Wildmeerschweinchen
Wildmeerschweinchen sind "keine" Haustiere

Wildmeerschweinchen: ©Benno Talhoff
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Das „Brasilianische“ Wildmeerschweinchen (Cavia aperea), von Einheimischen einfach Cavia genannt, ist eine kleine Nagetierart, die grundlegend Südamerika ihre Heimat nennt. Sie leben und verbreiten sich in den Ländern Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay. Die 16 verschiedene Arten umfassende Gattung der Wildmeerschweinchen (Cavia aperea) bewohnt verschiedenste Gebiete, die sich hauptsächlich in grasbewachsenen Gebieten mit dichtem Buschwerk, aber auch entlang von Straßen und auf Feldern befinden. In den meisten Fällen liegen diese Gebiete in unmittelbarer Nähe von Wasserstellen. Ihre Hauptnahrung besteht aus Gräsern, Kräutern, Wurzeln und Früchten. Sie lassen sich gerne in weit verzweigten, ausgetretenen Tunnelsystemen der Sträucher nieder, und dieses in einem kleinen lockeren Familienverband, der häufig nur aus einer Mutter mit ihrem Nachwuchs besteht. Die Väter, die meist mehrere Weibchen aktiv gegen Rivalen verteidigen, sind nur selten bei den Müttern zu beobachten. Aber auch Weibchen haben oft die Eigenschaft, andere Tiere in ihrem Herrschaftsgebiet nicht zu dulden. Aus diesem Grund ist es ein Riesenirrtum, dass man glaubt, wenn man Wildmeerschweinchen lange genug in einem Käfig hält, werden sie mit der Zeit zu Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus). Die Wildmeerschweinchen sind wesentlich aggressiver als unsere Hausmeerschweinchen, und deshalb beißen sich männliche Tiere im schlimmsten Fall sogar gegenseitig tot. Die Biologin Dr. Anja Günther, die seit 13 Jahren wissenschaftlich mit den Wildmeerschweinchen arbeitet, hält die Haltung von diesen Tieren in einem Privathaushalt für  "völlig"  ungeeignet. Es sind nun mal Wildtiere, die  "nicht  zahm"  werden, egal wie viel Mühe man sich gibt. Auftretende Bewegungen, z.B. von Menschen, führen dazu, dass sie für Minuten erstarren. Außerdem sind sie, im Gegensatz zu Hausmeerschweinchen, hauptsächlich in der Dämmerung oder sogar nur nachts aktiv. Diese Verhaltensweise sichert den Tieren in ihrer natürlichen Umgebung das Überleben. Auch nach Generationen in menschlicher Haltung legen sie diesen Eigenschutz nicht ab. Weiterhin brauchen Wildmeerschweinchen enorm viel Platz, den sie in ihrer natürlichen Umgebung im Überfluss haben. Sie leben mit ihrer Gruppe regelmäßig auf mehreren 100m2, und sind es gewohnt, zum eigenen Schutz, immer in Bewegung zu bleiben, dadurch halten sie sich auch gleichzeitig gesund. Von Menschenhand hergerichtete Behausungen, Unterkünfte oder gar Volieren bergen für diese Tiere sehr oft eine beträchtliche Verletzungsgefahr. Will man die Wildmeerschweinchen einfangen, oder sie erschrecken sich plötzlich, springen sie bis zu 70 cm hoch oder rennen hackend schlagend gegen Wände der Behausung. Dabei können sie sich entweder erheblich verletzen, oder im schlimmsten Fall sogar das Genick brechen. Weiterhin haben Wildmeerschweinchen eine geringere soziale Toleranz (=brauchen ihren Freiraum?) und mögen keine großen Gruppen. Ausgewachsene Männchen zeigen deutliches Territorialverhalten und dadurch werden andere Männchen aggressiv vertrieben, oder sogar getötet. Aber auch die Weibchen sind untereinander oft aggressiv. Lange war man der Meinung, dass unsere Hausmeerschweinchen vom Brasilianischen Wildmeerschweinchen abstammen, aber Wissenschaftler*innen haben mittlerweile durch Studien bewiesen, dass das Hausmeerschweinchen von anderen Arten abstammen muss. Es sind friedliche Tiere, die in einer großen Gruppe zusammen leben, fressen, spielen und herumtollen können. Dass unsere Hausmeerschweinchen so sozial tolerant sind, liegt ausschließlich an der Jahrtausende langen, allmählichen Umwandlung von Wildtiere in Haustiere (Domestikation), also der gezielten Zucht auf eben diese Wandlung durch uns Menschen. Die Hausmeerschweinchen sind die am längsten von Menschen domestizierten Tiere der Welt, und dieses sogar vor den Kühen, Pferden oder Ähnlichem. Deshalb sind unsere Hausmeerschweinchen mit den Wildmeerschweinchen eher nicht eng verwandt. Sollte es einmal passieren, dass sich Wildmeerschweinchen mit Hausmeerschweinchen verpaaren, was durchaus funktioniert, aber dann für Tier und Mensch zu vielen Problemen führt. Denn die sogenannten Mischlinge (Hybride) sind häufig absolut aggressiv, können sich oft nicht weiter fortpflanzen, und erleiden permanent verschiedenste gesundheitliche Probleme, und das schon im frühen Alter. Der Grund liegt darin, dass die genetischen „Blaupausen“ (Bezeichnung für die Gesamtheit aller Erbinformationen, aus denen ein Organismus sich entwickelt) ihrer beiden Elternteile ungenügend miteinander harmonieren, sodass sie teilweise sogar gegeneinander arbeiten.

Autor: ©Benno Talhoff, Oberhausen 2023
Wissenschaftliche Mitwirkung: Dr. Anja Günther, Biologin, Max Planck Institut, Plön 2023
Anregung: Christina Budzynski, Notmeeris Ruhrgebiet e.V., Oberhausen 2023

Autor:

Benno Talhoff aus Oberhausen

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