron-Variante. Sie wird aber zeitnah flächendeckenddominant werden. Mit der raschen Verbreitung dieser Variante wird nun auch wieder ein deutlicher Anstieg der 7-Tages-Inzidenz in Deutschland verzeichnet. Aktuelle Erkenntnisse zur Erkrankung durch Infektionen mit der Omikron-Variante Erste epidemiologische Analysen aus Großbritannien, Dänemark und den USA deuten auf einen milderen Krankheitsverlauf bei Infektionen mit der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante hin. Dies gilt auch für Kinder.

Omikron-Variante

Vorläufige experimentelle Studien unterstützen diese Beobachtung. Infektionen mit der Omikron Variante führen, bezogen auf die Fallzahl, seltener zu Krankenhausaufnahmen und schweren Krankheitsverläufen. Die Reduktion der relativen Krankheitsschwere erklärt sich größtenteils durch Impfungen und vorangegangene Infektionen eines Großteils der Bevölkerung, zu einem Teil aber auch durch eine Verminderung der krankmachenden Eigenschaften des Virus. Impfungen und insbesondere Boosterimpfungen schützen auch bei Omikron-Infektion vor schweren Krankheitsverläufen und Hospitalisierung.

weniger Aufnahmen auf  Intensivstationen

Die starke Infektionsdynamik und die damit verbundene hohe Zahl von parallel auftretenden
Erkrankungen droht jedoch den gegenüber der Delta-Variante gegebenen Vorteil der milderen
Krankheitsverläufe quantitativ aufzuwiegen. So führen die zeitweise sehr hohen Fallzahlen in
einzelnen europäischen Staaten und in den USA derzeit zu einem deutlichen Anstieg der
Krankenhausaufnahmen. Aktuelle Statistiken aus verschiedenen europäischen Staaten zeigen deutlich vermehrte Aufnahmen auf die Normalstationen, aber im Vergleich zu vorangegangen Infektionswellen anteilig weniger Aufnahmen auf die Intensivstationen. Es ist zu betonen, dass sich die Omikron-Variante erst allmählich in älteren Bevölkerungsgruppen ausbreitet und die Krankheitsschwere in dieser gefährdeten Gruppe noch nicht ausreichend beurteilbar ist. Obwohl sich die große Mehrheit der deutschen
Bevölkerung für die Impfung entschieden hat, gibt es im Vergleich zu Ländern mit ähnlicher
Bevölkerungsstruktur immer noch einen größeren Anteil von Menschen, die bislang keinen
Immunschutz erworben haben. Dies betrifft auch eine signifikante Zahl von Menschen, die
einer vulnerablen Gruppe zuzuordnen sind. Gerade bei Menschen, die älter als 60 Jahre sind,
ist dieser Anteil im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie z.B. Großbritannien oder
Spanien höher. Diese Faktoren könnten zu einer stärkeren intensivmedizinischen Belastung
als in vergleichbaren Ländern führen.

Belastung des Gesundheitssystems und notwendige Vorbereitungen

Trotz einer reduzierten Hospitalisierungsrate ist bei sehr hohen Inzidenzwerten aufgrund des
hohen zeitgleichen Aufkommens infizierter Patient:innen mit einer erheblichen Belastung und
regional auch Überlastung der Krankenhäuser und der ambulanten Versorgungsstrukturen
(Praxen, Ambulanzen, Tageskliniken) und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zu rechnen.
Da auch Geimpfte wieder in das Infektionsgeschehen mit einbezogen werden, entsteht ein
weiteres wesentliches Problem durch Personalausfälle aufgrund von Ansteckungen innerhalb
der Belegschaften von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ambulanten
Versorgungsstrukturen. Diese Personalausfälle werden ärztliches und pflegerisches, aber
auch nicht-medizinisches Personal betreffen. Ein hohes Patientenaufkommen kombiniert mit
akutem Personalmangel kann innerhalb von kurzer Zeit die allgemeine medizinische
Versorgung in Deutschland gefährden. Alle medizinischen und pflegerischen
Versorgungseinrichtungen müssen sich für die kommenden Wochen auf eine erhebliche
Belastungssituation einstellen.
Insbesondere muss die vermehrte Beanspruchung der Notaufnahmen und der
Normalstationen vorbereitet werden. Stufenkonzepte zur Aktivierung zusätzlicher
Versorgungsbereiche für infektiöse Patient:innen sollten umgehend erarbeitet werden.
Hervorzuheben ist zudem, dass gerade im Bereich der Kinderkliniken ohnehin eine eng
limitierte stationäre Versorgungskapazität besteht. Ferner ist damit zu rechnen, dass
zeitgleich infektiöse und nichtinfektiöse Patient:innen in großer Zahl in den Notaufnahmen
behandelt werden müssen. Dies kann das Ausweisen gesonderter, räumlich abgetrennter
Bereiche erforderlich machen, um Ansteckungen zu minimieren. Angesichts zu erwartender
Personalausfälle müssen gegebenenfalls Notfallmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der
medizinischen und pflegerischen Versorgung und Logistik ergriffen werden, unter

Einbeziehung aller verfügbarer Personalressourcen

.
Für die Aufrechterhaltung der Versorgung ist eine ausgewogene Quarantäneregelung
erforderlich, die gleichzeitig den Erfordernissen des Infektionsschutzes insbesondere für
vulnerable Gruppen gerecht wird. Vorbereitend ist zudem nochmals dringlich an alle Leitungen
von medizinischen Einrichtungen zu appellieren, auf eine hohe Impf- und Boosterimpfquote in
den Belegschaften hinzuwirken und entsprechende niederschwellige Impfangebote nochmals
zu intensivieren. Die Aufrechterhaltung der Versorgung wird, angesichts einer bereits jetzt
schon sehr angespannten Personalsituation, nur durch eine abgestufte Aussetzung planbarer
Eingriffe und eine entsprechende Umverteilung von Personalressourcen möglich sein. Daher
sollten in allen Bundesländern Vorbereitungen zur Reduktion planbarer Eingriffe getroffen
werden, die im Falle einer starken Belastung ad hoc aktiviert werden können. Auf regionaler
Ebene sollte in enger Kooperation dringlich eine effiziente Patientenallokation im ambulanten
und stationären Sektor organisiert werden.
Wie in der ersten Stellungnahme dargelegt, sind bei hohen Inzidenzen und dem damit
verbundenen Personalausfall ähnliche Belastungssituationen auch in anderen Bereichen der
kritischen Infrastruktur (KRITIS) wie auch weiteren gesellschaftlich relevanten Sektoren zu
erwarten. Auch hier sind entsprechende Vorbereitungen dringlich zu treffen.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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