Warum es dringend Friedenserziehung braucht:
IMMER MEHR MOBBYING UND GEWALT AN SCHULEN

Am 20. April 1999 ging eine Nachricht wie ein Lauffeuer um die geschockte Welt: "Der Amoklauf an der Columbine High School", auch als Schulmassaker von Littleton bekannt. An der Columbine High School in Columbine, einem nahe Littleton gelegenen Vorort von Denver im US-Bundesstaat Colorado, erschossen zwei Abschlussklässler innerhalb einer Stunde zwölf Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren, einen Lehrer und sich selbst. …Seit dem Amoklauf hat es bis heute weitere heftige Eskalationen von Gewalt an Schulen gegeben. Dabei müssen wir nicht weit entfernt in den USA suchen, sondern auch an Schulen in Deutschland gibt es immer häufiger zunehmende Gewalt. Laut einer neuen FORSA-Umfrage unter Schulleiterinnen und Schulleitern ist besonders NRW davon betroffen. 

Die Täter in Colombine – der 18-jährige Eric Harris und der 17-jährige Dylan Klebold – hatten den Massenmord monatelang vorbereitet und nicht als Amoklauf, sondern als Bombenanschlag auf ihre Schule geplant, bei dem mehrere hundert Menschen sterben sollten. Anschließend kam heraus, dass infolge eines technischen Fehlers, die von ihnen zu diesem Zweck in der Schulcafeteria platzierten Bomben jedoch nicht explodierten. Mit einem geänderten Plan begannen die Beiden dann auf ihre Mitschüler zu schießen. Dabei konnten ihre Motive nicht komplett aufgeklärt werden. Das Thema war zu der damaligen Zeit nicht einmal unbekannt... oder neu.

Im Anschluss an eine umfangreiche Studie zum Thema „Gewalt an der Schule“ entwickelte der norwegische Psychologe Dan Olweus  bereits Ende der 80er Jahre ein inzwischen international bekanntes, schulumfassendes Interventionsprogramm zur Minderung aggressiven Verhaltens. Es handelt sich - trotz der wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe - bei diesem speziellen Programm um eines der Wenigen, deren Wirkung wirklich gründlich überprüft wurde. Die Interventionsmaßnahmen erfolgen dabei auf drei Ebenen: Schule, Klasse und Individuum. Im Gegensatz zu vielen anderen Programmen setzt sich „Olweus“ nicht nur mit den ‘Tätern‘ auseinander, sondern analysiert detailliert die Interaktion zwischen Gewalttätern und – opfern, sowie den Einfluss der Lehrer und Eltern. Jedoch ist diese Arbeit auch schon wieder fast 30 Jahre her…  

Nach dem Vorbild des seit Jahren international anerkannten Olweus-Programms setzt sich auch die Polizei bundesweit an Schulen gegen das gezielte und systematische Schikanieren physisch und psychisch schwächerer Schüler ein. Das Mehr-Ebenen Programm setzt dabei vorwiegend am Schul- und Klassen-Klima an und bezieht alle Beteiligten eines Gewaltkonflikts ein. Dennoch nehmen die Gewalttaten an Schulen weiterhin stark zu, was bei mir Zweifel an diesem Olweus-Programm und seiner Wirksamkeit aufkommen lässt, wobei es als Grundlage für Gewaltprävention sicherlich taugt. Vielleicht ist es Zeit, diese Idee weiterzuentwickeln, scheint es mir. Dabei möchte ich einige Fragen diskutieren, damit wir uns gemeinsam diesem Thema "Gewalt an Schulen" annähern können, bevor ich mein Konzept der Friedenserziehung anschließend vorstelle.

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I. Was ist Mobbing eigentlich?

Nach Dan Olweus und seinem Programm von 1994 gibt es drei Schlüsselkriterien für Mobbing.

Dass ...

  1. jemand von einer oder mehreren Personen feindselig + aggressiv behandelt wird,
  2. dieses Verhalten wiederholt und über einen längeren Zeitraum geschieht,
  3. ein Ungleichgewicht der Kräfte vorliegt, wodurch Betroffene sich nicht erfolgreich wehren können (z. B. weil die Täter in der Überzahl oder älter + beliebter sind).

Man unterscheidet bei dem Olweus-Programm außerdem verschiedene Arten von Mobbing:

  1. Offenes, direktes Mobbing (körperlich, verbal oder Sachbeschädigung)
  2. Verstecktes, indirektes Mobbing (sozial)
  3. Cybermobbing, d. h. Mobbing das online stattfindet

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II. Wie häufig ist Mobbing?

Mobbing ist ein weit verbreitetes Phänomen, das international in allen sozialen Schichten und allen Schulformen und -größen auftritt. In einer großen repräsentativen Studie der WHO (Health Behavior of School Aged Children, HBSC) wurden beispielsweise noch 2017/2018 an deutschen Schulen mehr als 4.000 11-15-Jährige dazu befragt, wie oft sie in den letzten zwei bis drei Monaten gemobbt wurden bzw. selbst Andere gemobbt haben. Demnach waren 10% in der Schule von Mobbing betroffen, 5% haben in der Schule Andere gemobbt, etwa 3% waren online von Mobbing betroffen und 2% haben online Andere gemobbt. 2020 hat es neue Untersuchungen gegeben, mit deutlich gestiegenen Zahlen.

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III. Was sind die Folgen von Mobbing?

Zahlreiche Studien zeigen, dass die Folgen für Betroffene vielfältig und einschneidend sein können. Geringes Selbstwertgefühl nimmt oft noch weiter ab, die selbstberichtete Lebensqualität ist stark eingeschränkt. Viele Betroffene fühlen sich einsam oder ziehen sich noch mehr zurück. Laut einem Großteil der Studien entwickelt etwa ein Drittel psychische Folgestörungen, vor allem Depressionen, Angststörungen, Psychosomatische Probleme (wie Schlafstörungen, Kopf- oder Bauchschmerzen), Selbstverletzung und Suizidalität. Sehr häufig kommen bei den Opfern schulvermeidendes Verhalten und schulische Leistungsprobleme hinzu. Die PISA-Studie hat sogar schon im Jahr 2015 gezeigt, dass an Schulen mit hohen Mobbingraten das Lernklima für alle negativ beeinträchtigt ist und insgesamt schlechtere akademische Leistungen erzielt werden. Es wird dabei nicht überraschen, dass auch Lehrkräfte sich durch das Thema oftmals überlastet fühlen, da ihnen zumeist Strategien im Umgang mit der Problematik fehlen. Akute Mobbingfälle stellen außerdem eine hohe zeitliche Belastung dar, der oftmals ineffektive Umgang mit der Thematik führt zu Frustration und Belastung der Lehrergesundheit. Die Jahre mit COVID und den Auswirkungen des steigenden Lehrermangels haben nicht zur Besserung dieser Situation beigetragen. Daher ist die neuerliche Umfrage von FORSA in ihrem Ergebnis eher logisch, als überraschend. 

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IV. Keine Chance mehr für „Bullies“ mit Olweus?

Unter dem Motto „Keine Chance mehr für Bullies“ wirbt u.a. auch die Polizei bundesweit für das an Schulen erprobte „Anti-Bullying-Programm“ zur Gewaltprävention. Unter dem sogenannten „Bullying“ versteht man gezielte, systematische und wiederholte Schikanen physisch und psychisch stärkerer Schüler gegenüber Schwächeren: Die Täter, die „Bullies“, isolieren und attackieren bei diesem Gruppenphänomen einen oder ein paar wenige hilflose Schüler aus dem Klassenverband. Von verbalen Attacken und Demütigungen, Hänseleien bis hin zu immer wiederkehrenden körperlichen Angriffen reicht das Instrumentarium der Quälereien, dessen sich die „Bullies“ bedienen. Genau gegen diese Aggressionen wurde das Bullying-Präventions-Programm im norwegischen Bergen unter Leitung von Professor Dan Olweus entwickelt. Anlass war der Selbstmord von drei norwegischen Jungen nach anhaltendem und grobem Bullying durch Gleichaltrige.

Das international anerkannte Olweus-Programm setzt vorwiegend am Schul- und Klassenklima an und basiert auf folgenden Prinzipien:

  1. Warmherzigkeit, Interesse und Engagement der Erwachsenen
  2. klare Grenzen für inakzeptables Schülerverhalten
  3. konsequente, aber nicht feindselige Reaktionen bei Regelverletzungen
  4. ein gewisses Maß an Beobachtung und Kontrolle und Erwachsene, die auch als Autoritäten handeln.

Die einzelnen Maßnahmen des Programms betreffen:

  1. die Schulebene (z. B. eine verbesserte Pausenaufsicht, Lehrerfortbildung, Besprechung von Verhaltensregeln und Maßnahmen zwischen Lehrern und Eltern)
  2. die Klassenebene (z. B. Regeln gegen störendes und aggressives Verhalten, Streitschlichtung, Rollenspiele zum sozialen Problemlösen, kooperative Lernformen) und
  3. die Ebene des einzelnen Schülers (z. B. ernsthafte Gespräche mit aggressiven Schülern und ihren Eltern, gezielte Unterstützung von Opfern, schulpsychologische Maßnahmen). 

Dieser Ansatz umfasst alle Beteiligten des Gewaltkonflikts vom Lehr- und Schulpersonal über die Eltern, Täter und Opfer bis hin zu den Mitschülern. Dabei ist entscheidend, so früh als möglich zu intervenieren und bereits die sich anbahnende Gewalt einzudämmen. 

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V. Entwicklung und Ursachen von Jugendgewalt

Die Ursachen, warum Jugendliche gewalttätig werden, lassen sich insgesamt über verschiedenste Faktoren ausmachen. Dabei kommen diese Faktoren manchmal in einer ungünstigen Konstellation zusammen, wenn z.B. zuhause in der Familie Gewalt als Mittel der Konfliktlösung erlebt werden. Dazu kommen im digitalen Zeitalter noch die starke Gewöhnung an Aggression und Brutalität durch den längerfristigen Konsum entsprechender Medien. Manchmal können es aber auch Anpassungsschwierigkeiten sein, beispielsweise infolge der Herkunft aus einem Kriegsgebiet - oder die Eltern haben sich einen hässlichen Trennungskampf auf dem Rücken der Kinder geliefert. 

Die Erscheinungsformen sind dabei ebenso vielfältig wie die Ursachen für die verübte Gewalt. Die Bandbreite der Gewalttaten reichen von verbaler Aggression, fortgesetzter Bedrohung, versuchter Nötigung, unterschiedlich schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung. Laut aktueller Statistiken sind auch häufiger Raubdelikte und Erpressung in diesem „Potpourri“. Immer mehr werden nun auch Eltern, Passanten oder Lehrer, Opfer von Gewalt jugendlicher Täter. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Beschwerde der SchulleiterInnen ernster genommen wird, als vorige Beschwerden den Tätern gleichaltriger Opfer. 

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VI. Jugendliche brauchen Vorbilder

Eine wirksame Bekämpfung der Gewaltkriminalität bei Jugendlichen gehört zu den wichtigsten Herausforderungen unserer Demokratie. Auf der Suche nach Lebensinhalten und Vorbildern brauchen Jugendliche Halt und Orientierung. Eine zentrale Schlüsselrolle der Gewaltprävention fällt dabei der Familie zu. Hier sollten die Grundlagen für ein gutes Sozialverhalten gelegt und beispielsweise gewaltfreie Konfliktlösungen gelernt und Selbstwertgefühl entwickelt werden.

Als Familienvater kann ich gut beurteilen, wie wichtig die Familie als kleinste gesellschaftliche Einheit ist. Doch als jemand, der im Bereich der Erziehungsberatung und als Verfahrensbeistand arbeitet, kenne ich die Realität: die kleinste gesellschaftliche Einheit ist täglich in ihrer Existenz bedroht und verliert in unserer Gesellschaft immer mehr die Grundlage. Auch deshalb habe ich die "Friedenserziehung" entwickelt. 

Die Polizei bietet im Rahmen der Gewaltprävention ein Medienpaket mit dem Titel „Abseits?!“ für die Arbeit mit Schülern ab neun Jahren an. Es beinhaltet eine DVD mit sechs Filmsequenzen zu den Themen... Verbale Aggression, Mobbing, Körperliche Aggression, Sachbeschädigung / Graffiti, Erpressung / Abzocken und Handygewalt. Diese DVDs sind gut gemacht und ich selbst habe diese Clips auch schon im Schulalltag mit entsprechenden Schulklassen eingesetzt. Doch diese DVDs können nur ein kleiner Teil eines Katalogs an Medien und Schritten sein, den Kindern und Jugendlichen beim Umgang mit Gewalt zur Seite zu stehen. Mittlerweile sind diese Clips nicht mehr zeitgemäß, bemerken die Kinder selbst. Außerdem kann Gewalt nicht alleine theoretisch "geklärt" werden. Sonst könnte jeder Erwachsene im Streit auch mit Argumenten und Sachverhaltsdarstellungen auskommen. Alleine die Kriege in der Welt, zeigen den Kindern die Wahrheit der Erwachsenen, was das Thema Streitkultur angeht. Ich gehe dafür mit den Kindern auch "auf die Matte".

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VII. Jugendliche müssen Streiten lernen

Eine Diskussion ist ein offenes Gespräch. Grundlage für ein solches offenes Gespräch ist die Unbefangenheit gegenüber Thema und Gesprächspartner. Diese Unbefangenheit möchte ich in meinen Kursen der Friedenserziehung und weiteren Schulprojekten, mit Hilfe von Rollenspielen vermitteln. Nachdem der körperliche Teil "auf der Matte" dazu geführt hatte, dass die Kursteilnehmer sich der Bewusstwerdung mit Freude nun geöffnet haben, kann die Theorie altersgerecht vermittelt werden. Im nächsten Schritt lernen also die Schülerinnen und Schüler, dass eine Diskussion nicht zum Ziel hat, den jeweils anderen von der eigenen Meinung zu überzeugen.

Hier liegt leider oft der Auslöser zum Streit - der Weg zur Wut ist damit nicht weit. Mangelnde Überzeugungskraft im Sinne von Argumentation kann zur Handgreiflichkeit gipfeln. Die Worte sind zu Ende - dann verliert einer die Kontrolle und schlägt womöglich zu. Spielerisch aber mittels Vortrag wird in unseren Kursen erklärt, dass die Diskussion viele Aspekte eines Themas aufzeigen kann - aber kein Gesprächsergebnis zwingend erforderlich ist.

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VIII. Die fünf Axiome

Der bekannte Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick und seine Kollegen Janet H. Beavin und Don D. Jackson haben fünf sogenannte Axiome, also 5 Grundsätze der Kommunikation formuliert. Man wollte damit anschaulich zeigen, wie eng unsere sprachliche Kommunikation mit Beziehungen und Emotionen verbunden ist. Das macht dieses Modell wichtig für „Kampfkunst und Gewaltprävention“, was den Part der Gesprächsführung betrifft, um eine Eskalation von Streit zu verhindern.

Im ersten Axiom steht die These im Raum, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Das klingt durch die doppelte Verneinung erst einmal unlogisch. Denn jedes Verhalten, das an den Tag gelegt wird, sendet eine Botschaft an die Umgebung. Selbst wenn ein Mensch scheinbar stur auf den Boden starrt und nicht spricht, vermittelt man eine Botschaft – und kommuniziert so mit seinen Mitmenschen. Selbst wenn man dadurch zu verstehen geben will, dass man kein Interesse hat, mit jemandem in Kontakt zu treten. Im zweiten Axiom steht die These im Raum, dass jede Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt hat, sogar derart, dass letzterer den ersteren bestimmt. Einfach formuliert: Eine Nachricht hat eine Inhalts- und immer auch eine Beziehungsseite. Watzlawick hat damit gemeint, dass wir im Kontakt mit Menschen immer Informationen übermitteln, also Inhalte.

Doch das ist noch nicht alles: In den so getätigten Äußerungen kommt auch zum Ausdruck, wie Sender und Empfänger - also die beiden Gesprächspartner - zueinander stehen. Sind sie sich offen oder herrschen tatsächlich gewisse Spannungen bereits vor? Dabei ist auch maßgeblich, wie die Informationen übermittelt werden (z. B. mit rollenden Augen, in ironischem Tonfall).
Gestik und Mimik oder auch der Tonfall geben so also dem aufmerksamen Gegenüber viele Zusatzinformationen – zum Beispiel, ob der Sender sein Pendant sympathisch findet oder nicht. Aber nicht nur der Sender, sondern auch der Empfänger ist maßgeblich am Verlauf der Kommunikation beteiligt. Denn seine Einstellungen und Gefühle arbeiten wie eine Art „Brille“, durch die der Inhalt „gesehen“ wird.

Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt, beschreibt das dritte Axiom von Watzlawick. Einfacher gesagt, beruht die Kommunikation auf einem Wechselspiel aus Aktion und Reaktion. Dabei meint die Interpunktion hier nicht Zeichensetzung (also z. B. Komma oder Punkt). Kommunikation besteht laut Watzlawick immer aus einer Ursache, dem Reiz, und ihrer Wirkung. Jemand tut etwas, das Gegenüber reagiert. Hier befindet sich das Potential für Eskalation, wenn es zu einem Hin und Her von gegenseitigen Vorwürfen wird.

Watzlawick wirft die Frage auf, ob eine Mutter mit ihrem Sohn schimpft, weil er mit den Augen rollt - oder ist es umgekehrt, dass der Sohn mit den Augen rollt, - weil seine Mutter schimpft. Beide begründen in dem vorliegenden Axiom ihr eigenes Handeln durch das Verhalten des jeweils anderen. Dabei empfindet jeder seine Version als wahr, auch wenn dies objektiv nicht der Fall sein kann. Dadurch können Konflikte entstehen, wenn man klären will, wie diese Reihenfolge ist. Idealerweise löst man sich im Wissen um das Gesprächsmodell von dieser Frage… wenn man sach-orientiert bleiben möchte.

Dabei hat Watzlawick diese Form der Auseinandersetzung auch den "Teufelskreis der Kommunikation" genannt. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, gelingt demnach nur durch eine offene, nach vorn gerichtete Kommunikation ohne Vorwürfe. Statt zu fragen, wer angefangen hat, sollte die Überlegung im Mittelpunkt stehen, was an der gegenwärtigen Situation geändert werden kann. Im vierten Axiom müssen alle Leserinnen und Leser nunmehr auf die folgenden Termini aufpassen. Watzlawick titelt das zwar „Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten“, aber es geht dabei nicht um analog und digital, wie wir das heute verstehen, also um Kommunikation per Papier oder Computer. Interpretationsspielraum zwischen Sender und Empfänger ist hier das Schlüsselwort.

Einfach formuliert ist die Kommunikation symmetrisch bei einer Gleichheit der Partner … oder komplementär bei Unterschiedlichkeit der Gesprächspartner. Bei einer symmetrischen Kommunikation befinden sich die Kommunikationspartner auf Augenhöhe. Die Kommunikation ist durch Gleichheit geprägt (z. B. Vertragsverhandlung unter Geschäftspartnern). Die komplementäre Kommunikation wird dann strukturell von Hierarchien oder Unterschieden (z. B. im Bildungsgrad oder in der beruflichen Position) bestimmt. Das heißt jedoch nicht, dass ein Sender automatisch übergeordnet und ein Empfänger untergeordnet sein muss. Sie können sich auch zeitlich in ihren Unterschieden ergänzen und zusammenarbeiten. Welches Verhältnis zwischen echten Kommu-nikationspartnern vorherrscht, muss demnach keineswegs durch deren "offiziellen" Status bestimmt sein. Das Verhältnis kann auch wechseln: Ein Chef besucht den Sportkurs, der von seiner Mitarbeiterin geleitet wird.

Wie bei der Kampfkunst, erfordert eine derart kontrollierte Kommunikation, unter Einbeziehung der o.a. fünf Axiome; in der Konsequenz stetes Lernen, die verbalen und nonverbalen Signale zu analysieren.

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IX. Aktives Zuhören

Eine Basis für so kontrollierte und analysierte Kommunikation ist dabei zuerst, tatsächlich Zuhören können z.B. Aktives Zuhören als Instrument der Gesprächsführung. Es ist in dieser Abfolge einfacher die Frage zu klären, wie Missverständnisse entstehen, wenn man derartige Techniken der Gesprächsführung anwendet.

Unter der so benannten Methode Aktives Zuhören, wird allgemein in der Kommunikationswissenschaft die eher gefühlsbetonte (affektive) Reaktion eines Gesprächspartners auf die Botschaft eines Sprechers verstanden. Der US-Amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers hat das aktive Zuhören in den 60er Jahren erstmals öffentlich als Werkzeug für die Klientenzentrierte Psychotherapie (Gesprächspsychotherapie) beschrieben. Seine eher von einem humanistischen Menschenbild geprägte Arbeit legt dabei besonderen Wert auf Begegnung: Sie schließt die emotionale Ebene, nonverbale Äußerungen und gegenseitiges prinzipielles Wohlwollen ein. Aktives Zuhören wirkt emphatisch.
Das aktive Zuhören grenzt sich auf der einen Seite von der weniger direktiven Echo-Technik ab, in der nur mechanistisch das letzte Wort des Gehörten wiederholt wird, und auf der anderen Seite von der direktiver wirkenden Paraphrase, welche den kognitiven Anteil der auf-genommenen Botschaft zurückgibt.

Oftmals wird das Aktive Zuhören sinnentstellt aber so beschrieben, als wäre es nur die Echo-Technik. Die Ziele beim Einsatz des aktiven Zuhörens sind deutlich vielschichtiger.
Auf der Ebene zwischen dem Sprecher und dem Zuhörer – insbesondere der Beziehungsebene – sollen gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und ein würdigender Umgang gefördert werden. Methodisch gelingt das gut, durch den permanenten Rollentausch der Gesprächspartner. Im rhetorischen Bereich kann das aktive Zuhören aber auch bisweilen dazu eingesetzt werden, Zeit zu gewinnen, den Gesprächspartner – im negativen Sinne – abzulenken, und damit einer gewaltfreien Kommunikation dienen. Auf die Gewaltfreie Kommunikation gehe ich später noch ein. Hier sind weitere Gründe für das Aktive Zuhören zusammengefasst:

  • Verminderung von Missverständnissen
  • Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen
  • Förderung der Empathie
  • Verbesserung von Problemlösungen
  • Einfachere Verhaltenskorrektur
  • Lernen durch Feedback.

Eine wichtige Grundlage ist also, damit ein Gespräch frei von Miss-verständnissen bleiben kann, in der Aktivität des Zuhörers begründet. Wer „aktiv zuhört“, nimmt sich die Zeit für den Anderen und schenkt damit dem Gesprächsthema verstärktes Interesse. Aufmerksamkeit ist hierbei das Schlüsselwort. Dazu sind vor Einfühlungsvermögen und Konzentration notwendig, damit diese Form des Zuhören gelingen mag. Ein Gespräch zur Konfliktlösung lässt sich mit Aktives Zuhören, mithilfe von „Paraphrasieren“ leichter steuern. Diese Gesprächstechnik geht schon auf die „alten Griechen“ zurück und basiert auf Wortteilen „para“ und „phrásis“.

In ihrer Bedeutung steht diese Variante für eine Umschreibung.

Wer paraphrasiert, wiederholt das bereits Gesagte mit eigenen Worten und Ausdrücken. Wer also „Aktiv zuhört“, nutzt diese Methode, um die Aussage auf eine sachliche Ebene zu holen. Besonders bei hitzigen Diskussionen ist diese Technik hilfreich. Sie ermöglicht es, das Gespräch in ruhigere Bahnen zu lenken. Gleichzeitig ist diese Methode praktisch, um die Kernaussage zu betonen.

„Verstehe ich das richtig, dass …“

oder

„Meinst du, dass …“

Im Gegensatz zum Umschreiben zielt das Verbalisieren damit deutlich auf die Gefühlsebene ab und schafft damit Atmosphäre. Während das Umschreiben auf die Sachebene fokussiert ist und nur die Argumente wiederholt, setzt das Verbalisieren auf die emotionale Ebene und auch damit auf jene verborgenen Signale, die ein Gespräch störanfällig machen könnten. Das kennen wir alle sprichwörtlich unter dem sogenannten „Lesen zwischen den Zeilen“.
Dabei ist dringend zu beachten:

  • Tonfall (z. B. schnippisch, leise, herrisch, gelassen …)
  • Redegeschwindigkeit (z. B. atemlos, hektisch, ruhig, zögernd …)
  • Redeweise (z. B. stottern, mit/ohne Pausen, hohe/tiefe Stimme, Wortwahl …)

Speziell beim Wiedergeben von eigenen Emotionen ist es absolut empfehlenswert, eher auf Ich-Botschaften zurückzugreifen. Diese machen dann erst wirklich auf eigene Bedürfnisse aufmerksam. Gleichzeitig lassen sich durch Ich-Botschaften die Gefühle des Gegenübers spiegeln und reflektieren.
Im Idealfall gelingt dies durch Formulierungen wie z. B.

„Ich habe das Gefühl, dass …“

               oder

„Mir erscheint es so, als ob …“

Solch ein Verbalisieren der Wahrnehmung setzt immer voraus, dass eine Richtigstellung bei Falschliegen erwünscht ist.

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X. Das Vier-Ohren-Modell

Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun beschäftigt sich Zeit seines Lebens mit dem Phänomen der Kommunikation. Er ist damit der Urheber eines wichtigen Modells zur Interaktion zwischen Menschen. Dieses Modell ist heute in der Fachwelt bekannt als das Vier-Ohren-Modell und gilt mittlerweile als absolutes Grundlagenwissen im Bereich der Kommunikationspsychologie.
Wenn wir von Watzlawick bereits akzeptieren, dass ein Mensch nun einmal nicht nicht kommunizieren kann, ist von Thun mit seinem Modell völlig logisch.

Die Beschreibung von Kommunikation ist bei von Thun die Wechsel-beziehung einer gesendeten Nachricht auf der einen Seite und einer empfangenen Botschaft auf der anderen.

Auf diesem Gebiet ist dann weiter von Belang, welche Subbotschaften in eine Nachricht verpackt werden und wie dieses bei dem Empfänger ankommt. Dabei ist auch wichtig, auf welche Weise diese „Botschaft“ von dem Empfänger interpretiert werden kann.

Dabei ist dann (über die Theorie hinaus) festzustellen, das so eine Nachricht nicht immer im selben Verständnis empfangen und gesendet werden kann. Vielmehr ist die Interpretation von den „Wirklichkeits-konstruktionen“ der Kommunikationspartner abhängig.

Die Konstruktion von Wirklichkeit ist aber ein Bereich der Kommunikation, der Menschen das Sprechen über Graustufen unmöglich macht, sondern Schwarz und Weiß komplementär gegen-überstellt, bevor es eskaliert.

Im nächsten Schritt müssen die Lernenden die methodische Konstruk-tion von Wirklichkeit begreifen, um dann das Sprichwort zu verstehen, dass nicht „alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde…“. Das geeignete Modell von Schulz von Thun ist hier das bereits benannte Vier-Ohren-Modell oder in dem Zusammenhang auch das Kommunikations-quadrat.
Die Basis dieses Quadrates bildet die Annahme, dass jede Nachricht vier verschiedene Botschaften umfasst. Das gilt nicht nur für das Senden von Nachrichten, sondern auch für das Empfangen der Botschaften. Der Empfänger nimmt also in einer Nachricht ebenfalls die vier verschiedenen Aspekte wahr. Diese vier Aspekte sind:

  • die Sachinformation,  
  • die Selbstkundgabe, 
  • die Beziehungsseite 
  • die Appellseite.

Sind die Lernenden einmal bis zu diesem Punkt gelangt, ist die Erkenntnis der folgenden These erreicht: Reden ist cool: es ist eine echte verbale Alternative zur Gewalt!

Durch das Verbessern der Gesprächsfähigkeit, parallel zu dem Kampfkunst-Training werden zukünftige Generationen nach meinen Vorstellungen dann eher Schlagfertig statt Schlag-fertig.
Sie sind schließlich in der Lage, Toleranz und Konstruktive Kritik zu erleben und können mit Hilfe von Ich-Aussagen eigene Emotionen vortragen, ohne überstarkes Ego zu verbalisieren - und erkennen im Kursverlauf für sich selbst:

Wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, bin ich auf vierfache Weise wirksam.
Jede meiner Äußerungen enthält, ob ich will oder nicht, vier Botschaften gleichzeitig.

Von dieser Erkenntnis ausgehend, hat Schulz von Thun bereits im Jahr 1981 die vier Seiten einer Äußerung als Quadrat dargestellt. Die Äußerung entstammt dabei den von ihm so bezeichneten „vier Schnäbeln” des Senders und trifft auf die „vier Ohren” des Empfängers. Sowohl Sender als auch Empfänger sind demnach für die Qualität der Kommunikation selbst verantwortlich, wobei die unmissverständliche Kommunikation der Idealfall ist und nicht die Regel.
Die vier Ebenen der Kommunikation möchte ich noch kurz umreißen. Dabei steht auf der Sachebene des Gesprächs die Sachinformation im Vordergrund, hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte.

Dabei gelten drei Kriterien:

  • wahr oder unwahr (zutreffend/nicht zutreffend)
  • relevant oder irrelevant (sind die aufgeführten Sachverhalte für das anstehende Thema von Belang/nicht von Belang?)
  • hinlänglich oder unzureichend (sind die angeführten Sachhinweise für das Thema ausreichend, oder muss vieles andere zusätzlich bedacht werden?)

Die eigentliche Herausforderung für den Sender besteht dann auf der Sachebene darin, „seine“ Sachverhalte klar und verständlich zu formulieren. Der Empfänger in diesem Fall, kann auf dem „Sachohr“ entsprechend der drei Kriterien reagieren.

Selbstkundgabe ist in diesem Fall: Wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich. Jede Äußerung enthält also immer gewollt oder unfreiwillig einen Einblick in die Persönlichkeit – Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse.

Dies kann explizit („Ich-Botschaft”) oder implizit werden. Während der Sender mit dem Selbstkundgabe-Schnabel also implizit oder explizit, bewusst oder unbewusst, Informationen über sich im Dialog preisgibt, nimmt der Empfänger im Idealfall (theoretisch) diese mit dem Selbstkundgabe-Ohr auf - und es entstehen wieder weitere Fragen…

Was ist das für einer? - Wie ist er gestimmt? - Was ist mit ihm?

Das „Fragen“ muss oft trainiert werden, um auch in der Praxis zu funktionieren. Hier setze ich in den Friedenserzieher-Kursen entsprechende „Detektivspiele“ ein. Auf der Beziehungsseite gebe ich mehr oder weniger deutlich zu erkennen, wie ich zum Gesprächspartner stehe und was ich von ihm halte. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt. Vielleicht auch durch ein eingestreutes Kompliment...

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XI. Friedenserziehung

Mögliche Handlungsfelder für die nachhaltige und ganzheitliche Gewaltprävention sind, neben dem jahrelangen Training im Dojo - auch bei Kursangeboten für Bildungseinrichtungen möglich. Dabei allerdings reden wir hier über einen Mindestzeitraum von drei Monaten, um spürbar eine Veränderung in Gruppen oder Schulklassen überhaupt feststellen zu können. Das Training in der Gruppe muss immer motivierend und positiv sein - und deshalb auch Spaß machen. Konsequenz ersetzt bei den gemeinsam entwickelten „Spielregeln“ übertriebene Härte.

  1. nonverbale Ebene der Gewaltprävention: Wirkung von Körpersprache (Gestik/Mimik), Ausstrahlung / Wirkfaktoren 
  2. verbale Ebene der Gewaltprävention: Zuhören können (z.B. kontrollierter Dialog) Wie entstehen Missverständnisse? (Konstruktion von Wirklichkeit) Reden ist cool: verbale Alternative zur Gewalt / Verbessern der Gesprächsfähigkeit (Schlagfertig statt Schlag-fertig) Konstruktive Kritik und Ich-Aussagen 
  3. praktische Ebene der Gewaltprävention: Aufbau von Selbstbewusstsein für pot. Opfer / Alternative Verhaltensregeln für den Konfliktfall /Interaktionsaufgaben für Gruppen/Teams 

  4. traditionelle Kampfkunst mit klaren Regel, Rahmen und Ritualen
  5. Ebenen übergreifend
: Konflikte erkennen (Wie entsteht ein Streit?)
 Konflikte bewältigen (Vermeidung/Konfrontation/Lösung) Regeln aufstellen
 Hemmschwellen aufbauen/abbauen
 / Notwehrfrage/Verhältnismäßigkeit 


Das praktische Training „auf der Matte“ muss klar und nachvollziehbar strukturiert sein. Das gilt gerade auch für die Grundausbildung vor den eigentlichen Techniken…Die Fallschule gehört bei jedem Training zur Vorbereitung der Lernenden. Im Anschluss an die gymnastischen Übungen sollte ein verantwortlicher Trainer die Schüler bei jeder Übungseinheit im Fallen trainieren. Bevor z.B. sogenannte Judokas das Werfen richtig erlernen können, müssen sie einfach das Fallen erlebt haben. Dieses erlebte Fallen zeigt die richtige Dosierung dann für ein kontrolliertes Werfen. Das Training „Ukemi-Waza“ soll ein Miteinander darstellen für Uke und Tori - gemeinsam als Partner eine harmonische Ausführung der Techniken zu erreichen.

Als Vorstufe zu der ersten Lektion beim Fallen - der sogenannten Judorolle - zeige ich den Schülerinnen und Schülern einen Gymnastikball. Diese Bälle sind mittlerweile in den meisten Trainingsräumen vorhanden, auch in manchen Turnhallen. Der Grund dafür ist die Beliebtheit in einschlägigen Gymnastikkursen oder in der Schwanger-schaftsvorbereitung. Sollte ein Trainingsraum mal nicht entsprechend ausgestattet sein, bringe ich einen eigenen „Sitzball“ mit. Die Kinder stehen schließlich in einer Reihe und sind nach- einander mit dem Ball auf der Matte. Dabei demonstriere ich, wie man den Ball wie einen Freund oder die Eltern umarmen soll. Schließlich gibt man sich einen Ruck nach vorne, um mit dem Ball gemeinsam über eine Schulter rollen zu können. Die Kinder begreifen zügig, dass dieser Freund der Ball ihnen die gewünschte Bewegung leichter macht. Der runde Ball wird quasi über seine Form die Bewegung „führen“, wenn die Kinder vom Trainer genug Vertrauen bekommen haben, festzuhalten.

Der nächste Schritt, nach der sogenannten Judorolle vorwärts mit dem Gymnastikball, ist natürlich die Rolle vorwärts ohne ein Hilfsmittel:  Bei der sogenannten Judorolle vorwärts soll der Kopf nicht die Matte berühren. Die Rolle erfolgt eher seitlich über die Schultern, wie man es zuvor mit dem Ball gelernt hat. Jeweils wird dann jede Fallübung beidseitig ausgeübt, da man im Kampf oder in der Selbstverteidigung auf jede Seite fallen können muss. Als Abschluss so einer Rolle schlägt der gestreckte Arm aktiv (also nicht aufgestützt) mit der flachen Hand zuerst auf die Matte, wird aber sofort wieder zurückgezogen eine Armbeuge-haltung. Geübte Judokas rollen so später direkt in den Stand, ohne Abschlagen und ohne Liegenbleiben. Es wird traditionell aber gerne gesehen, wenn beim Liegenbleiben diese Judorolle nicht mit an-gewinkelten Beinen absolviert wurde. Dann „bremsen“ auch nicht die Fersen, es überträgt sich kein Druck in den Unterleib, man kann entspannt fallen. Bei der beschriebenen Judorolle vorwärts ist es anfangs eine echte Überwindung, haben mir Lernende aller Altersklassen immer wieder erzählt. Da ich mit vier Jahren angefangen habe, weiß ich das nicht mehr wirklich, sondern rolle einfach…

Kinder lernen leichter als erwachsene Anfänger, diese Bedenken zu besiegen.
Eine erste innere Meisterschaft beginnt also bereits zu reifen. Während Erwachsene mit dem Gegner im eigenen Kopf darüber hadern, mit der gesamten Körperlänge zu Boden gehen zu müssen, lassen sich Kinder durchaus gerne von ihrem Meister führen, wie sie in die richtigen Bewegungsabläufe finden. Auch Erwachsene sehen schlussendlich ein, dass das hilfreich ist, tun sich meiner Erfahrung nach, in diesem Punkt ungleich schwerer. Respekt vor diesem Schritt verdienen Alle. Damit passt meine Arbeit zu der eingangs erwähnten Studie, was die Aufgabe von Erwachsenen als Autorität angeht. Selbst Zuschauer merken, wie die Kinder sich darauf gerne einlassen und geführt werden wollen.

Ziel der Fallschule soll auch sein, wie eingangs erwähnt, das richtige Dosieren beim Werfen zu lernen, in dem man dazu die eigenen Erfahrungen beim Fallen macht. Wem das paradox klingt, mag überlegen, wie man schlagen würde, wäre man selber schon geschlagen worden. Ich denke, es wäre anders, als hätte man noch nie einen Treffer „kassiert“. So ist es auch beim Fallen und Werfen.
Zur weiteren Charakterschulung und im Nebeneffekt mit Aggressionsabbau gepaart, dient die weitere Fallschule vorwärts. Während es einer Mutprobe gleicht, sich ohne Rolle auf die Hände nach vorne fallen zu lassen - in die Mae Ukemi - er- fordert es unendlich viel Vertrauen in sich selbst, über Hindernisse unterschiedlicher Größe in dahinter unsichtbare „Tiefen“ zu fallen.

In den Kursgruppen stelle ich dann fest, wenn die bereits beschriebenen Kampf- und Rollenspiele, einen Eindruck der Teilnehmer geboten hat, welche Themen in der Ausgangssituation vielleicht belastend waren, um diese dann möglichst „gewaltfrei“ in den Fokus zu kommunizieren.

Gewaltfreie Kommunikation stellt daher auch wichtiges Rüstzeug erfolgreicher Arbeit im Bereich „Kampfkunst und Gewaltprävention“ dar.
Wie wir dabei wissen, z.B. durch Papiertaschentücher und Streichhölzer, sind wirklich gute Ideen einfach. Einem geflügelten Wort meines Lieblings-Urlaubsziel Frankreich zufolge, kommen große Gedanken aus dem Herzen. Genau mit diesem Sprichwort, lassen sich Inhalt und Wirkung der Theorie der Gewalt­freien Kommunikation hervorragend beschreiben. Man beginnt einen Dialog mit allgemeinen, einfachen und grund­legenden Fragen, was heute im Zeitalter von Oberflächlichkeit und Emoticons nicht mehr weit verbreitet ist. 

Marshall B. Rosenberg, ein bekannter Psychologe aus Albuquerque, in den USA, hatte es sich zur Lebens­aufgabe gemacht, Menschen dabei zu helfen, genau derartige Fragen an- und aus­zusprechen, für eine erfolgreiche Gesprächseröffnung. Sein Kommunikationsmodell ist aus meiner Sicht so einfach, wie es gut ist - und hat an Aktualität ebenso eher gewonnen, wie auch die anderen bereits dargestellten Kommunikationsmodelle und die traditionelle Kampfkunst selbst, mit den konfuzianischen Ansätzen und der Disziplin.

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I. Ausgangslage in Schulklassen

Die Ausgangslage in Schulklassen / Internatsklassen kann beispielsweise sein, dass ich zu Beginn einer Friedenserzieher-Maßnahme eine Feststellung von Defiziten in sozialer Kompetenz (meist verstärkt zu Beginn der Pubertät) treffen kann. Es können bei den Individuen solcher Projektgruppen oder Schulklassen, psychische Defizite oder psychosomatische Beschwerden vorliegen. Vielleicht sind darüber Schulleitung, Lehrpersonal und Elternseite informiert. Leidensdruck infolge von Mobbing und Gewalt, Fehlzeiten aus Gründen von Gruppendruck / Drohungen.

Projektziele für diese Coaching-Maßnahmen von Lerngruppen und deren Lehrpersonen sind unter anderem

  • allgemeine Anerkennung bestimmter zwischenmenschlicher Werte und Normen, die zuvor kommuniziert werden
  • Sozial homogene Gruppen- oder Klassenstrukturen / Bekämpfung von Außenseiter- und Mobbingstrukturen / Entgegenwirkung psychosomatischer Erkrankungen
  • Nachhaltige Verbesserung des Klassenklimas / Einbeziehung Aller

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II. Beispiel eines Ergebnisses eines durchgeführten Projekts:

Hier war die Ausgangslage, dass Eltern über das schlechte Klima in der Klasse geklagt hatten. Kinder fehlten aufgrund von entsprechendem Leidensdruck unentschuldigt. Sowohl Eltern als auch Kinder sahen nur noch in Klassen- oder Schulwechsel eine Lösung. Nach dem Projekt berichteten die Schüler von ihrer Zufriedenheit und von dem schönen Gefühl, angstfrei lernen zu können. Klassen- und Fachlehrer konnten diese Verbesserung des Klassenklimas bestätigen und in der Klasse besser unterrichten. Die Eltern nahmen zu mehr als 90% an dem Abschluss-Abend mit dem Moderator teil. Sie waren besser informiert über den Alltag ihrer Kinder. Auffällige Fehlzeiten gingen gegen Null. Niemand will mehr die Klasse beziehungsweise die Schule wechseln. Psychosomatische Störungen hören auf.

P r o j e k t b e s c h r e i b u n g

  • Informationsabend mit den Eltern
  • Klassengespräch zum Erkennen der Bedürfnisse & Strukturen 
  • Interaktionen in der Klasse zum Erkennen der eigenen Rolle
  • Rollenspiele zur Selbstbehauptung
  • FAUSTLOSE Selbstverteidigungstechniken
  • Vertrauensübungen
  • Konsenserzielung über Werte, das Zusammenleben betreffend
  • Einbeziehen des Klassenlehrers und der Fachlehrer
  • Informationsaustausch
  • Beratung in Konfliktfällen
  • Evaluierendes Abschlussgespräch mit allen Beteiligten separat

Wen ich mit diesem Beitrag neugierig auf das Thema "FRIEDENSERZIEHUNG - als Antwort auf die steigende Gewaltbereitschaft auch an deutschen Schulen" machen konnte, lade ich gerne auf meine entsprechende Homepage ein.

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Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

Webseite von Stephan Leifeld
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