Der Reiz der Präzision

Da zittert schnell der Arm: Miriam Dabitsch visiert mit der 1,5 Kilogramm schweren Luftpistole die Scheibe an. �Foto: Schroeder | Foto: Schroeder
  • Da zittert schnell der Arm: Miriam Dabitsch visiert mit der 1,5 Kilogramm schweren Luftpistole die Scheibe an. Foto: Schroeder
  • Foto: Schroeder
  • hochgeladen von Miriam Dabitsch

NEVIGES. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich, als Gerald Klein den Koffer öffnet. Darin liegt eine Luftpistole. Noch nie war ich einer Waffe so nah, und als ich sie schließlich in der Hand halte, bin ich überrascht, wie schwer sie ist.
Ich bin zu Gast beim Hardenberger Schützenverein. Seit 354 Jahren besteht er und verbindet Sport mit Tradition. „Das Brauchtum wird bei uns groß geschrieben“, erklärt der amtierende Schützenkönig Gerald Klein. Aber natürlich halten auch Innovationen Einzug: Das moderne Luftgewehr, das er mir zeigt, ist äußerst präzise. So exakt, dass auch ich, die Anfängerin, mit allen Schüssen die Scheibe treffe. Okay, die Waffe war aufgelegt, ich musste das Gewicht der Waffe also nicht selbst halten.
Anders ist das mit der Luftpistole. Mit ihr muss ich einhändig anvisieren. Der erste Schuss ist kein Problem, aber schon beim zweiten rebelliert meine Armmuskulatur. Durch das Zittern wird es schwer, das Ziel im Auge zu behalten.
Die Folge: Der Schuss geht daneben. Akribisch erklärt Klein mir die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Schießstand. Fehler und Nicht-Beachtung der Regeln können böse Folgen haben.
„Die Waffe wird grundsätzlich mit dem Lauf in Richtung Scheibe gehalten“, sagt der erfahrene Sportschütze. Vor fast 25 Jahren hat er diese Schießleidenschaft für sich entdeckt. Seine Frau Silke wollte zunächst nichts damit zu tun haben. „Geh‘ Du schießen, aber lass‘ mich damit in Ruhe“, hat sie immer gesagt. Bis sie es irgendwann selbst ausprobiert hat. Seitdem ist auch sie begeisterte Sportschützin.
Die Faszination erfasst auch mich. Diese Konzentration und Ruhe, die notwendig sind, damit ich zehn um zehn treffe, muss antrainiert werden.
Der Ehrgeiz nicht: Als Klein die Scheibe auf uns zukommen lässt und ich die Einschusslöcher sehe, erfüllt mich Stolz - und der Wunsch, es beim nächsten Mal noch besser zu machen.
Als der Schützenkönig und ich den Schießstand wechseln, merke ich sofort, dass eine neue Herausforderung auf mich wartet.
Mit Ohrenschützern ausgestattet, drückt Klein mir eine Sportpistole in die Hand. Jetzt geht es um scharfe Waffen. Erneut erklärt er mir genau, wie ich die Waffe halten muss. Dieses Mal mit beiden Händen. Warum, erschließt sich mir nach dem ersten Schuss: der Rückschlag. Bei den ersten Versuchen mit einem Kaliber .22 hält er sich zwar noch in Grenzen, aber bei der Großkaliberpistole mit Kaliber 9 mm und dann .45 erscheint er mir recht heftig. Das erklärt, warum Frauen nur selten in diesen Disziplinen antreten.
Dass aber jeder Polizist ein solches Geschoss im Halfter trägt, erscheint mir übertrieben. „Das hat schon seinen Sinn“, erklärt mir Klein, schließlich solle ein potentieller Gegner schnell angriffsunfähig gemacht werden. „Damit bestimmt“, denke ich mir.
Bei den Sportschützen spielen solche Gedanken keine Rolle: „Uns geht es um die Präzision, unser Ziel ist die Scheibe“, sagt Klein. Dass die Sportschützen in Folge von Amokläufen wie in Winnenden oder Erfurt in Verruf geraten sind, schmerzt ihn. „Wir haben in Deutschland ein sehr strenges Waffengesetz. Wenn sich jeder daran hält, kann nichts passieren.“ So müssen Waffen und Munition in getrennten Tresoren aufbewahrt werden. Nicht mal seine Ehefrau Silke darf Zugang zu seinen Waffen haben, geschweige denn Kinder.
„Es ist nicht leicht, an die Waffen eines Sportschützen zu gelangen, wenn er sich an die Gesetze hält“, sagt Klein. Und auch nicht jedes Schützenvereins-Mitglied hat Zugriff auf eine Waffe. „Zunächst mal muss man mindestens ein Jahr Mitglied sein, bevor man eine Waffenbesitzkarte beantragen kann“, erläutert Silke Klein. „Und dies muss vom Verein befürwortet werden.“
Ein verantwortungsbewusster Umgang ist nicht nur mit den Mitgliedern, sondern auch mit den Sportgeräten unumgänglich. „Man darf nie den Respekt vor den Waffen verlieren“, sagt Silke Klein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, steht einem interessanten Hobby nichts mehr im Wege.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

Miriam Dabitsch auf Facebook
Miriam Dabitsch auf Instagram
Miriam Dabitsch auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

256 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.