Eberhard Jungvogel zeigt einen Familienschatz
1000 Liebesbriefe von der Front

1000 Briefe von der Front erinnern an die Liebe von Willi und Lilli. Der Familienschatz lag Jahrzehnte im Keller des Sohnes Eberhard Jungvogel. Fotos & Scans: Anja Jungvogel
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  • 1000 Briefe von der Front erinnern an die Liebe von Willi und Lilli. Der Familienschatz lag Jahrzehnte im Keller des Sohnes Eberhard Jungvogel. Fotos & Scans: Anja Jungvogel
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  • Die Liebesgeschichte von Lilli und Willi könnte die Vorlage für einen Film im Fernsehen oder für einen historischen Roman sein: Mehr als tausend Briefe aus dem zweiten Weltkrieg: Feldpost von der Front, geschrieben voller Sehnsucht und Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Eines der letzten Zivilbilder aus dem Leben des Vaters, bevor der Krieg begann. Archivfoto: Jungvogel
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Jahrzehntelang lagen diese unzähligen Briefe im Keller des Sohnes, der seinen Vater in den letzten Kriegstagen im April 1945 verloren hat. Erst jetzt findet Eberhard Jungvogel die Kraft, sich damit noch einmal zu befassen.
„Als damals die Nachricht kam, dass mein Vater gefallen war, hat meine Mutter tagelang geweint. Es war eine schreckliche Zeit“, erinnert sich der 77-Jährige. Auch dieser Brief befindet sich im historischen Nachlass. Geschrieben wurde er von einer Krankenschwester, die einen sterbenden Soldaten in einen Berliner Luftschutzkeller gezogen und medizinisch versorgt hatte. „Dieser Soldat war mein Vater Wilhelm“, erklärt Eberhard. „Die Sanitäterin hatte meiner Mutter ein paar mal geschrieben und ganz genau berichtet, was passiert war.

Es gab auch Briefe und Postkarten, die an den damals dreijährigen Sohn gerichtet waren.
  • Es gab auch Briefe und Postkarten, die an den damals dreijährigen Sohn gerichtet waren.
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Im Luftschutzkeller verblutet

Eberhards Vater war in eben besagtem Luftschutzkeller verblutet. Ein Pistolenschuss aus unmittelbarer Nähe durch den Kiefer des jungen Soldaten, der sich an diesem Tag bei Straßenkämpfen in Berlin-Treptow gegen die rote Armee befand.

Letzte Schlacht in Berlin

Erst jetzt findet Eberhard Jungvogel die Kraft, das  Vermächtnis seines Vaters näher aufzuarbeiten.
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Wilhelm Jungvogel hinterließ eine Ehefrau, einen Sohn und mehr als tausend Liebesbriefe von der Front. Am Ende eines jeden Kriegstages muss er jeweils einen Brief verfasst haben: 
„Mein liebes, süßes Lilliken! Habe einige Stunden Ruhe und die will ich gleich dazu nutzen, Dir ein Lebenszeichen von mir zu geben. Erst habe ich mal wieder ordentlich gegessen und mich gewaschen. Seit einer Woche war dies nicht möglich. Zum Essen war uns allen der Appetit vergangen und zum Waschen keine Zeit. Mir geht es gut und ich bin gesund.
Wir müssen hier ungefähr in dem Abschnitt sein, wo Dein Vater im 1. Weltkrieg gekämpft hat. Wir wollen alles in Gottes Hand legen. Es küsst Dich nochmals Dein Willi “
, schrieb er beispielsweise am 30. Juni 1941 an seine Lilli.

Wann kommt Papa heim?

Eberhard, der noch keine drei Jahre alt war, als sein Vater fiel, weiß aus Erzählungen der Verwandten, dass sein Vater ein wundervoller und liebenswerter Mensch gewesen sein musste. In den unzähligen Briefen und Postkarten wird diese Liebe deutlich.
Oft malte der Vater an den Rand ein kleines Bild oder sprach in einem selbstverfassten Vers den Sohn persönlich an. Der Kleine sollte wohl begreifen, dass es einen Papa gab, der bald nach Hause käme und dann für ihn da sei.
Wilhelm kam tatsächlich auch ein paar mal auf Heimurlaub zurück. In den ersten Kriegsjahren noch in stolzer Uniform. Später gab es nur noch Feldpost. Den letzten Brief erhielt Lilli im Februar 1945 von ihrem Willi, der mit seiner Kompanie nach Berlin-Treptow versetzt worden war.

Erst jetzt holt er die Briefe aus dem Keller

Einige Jahre später folgte noch ein amtliches Schreiben, dass Wilhelm Jungvogel auf einem Soldatenfriedhof in Berlin-Treptow beigesetzt worden sei. „Doch ich wollte nie dorthin. Ich musste mit diesem Teil meiner Kindheit abschließen“, erklärt der Sohn. „Für eine nähere Vater-Sohn-Beziehung und für einen Abschied hatte ich niemals Gelegenheit. Meine Mutter Lilli hat übrigens nicht wieder geheiratet und ist im Alter von 88 Jahre in unserem Haus in Velbert gestorben.“
Auch der Velberter Stadtarchivar Christoph Schotten findet den Familienschatz wertvoll: „Kriegsbriefe sind sehr interessant. Aus ihnen lässt sich die veränderte Einstellung der Frontsoldaten ablesen, im Verlauf des Krieges. Für die Familie haben sie natürlich noch einen besonderen emotionalen Wert.“

Hintergrund

Die Schlacht um Berlin war das letzte bedeutende Blutvergießen des zweiten Weltkrieges. Die Kämpfe dauerten vom 16. April bis zum 2. Mai 1945 und hatten die Besetzung Berlins, der Hauptstadt des deutschen Reiches, durch die rote Armee zur Folge. Beteiligt waren zudem einige polnische Einheiten.
Die Schlacht um Berlin forderte Schätzungen zufolge über 170.000 Gefallene und über 500.000 verwundete Soldaten sowie den Tod mehrerer zehntausend Zivilisten. Es existieren im Übrigen keine genauen Zahlen über die Verluste beider Seiten.

Autor:

Anja Jungvogel aus Unna

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