Gewalt gegen Frauen

Ich schreibe diese Zeilen am Tag der Gewalt gegen Frauen. Dieser Tag soll auf dieses Thema aufmerksam machen. Nur findet jeden Tag Gewalt gegen Frauen statt, daher schreibe ich diese Zeilen für jeden Tag. Bis dass ein Mann eine Frau schlägt, was in Deutschland statistisch alle 45 Minuten geschieht, sind schon viele Prozesse voran gegangen. Gewalt gegen Frauen entwickelt sich. Herabwürdigung, Entmenschlichung, Kontrolle, Stalking, Schläge, Mord.

Durch meine Artikel zum Thema Feminismus habe ich erkannt, dass Gewalt gegen Frauen durchaus Strukturen aufweist.

Wo beginnt diese Gewalt?

Steckt die Aggression in den Genen? Wird die Gewalt in der Familie erlernt? Die Ursachen scheinen vielfältig. Aber was macht die Gesellschaft? Noch immer gelten Blondinenwitze als Humor. Auch über Bodyshaming wird gelacht. Die Erniedrigung der Frau sorgt noch immer für eine gesellschaftliche Norm, im Humor vereint.

Ich wagte mich mal, gegen diesen Humor vorzugehen und machte keine guten Erfahrungen. Diese Erfahrungen zeigten mir in meiner Entwicklung eine Notwendigkeit: Ich bin eine Feministin geworden. Zuvor hatte ich, wie viele meiner Leidensgenossinnen, die Meinung: „Ich habe bisher noch nichts mit Sexismus zu tun gehabt.“ Aber dann kam dieser Shitstorm auf Facebook. Und der ebnete mir den Weg, mich immer mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Was sich daraus entwickelte, ist eine klassische Veranschaulichung, wie verbale Gewalt und Gruppendynamik entsteht. Es ging um einen Limerick bei Facebook:

Shitstorm ist auch Gewalt:

„Ein Bischofsohn auf Teneriffa
fuhr voll ab auf Claudia Schiffer.
Doch die sprach nur barsch:
‚Geh leck mich am Arsch!‘
Nun treibt es ein anderer with her“

Es gefällt mir gar nicht, diese Zeilen hier wieder zu veröffentlichen. Aber will man Sexismus bekämpfen, muss man auch auf ihn hinweisen.

Und schon ging er los, dieser Shitstorm. Aber ich lernte. Drei Tage lang war ich ein Thema. Beleidigungen, Erniedrigungen, Hass, etc.

„Um es in Zahlen, Daten und Fakten auszuformulieren:
Am Ende des Shitstorms hatte mein Drucker 16 DIN A 4-Seiten auszudrucken. Teilnehmer waren an der Zahl 26. Von diesen 26 Personen waren 14 männlich und 12 weiblich.
Die Anzahl der Kommentare, die ich verfasst habe, waren 12. Die Anzahl der Kommentare der Erzürnten waren 82.
An der Kommentarmenge ist schon zu erkennen, dass hier eine Dynamik am Werk war, die man erst mal begreifen muss.“

(Quelle: Sexistischer Shitstorm Teil I

Humor kann auch Gewalt sein:

Ich wurde neugierig und schaute, was die Profile über diese Gruppe aussagten. Ich versuchte, diesem ganzen Durcheinander eine Struktur zu geben. Sexismus wird oft als Humor dargestellt. Was lustig ist, kann doch nicht schlimm sein. Man ist im Lachen vereint. Aber so funktioniert das nicht. Humor kann auch zu Lasten anderer geschehen und bildet eine allgemeine Haltung gegenüber Menschengruppen. Und das Schlimme sind diese Gruppenbildungen, diese Bestätigungsmeinungen. Wer widerspricht, stört diese Vereinigung. Und das war mein Schicksal.

‚Herrgottnochmal, das sollte höherer Blödsinn sein!‘

So sah der Verfasser des Limericks seine Qualität. 

"Höherer Blödsinn, indem man eine Situation beschreibt, in der eine Frau von einem Mann genommen wird. Klaus will gebildet wirken und gibt seine Studiengänge bei Facebook preis. Das ist auch in Ordnung. Sein höherer Blödsinn jedoch findet zu Lasten des weiblichen Geschlechts statt und soll intellektuell wirken. Wenn dies der Maßstab ist, erklärt sich auch, wieso weitere Männer dieses Niveau aufgreifen und dynamisieren.“

(Quelle: Sexistischer Shitstorm Teil II

Frauen dürfen nichts sagen

Was ich in diesem Shitstorm auch für weitere Auseinandersetzungen lernen musste: Frauen haben nichts zu melden. Sie dürfen sich nicht für Frauenrechte einsetzen. Ausgeblendet wird jedoch, dass es um eine Haltung gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geht. Das hat die Qualität von: „Juden dürfen sich nicht gegen Antisemitismus einsetzen“ oder „Homosexuelle haben die Klappe gegen Homophobe zu halten.“

Nur eines der vielen Beispiele: 

„Ach so, eine Studie über genau die Frauen die Klaus gezwungen hat ihn zu abonnieren, mitzulesen und die sich dann bei diesem bösen, bösen Mann nicht zu äußern trauen (die meisten werden ihn wohl nur virtuell kennen und sich daher hoffentlich wenig von ihm bedroht fühlen).

Ich bleibe dabei, ganz ohne Studie für alle Männer zu sprechen: Sie erklären ihre Geschlechtsgenossinnen für unfähig. Und wenn das nicht arrogant und sexistisch ist, wenn man Frauen die Fähigkeit anspricht eine eigene Meinung zu artikulieren - was dann? "Wer ist jetzt peinlich?". Immer noch Sie. Warum fragen Sie?“

Ganz klassisch. Es scheint unangenehm zu sein, wenn Mann für Männer spricht und erkennt, dass Frau dies für Frauen ebenfalls kann. Nur gibt es keine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen Männer, es sei denn, man ist homosexuell. Und ich setze mich für Frauenrechte ein. Es fühlt sich halt nicht so prima an, wenn man ertappt wird. Diese Meinungen kommen immer wieder in derartigen Diskussionen vor.

(Quelle: Sexistischer Shitstorm Teil III

Die Rolle der Frauen

Was mich in diesem Shitstorm wunderte war, wie Frauen reagierten. Es ist ja immer wieder ein Thema, dass Männer zusammenhalten und Frauen sich zerstreiten. So ganz falsch ist es nicht. Aber auch hier gibt es Gründe. Männer haben schon gesellschaftlich mehr Möglichkeiten, sich in Gruppen zu finden: Der Schützenverein, der Karnevalsverein, Burschenschaften, Fußball. Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen auch Entwicklungen dahin, Frauen in „Männerwelten“ zu integrieren. Männer haben den Männergriff, kumpelhafte Gesten, Altherrenwitze und Männerlachen. Sie geben (unbewusst) Signale der Zusammengehörigkeit. Das haben Frauen nicht so ausgeprägt.

Daher gibt es klassisches Männerverhalten und Verbindungen. An der Uni lernt man Verbindungen kennen, die einem im Job helfen. Männer helfen Männern. Frauen sind oftmals gar nicht in der Position, Frauen bei einer Karriere zu helfen. Die patriarchischen Strukturen hemmen das Fortkommen der Frau. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, sich von Männer- und Frauenghettos zu befreien und Gemeinsamkeiten zu leben. Dennoch schaute ich mir an, was die Frauen in dem Shitstorm zu sagen hatten:

„Was in diesem Shitstorm mit den Frauen passiert ist, ist eben genau diese Zelle des Frauenghettos. Sie ordnen sich der Männerdominanz unter, bilden einen Scheinschutzraum, um dort zu zeigen, dass die, die das Thema kritisch sieht, nicht zu ihnen gehört. Denn die, die das Thema kritisch sieht, bekommt ja schon eine ganze Menge Beleidigungen ab. Das will man nicht auch noch selbst erleben.“

(Quelle: Sexistischer Shitstorm Teil IV

Ein Hotel nur für Frauen

Als ich durch den WDR darüber informiert wurde, es gibt ein Hotel nur für Frauen, wurde ich neugierig. Es stellte sich heraus, dass dieses Hotel von zwei Männern geführt wird. Sehr typisch in unserer Gesellschaft ist noch immer der Blick auf den starken Helden, der sich schützend vor die Frau stellt, weil Seinesgleichen nicht die Griffel bei sich behalten kann. Wir Frauen brauchen keine Helden. Wir brauchen sichere Wege und Aufenthalte auch MIT Männern aber ohne Gewalt und Übergriffigkeiten.

Vieles braucht Übung. Einem Mann zu sagen, er soll verschwinden, wenn Frau ihre Ruhe haben will, wäre schon mal ein Anfang. Ein beherztes Personal, welches aufdringlichen Männern Hausverbot erteilt, wäre ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Nicht jeder Mann ist gleich gewalttätig, muss aber lernen, nicht der beste Hirsch auf dem Platz zu sein. Es gibt viele harmlose Situationen, in denen Frauen einfach nur genervt sind von der Aufdringlichkeit mancher Männer. Aber dafür gleich ein Hotel zu errichten, damit Frau sich wohlfühlt, geht zu weit. Die Angst der Frau als Wirtschaftsmodell zu etablieren, scheint wieder typisch männlich. Mit Angst macht man Geld.

Natürlich haben wir Probleme, wenn Frauen auf dem Nachhauseweg vergewaltigt, belästigt und überfallen werden. Da nützt jedoch kein Hotel für Frauen was. Wir brauchen Gesetze, damit diese Männer auch anständig bestraft und/oder therapiert werden.
Wie wäre es ein Hotel zu schaffen, indem einfach vom Hausrecht Gebrauch gemacht wird, benimmt sich jemand daneben. Und es wäre auch hilfreich, wenn Frauen sich klar und deutlich gegen Aufdringlichkeit zu wehren lernen.

„Ein Konzept darauf aufzubauen, Frauen zu beschützen, ist in Anbetracht dieser gesellschaftlichen Struktur bestenfalls geschmacklos. Da braucht es Aufklärung und politische Einflussnahme, um mehr Rechte für Frauen zu schaffen. Aber ihnen einen Raum zu geben, wo sie mal durchschnaufen können, weil sie von anderen Männern belästigt, geschlagen oder verfolgt werden, ist ein Konzept das einen bitteren Beigeschmack hat.“

(Quelle: Ein Hotel nur für Frauen – Echt jetzt?!

Frauen sind nur Besitz und Sachen

Mittlerweile hat mich das Wissen wollen und Lernen über den Feminismus gepackt. Nach dem sexistischen Shitstorm war mir klar: Doch, Sexismus passiert mir auch. Je mehr ich mich informierte und je tiefer ich in mein Leben zurückblickte, wurde mir vieles klarer. Wieso ich als Fachkraft wegen Überqualifizierung aus einem patriarchisch geführten Verlag entlassen wurde. Wieso es sich ekelhaft anfühlt, auf den Schoß eines Mannes bei Feierlichkeiten gezogen zu werden. Dieses ständige Einfordern von Küsschen. Dieses „Arm um einen legen“, obwohl man sich nicht kennt. Diese schnelle Körperlichkeit, weil ein Platzhirsch sich präsentieren will. Ja, mir wurde bewusst, dass ich mich in meinem Leben schon oft angeekelt fühlte. Aber da dies alles gesellschaftliche Norm zu sein scheint und Frau es als üblich empfindet, habe ich nichts gesagt. Wie viele andere Frauen auch.

Mittlerweile haben wir die MeToo-Bewegung auch in unserem Land. Frauen reden offener. Und siehe da, Frau entdeckt, dass sie mit ihren Erfahrungen gar nicht alleine dasteht. Einige Dokumentationen halfen mir, Feminismus zu verstehen.

Umso entsetzter war ich dann zu erfahren, dass Frauen per Gesetz in Deutschland als Besitz und Sache gesehen werden, wenn sie einen Mann verlassen und dann von ihm getötet werden. Auch Männer machen Gesetze. Männer sind Richter. Patriarchische Strukturen, wo über Frauen entschieden wird. Das klingt nicht gut. Entwickelte sich zunächst mein Lernen über Feminismus zu einem guten Selbstbewusstsein, so machen mir diese Informationen Angst. In einem anderen Fall über Catcalling haben Richter ebenfalls herabwürdigend über Frauen geurteilt. Den Bericht habe ich noch nicht geschrieben.

Aber auch das ist ein Thema, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht: Die patriarchische Struktur in unserer Demokratie: Die Legislative, die Judikative und die Exekutive.

„Indem eine Frau einen (oftmals vorher gewalttätigen) Mann verlässt, darf sich dieser als beraubt fühlen. Also einer Sache entwendet. Eine Sache, die ihm mal gehörte. Diese Ausführung des Urteils zeigt ganz klar, welch patriarchische Strukturen auch bei Gericht vorherrschen mögen.
Wir leben im 21. Jahrhundert und die Frau wird per Gesetz noch immer als Besitz des Mannes gesehen.“

(Quelle: Tote Frauen sind nur Besitz und Sachen

Sexistische Werbung

Die Herabwürdigung der Frau findet nach wie vor in unserer Werbung statt. Aber vieles hat sich auch gebessert. Es gibt Unternehmen, die eine Diversität zeigen. Es hat sich wirklich was getan. Aber leider noch nicht überall. Ein sich halbnackt räkelnder Frauenkörper muss sich nicht auf Laminat legen, um für diesen zu werben. Ebenso muss auch nicht ein nackter Frauenpo bedruckt werden, um für eine Druckerei zu werben. (Quelle: Deutsche-Handwerks-Zeitung

Aber es sind nicht nur Bilder, sondern auch Worte, die sogar gefährlich werden können. So hat ein lokaler Metzger, ein Kleingewerbe, mit folgendem Spruch geworben:

"Ihre Frau kann nicht kochen⁉️"
"Kein Problem❗️
Kaufen Sie unsere küchenfertigen Produkte und behalten Sie Ihre Frau als Hobby❗️"

Und der Anhang fand es wieder lustig. Kommentare bestätigten diesen Metzger. Er gibt mit seiner Werbung den Männern eine Legitimation, ihre Frauen als Sache zu sehen und sie somit auch entsprechend behandeln zu dürfen. Es wird wieder deutlich, wie Humor als Stilmittel eingesetzt wird, um Frauen herabzuwürdigen. Ja, und auch Frauen finden diesen Spruch lustig. Frauen, die sich bei einer Trennung als Sache und Besitz sehen dürfen. Also genau so, wie dieser Metzger sie darstellt. Sie lachen über ihre eigene Entmenschlichung. Das muss Kommuniziert werden.

Eine Frau reagiert wie folgt:

"Find schon witzig, dass einige meinen, für alle Frauen zu sprechen! Wenn Frau was nicht passt, kann sie selber reden! Alles, als sexistisch zu bezeichnen - mittlerweile lächerlich!"

Vielleicht wird allmählich deutlich, dass sich die Strukturen wiederholen. Herabwürdigung wird als Humor getarnt. Frauen opportunieren mit Sexisten. Frauen dürfen sich nicht über Frauenrechte äußern.

(Quelle: Fleischer sieht Frauen als Besitz und Hobby

Ausblick

Aus Zitronen Limonade machen, das ist der richtige Spruch, um meine Entwicklung zu veranschaulichen. Durch diese unsägliche Beleidigung, drei Tage lang, 16-DinA4-Seiten voll, habe ich viel gelernt. Und so begann mein Weg, Zusammenhänge und Strukturen im Sexismus zu erkennen. Tatsächlich kann ich mich auch besser zur Wehr setzen. Da sich viele dumme Kommentare wiederholen, hat man schon ein gutes Rüstzeug. Und wenn man auch versteht, was der andere gerade macht, hat man so Begriffe wie „Mansplaining“, „Bodyshaming“ oder „Catcalling“ parat. Man lernt, die Situation besser einzuordnen.

Ich möchte jeden ermutigen, sich mit dem Thema Feminismus und eben auch Sexismus auseinanderzusetzen. Es muss einen Grund haben, wieso so heftig reagiert wird, wenn man alte Strukturen aufbricht und benennt. Besonders Männer fühlen sich manchmal entmannt, schreibt man ein -Innen oder macht ein *innen. Frauen sollen nicht sichtbar werden. Das ist doch alles Männersache. Und auch manch eine Frauen tut sich damit schwer, Veränderungen herbeizuführen. Das alte Rollenbild ist doch bequem. Frau weiß Bescheid, wo ihr Platz ist. Was ändern heißt Anstrengung. Und die Zeiten sind schon anstrengend genug.

Aber sind es nicht auch gerade DIESE Zeiten, die uns Frauen zeigen, dass der Mann oftmals noch immer der Versorger ist? Ist es nicht die Coronazeit gewesen, die Müttern zeigte, dass es schwierig ist, einem Beruf zu folgen, wenn die Kita ständig schließen muss? Ist es nicht gerade diese Zeit, die Frauen zeigt, dass man nicht jeden Tag Gewalt ausgesetzt sein will? Denn die Wut und Aggression ist gesamtgesellschaftlich zu spüren. Der Druck steigt und wird entladen.

Es ist immer die richtige Zeit, sich für Freiheit, Gleichberechtigung und Respekt auf die Beine zu stellen. Und wie die Beine aussehen, ist völlig schnuppe. Es dürfen gerne auch ein paar Männerbeine dabei sein. Und das sind sie auch. Ich habe sie schon „Frau, Leben, Freiheit“-Demos gesehen.

HINWEIS: Gewalt gegen Frauen – Frauenhilfetelefon

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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