Jeder ist für sein Handeln verantwortlich

Martha wird von ihren Eltern verprügelt. Ilse raucht, trinkt und hat schon seit Tagen nicht mehr zu Hause geschlafen. Moritz hat Versagensängste und nimmt sich das Leben. Melchior ist auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und Wendla? Sie fühlt sich von ihrer Mutter bevormundet, glaubt noch an den Storch und wird ungewollt schwanger.

Aktuelle Schicksale von Jugendlichen wie sie in jeder Familie vorkommen können. Doch der Stoff, den die Schauspieler Nora Buzalka (Martha), Manja Kuhl (Ilse), Elisabeth Wolle (Wendla), Anna Polke (Mutter Bergmann), Sergej Lubic (Melchior), Eike Weinreich (Moritz) und Marek Jera (Vater Stiefel) bravourös im Haus der Jugend auf die Bühne bringen, ist über 100 Jahre alt: Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen - Eine Kindertragödie“.

Die Pubertät machte damals und macht heute Jugendlichen zu schaffen. Je nach Elternhaus stießen und stoßen sie auf Verständnis oder eben auf Unverständnis. Damals wie heute ist der Zusammenhalt in der Clique das, was Jugendliche suchen und brauchen. Wo ihre Probleme - auch mit der aufkeimenden Sexualität - ernst genommen werden.

Der Originalstoff Wedekinds ist nicht mehr zeitgemäß. So viel steht fest. Doch die Art, mit der Regisseur Karsten Dahlem und Dramaturgin Simone Kranz das Stück in die heutige Zeit transferiert haben, macht das Stück aktueller denn je. Wendla will ihren 14. Geburtstag ohne Eltern feiern. Es wird geraucht und Bier getrunken. Klar, dass Mutter Bergmann stört, als sie dazu kommt - auch wenn sie nur Geschenke und einen Nudelsalat abliefern will. Die Gäste des Geburtstagskinds sind der aufgeklärte Melchior, der verklemmte Moritz, die weltoffene Ilse und die völlig überdrehte Martha.

Martha will was von Moritz. Der aber will Ilse. Wendla fühlt sich zu Melchior hingezogen, gefährdet zunächst aber die Freundschaft durch den Wunsch, von ihm geschlagen zu werden. Letztlich haben Wendla und Melchior Sex, der nicht ohne Folgen bleibt. „Schuld“ daran ist Mutter Bergmann, die auf die einfache Frage Wendlas, woher die Babys kommen, keine vernünftige Antwort gibt, und am Ende auch noch versucht Wendla dazu zu überreden, das Kind abtreiben zu lassen. Im Original stirbt Wendla bei einer „Engelmacherin“, hier bleibt sie am Leben. Doch wie im Original will auch hier Melchior die Verantwortung für sein Handeln nicht übernehmen.

Tragisch ist der Charakter des Moritz, der versetzungsgefährdet nächtelang lernt - um seine Eltern nicht zu enttäuschen. Doch seinem Freund Melchior erzählt er, dass er eigentlich an nichts anderes denken kann, als an Sex. Als Moritz dann auch noch zufällig erfährt, dass seine Versetzung gefährdet ist und Plan B - eineFlucht nach Amerika - scheitert, beschließt er, seinem Leben ein Ende zu setzen. Selbst Ilse kann ihn nicht retten.

Erst am Grab des Freundes entdeckt Melchior, dem Moritz noch einmal als Untoter erscheint, dass jeder Mensch für sein Handeln selbst verantwortlich und das Leben lebenswert ist.

Autor:

Karin Dubbert aus Oberhausen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

15 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.