„Die schlimmste Zeit meines Lebens“

Hans Schmolke lebt mit einem Spenderherz. Er berichtete von seinen Erfahrungen. | Foto: Erich Dorau
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Es klingt absurd. Rund 12.000 Menschen in Deutschland warten auf eine Organspende, auf das Unglück eines anderen. Hans Schmolke war einer von ihnen. Fast ein Jahr lang wartete er auf den erlösenden Anruf. Im Rahmen der Podiumsdiskussion der Vereinigung Liberaler Ärzte im Forum Niederberg berichtete er von seiner Zeit auf der Warteliste für Spenderorgane.
Rund 90 Gäste waren der Einladung zum Thema „Organspende“ gefolgt.
„Es war die schlimmste Zeit meines Lebens“, erklärt Schmolke. Er spricht ruhig, kann aber ein leises Zittern nicht verbergen, während er seine Erfahrungen schildert: Mit 57 Jahren rettete ein künstliches Herz (VAD) ihm das Leben. Das ist eine Art Pumpe, die sich außerhalb seines Körpers befand und dem kranken Herzen half, seinen Körper mit Blut zu versorgen. Eine Übergangslösung: Länger als ein Jahr würde es nicht halten, erklärten ihm die Ärzte. Damit begann für Schmolke das Warten.
„Sie müssen es sich vorstellen wie eine Sanduhr“, veranschaulicht er: „Eine Sanduhr mit 365 Körnern. Jeden Tag fällt ein Korn. Die Zeit rinnt.“ Er macht eine Pause. „Mit jedem Tag steigt die Angst, dass das Gerät kaputt gehen könnte. Als der rettende Anruf kam, waren nur noch vier Körner in der Sanduhr.“ Endlich war ein passendes Herz gefunden. Schmolke hatte Glück.
Aber nicht jedem ergeht es so wie ihm: Jeden Tag sterben drei Menschen auf der Warteliste. Das liegt daran, dass der Bedarf wesentlich größer ist als die Zahl der gespendeten Organe. Und nur 25 Prozent der Bevölkerung seien im Besitz eines Spenderausweises. 2009 konnten in Deutschland beispielsweise 363 Herzen transplantiert werden. Die Zahl entsprach etwa der Hälfte der Patienten, die dringend ein Spenderherz benötigten. Deshalb sei es so wichtig, Menschen über das Thema aufzuklären, Ängste abzubauen und sie zum Nachdenken zu bewegen.
Gründe für die geringe Resonanz der Bürger seien ein Informationsdefizit und Gerüchte rund um das Thema, erklärten die Transplantationsbeauftragten auf der Podiumsdiskussion. Gero Frings, Chirurg und Chefarzt, sowie Transplantationsbeauftragter in Kamp Lintfort, dazu: „Viele Menschen gehen davon aus, dass die Bereitschaft der Ärzte, den Hirntot festzustellen, größer sei, wenn sich die Person als potentieller Spender eignet.“ Dies sei aber nicht wahr: Ob der Hirntod eingetroffen ist, das entscheiden mindestens zwei voneinander unabhängige Ärzte.
Die zweite Bedingung für eine Spende sei die Zustimmung der Angehörigen, so Daniel Bode, der die deutsche Stiftung Organtransplantation vertrat. „Kennen die Angehörigen den Willen des Verstorbenen, wird ihnen eine große Last abgenommen“, erklärt Bode. Deshalb sei ein Spenderausweis und ein vorsorgliches Gespräch mit der Familie sinnvoll: „Entscheiden Sie sich einfach, egal wie, denn kein Mensch hat das Recht, diese Entscheidung zu kritisieren.“
Auch die Angst vor Bestechung sei unbegründet, denn die Organverteilung gehe nach Notwendigkeit, Erfolgsaussicht und Dringlichkeit. „Ein Computerprogramm rechnet aus, wer der Empfänger wird, nicht wir.“
Bei Schmolke ging plötzlich alles ganz schnell. Im Aufwachraum sei ihm zunächst die Stille aufgefallen. Das Zischgeräusch des Kunstherzens, das ihn insgesamt 360 Tage begleitet hatte, war verschwunden. Schmolke suchte mit der Hand nach dem Gerät und fühlte stattdessen nur noch die Naht an seiner Brust und das schlagende neue Herz. Ein „wunderschönes Erlebnis“.

Hans Schmolke lebt mit einem Spenderherz. Er berichtete von seinen Erfahrungen. | Foto: Erich Dorau
Autor:

Maren Menke aus Velbert

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