Grüner Internet-Salon: Ernst Gräwes Tod

Der Königsborner Ernst Gräwe wurde 1945 von seinem Batallionskommandanten erschossen, weil er sich geweigert hatte, niederländische Widerstandskämpfer zu erschießen.  | Foto: privat
  • Der Königsborner Ernst Gräwe wurde 1945 von seinem Batallionskommandanten erschossen, weil er sich geweigert hatte, niederländische Widerstandskämpfer zu erschießen.
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Not sollte auch erfinderisch machen und so verlegten Unnas Grüne ihren Grünen Salon wegen der Corona-Sperre ins Internet. Mehr als 50 Teilnehmende verfolgten die Spuren von Ernst Gräwe. 

Ernst Gräwe war ein Unnaer Arbeiter und Sanitätsfeldwebel, der am 10. April 1945 von seinem Batallionskommandanten erschossen wurde, weil er sich geweigert hatte, niederländische Widerstandskämpfer zu erschießen – eine halbe Stunde vor der Befreiung Deventers.

Der junge französische Historiker Jérémy Gaudais war während seines Praktikums im letzten Jahr auf die tragische Geschichte des Königsborners gestoßen und hatte für den Grünen Salon seit Dezember recherchiert. In Fotos, Landkarten und anderen Dokumenten zeichnete er Leben, Ermordung und Familienspuren nach. Viele traurige Geschichten musste er vortragen. Der Sohn starb eine Woche vor Gräwes Tod an Lungenentzündung, der jüngere Bruder blieb im Krieg verschollen, die Witwe heiratete unglücklich und starb recht früh, vermutlich durch Selbstmord.Gräwes politische Haltung ist unbekannt. Seine menschliche Haltung ist die Botschaft, die wir in Erinnerung halten sollten. Erst 1968 wurde das „Recht auf Widerstand“ ins Grundgesetz geschrieben. Denkwürdigerweise erinnert sich der Zeitzeuge Gerd Klose, der neben Gräwes in der Bergarbeitersiedlung an der Grillostraße wohnte und bei Kriegsende 13 Jahre alt war, nicht an den tragischen Tod des Nachbarn. Wahrscheinlich wurde über Widerständler besser nicht gesprochen.

Die Niederländer haben in Deventer dem tragischen Helden früh eine Gedenktafel gewidmet, über die wohl auch ein Wikipedia-Eintrag entstand. Über diesen Eintrag gelangte die Erinnerung an Gräwes Mordverweigerung und Tod 75 Jahre später nach Unna. „Unglücklich das Land, das keine Helden hat? – Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“ Die Grüne Bürgermeisterkandidatin Claudia Keuchel zitierte den Brecht-Satz, der sie seit ihrer Friedensgruppenzeit am Geschwister-Scholl-Gymnasiums bewegt. „Traurig die Stadt, die ihre Helden vergisst,“ ist jetzt ihr Selbstauftrag nach der Beschäftigung mit dem verborgenen Helden aus Königsborn. Über die Form des lernenden Gedenkens gab es zum Schluss des Grünen Internet-Salons anregende Gespräche. Von Stolperstein, Gedenkschrift bis zum Straßennamen gingen die Vorschläge.

Die Grünen stellen Jérémy Gaudais Forschungsergebnisse jetzt Bürgermeister, Stadtarchiv, VHS und allen Interessierten zur Verfügung und freuen sich auf schöpferische Nutzungen in Schulen, Jugendgruppen, Kirchengemeinden, oder Geschichtskreisen. „Wenn wir wieder reisen dürfen, planen wir eine Deventer-Reise zur Gedenktafel! Ein Bürger hat uns schon eine Rad-Bahn-Reise ausgearbeitet.“ Hermann Strahl, der sichtlich angerührte Moderator des Abends, hofft auf viele Mitwirkende beim Lernen aus der Vergangenheit. „Dass neben dem 75. Jahrestag des Mordes an Gräwe in Unna auch der 75. Jahrestag der Befreiung am 11. April, nicht öffentlich begangen wurde, ist nachholbar. Wir werden hier das Gespräch mit dem Bürgermeister suchen.“

Beim Nacharbeiten der Veranstaltung mussten die Grünen feststellen, dass viele Interessierte nicht erreicht wurden, wegen Technik- oder Handwerkzeugsproblemen, aber auch wegen Datenschutzbedenken. „Wir werden daran arbeiten, dass bei aller Freude über unsere neuen Kommunikationswege niemand ausgeschlossen bleibt. Noch eine Herausforderung in herausfordernden Zeiten.“ Carsten Hellmann, Grüner Geschäftsführer und Internetlotse, liebt Herausforderungen.

Autor:

V K aus Unna

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