Buch der Woche: Der Kater und die Kissenschlacht

"Killmousky" - der neue Roman von Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff

Eine Katze als Titelfigur, und die Georg-Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff als Krimiautorin - wie passt das zusammen? Man kann es für ein literarisches Verwirrspiel halten, was uns die Autorin, die in der Osterwoche ihren 60. Geburtstag gefeiert hat, zwischen den Buchdeckeln präsentiert.

Lewitscharoff, die zuletzt mit ihren provozierenden Äußerungen zur künstlichen Befruchtung für öffentliches Aufsehen gesorgt hatte, war bisher bekannt für ihre komplexen, philosophisch untermalten, teilweise schwer verdaulichen und ganz und gar nicht massenkompatiblen Romane. Zuletzt waren „Apostoloff“ (2007) und „Blumenberg“ (2011) erschienen.
Nun also ein Übungsstück, ein als Krimi getarntes literarisches Experiment. Im Mittelpunkt steht der ehemalige Kriminalbeamte Richard Ellwanger, der vom Dienst suspendiert worden ist, weil er einem schweigsamen Verdächtigen, einem mutmaßlichen Kindesentführer, Folter angedroht hatte. Irgendwann hat ihn seine Frau verlassen, neuer Wegbegleiter ist der Kater „Killmousky“, der plötzlich vor seiner Terrassentür stand, als er sich eine „Barnaby“-Folge ansah. Jenes Tier, das wenige Sequenzen zuvor noch auf dem TV-Bildschirm sein Unwesen trieb. So weit, so skurril.

Fremde mondäne Welt
Ellwanger erhält von seiner Vermieterin, einer renommierten und nicht unvermögenden Restauratorin, einen Auftrag als Privatdetektiv, der ihn nach New York und später zurück in die süddeutsche Provinz führt. Es geht um einen mysteriösen Todesfall im leicht „durch geknallten“ Milieu der Upper Tens. Mehr schlecht als recht laviert er sich mit einigen Brocken Schulenglisch durch die ihm völlig fremde mondäne Welt. „Durfte man in ein so edles Klo überhaupt pinkeln?“
Ein Mann im Rollstuhl will mit Ellwangers Hilfe den Tod seiner Tochter aufklären. Suizid? Unfall? Mord? Alles scheint möglich und wird von Sibylle Lewitscharoff wie auf einem silbernen Krimihandlungstablett fein drapiert. Der Ermittler wird von Vater und Schwester der toten „Vicky“, die hoffentlich nicht als Anspielung auf den Kater „Killmousky“ wiederholt als „graue Maus“ bezeichnet wurde, auf den ungeliebten Schwiegersohn bzw. Schwager aufmerksam gemacht. Ellwangers Nacht mit der attraktiven Schwester der Toten half allerdings weder bei der Wahrheitsfindung noch war sie irgendeiner Handlungsplausibilität geschuldet. Welche gutaussehende amerikanische Society-Frau fühlt sich wohl von einem solch einfältigen, betagten schwäbischen Langweiler, wie es Ellwanger ist, angezogen?

Unter eigenem Niveau
Auch solch banale Elemente wie Sex and Crime funktionieren als Mischung nicht automatisch. Und so ähnlich verhält es sich auch mit der in der Vergangenheit zu Recht hoch gelobten Sibylle Lewitscharoff, die mit diesem hybriden Buch bewiesen hat, dass eine ausgewiesene Krimiliebhaberin nicht zwangsläufig einen auch nur halbwegs passablen Krimi garantieren kann.
Sie hat sich in diesem Buch verbogen und gewunden, war bemüht, alle genretypischen Bausteine unterzubringen, hat nicht mit Anspielungen (auch auf das eigene Werk) gegeizt, und doch fehlt diesem Buch so etwas wie der Atem der Authentizität.
Sibylle Lewitscharoff bewegt sich geradezu zwanghaft unter ihrem eigenen Niveau. Eine Figur „sieht verflucht gut aus, außerordentlich gut sogar“, und es taucht in der New Yorker Schicki-Micki-Welt gar ein Schlafzimmer auf, in dem „zehn Kerle eine Kissenschlacht hätten veranstalten können“. Nein, das ist nicht Lewitscharoffs Sprache, und ihr Versuch, das eigene Denken, den eigenen literarischen Kosmos zu simplifizieren und im Bonsaiformat nachzustellen, ist gründlich daneben gegangen.
Von einer Autorin vom Format einer Sibylle Lewitscharoff möchte man nicht über Ellwangers Kissenschlacht lesen, sondern ist Sentenzen von anderen Dimensionen gewohnt, wie etwa den Schlusssatz aus ihrem Roman „Apostoloff“: "Nicht die Liebe vermag die Toten in Schach zu halten, denke ich, nur ein gutmütig gepflegter Haß."

Sibylle Lewitscharoff: Killmousky. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, 224 Seiten, 19,95 Euro

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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