Monika Marons Roman „Das Haus“
Katharinas Gnadenhof

Um es gleich vorwegzunehmen: Der neue Roman von Monika Maron birgt kein Skandalpotenzial. Im Gegenteil – er kommt versöhnlich, ja sogar etwas altersmilde daher.

In den letzten Jahren hatte sich die inzwischen 82-jährige Monika Maron, die ein Jahr vor der Wende aus der DDR in den Westen übergesiedelt war, politisch auf den rechten Rand zu bewegt und allerlei krude Gedanken über Ängste und Sorgen „besorgter Bürger“ zu Papier gebracht.
In ihrem 2020 erschienenen Roman „Artur Lanz“ bediente Maron auf künstlerisch mäßigem Niveau all die Klischees, die durch die Corona-Krise noch verstärkt wurden: Klagen über vermeintliche Deutungshoheiten des politischen Establishments und seiner Gefolgsleute in den Leitmedien und von einer „Meinungsdiktatur“ war die Rede. Darauf hin war es im Herbst 2020 zum Bruch zwischen Monika Maron und dem S. Fischer Verlag gekommen, der fast alle ihre Bücher veröffentlicht hatte, aber ihre politisch-gesellschaftlichen Statements für unvereinbar mit dem Leitbild des Traditionsverlages ansah. Die Berliner Schriftstellerin, die inzwischen in der Uckermark lebt, hat mit all ihren Büchern bei Hoffmann und Campe eine neue verlegerische Heimat gefunden. Dementsprechend fand die Vorstellung ihres neuen Romans auch in der Hansestadt an der Elbe statt. „Ich bedanke mich für die herzlichen und etwas übertriebenen Lobpreisungen. Aber man hört’s trotzdem gern. Und da der Verlag sich so freut, dass er mich hat, sage ich mal, dass ich mich freue dass ich ihn habe“, hatte Maron erklärt.
In ihrem neuen Roman geht es um eine Art Alters-WG in der mecklenburgischen Provinz. Die ehemalige Tierärztin Katharina hat mit 70 das stattliche Gutshaus ihres vermögenden Cousins geerbt und sich dorthin mit einigen Freunden und Bekannten zurück gezogen – alle weit über 60, alle relativ gut situiert, aber jeder für sich auch mit dem einen oder anderen Spleen ausgestattet. Die Ich-Erzählerin Eva Paul sucht den Abstand zur Stadt und teilt mit ihrer geistigen Schöpferin Monika Maron die Affinität zum Nikotin. Die Buchhändlerin Marianne hat ihren Lebensgefährten verloren, der homosexuelle Michael ist jetzt ebenfalls alleinstehend, Johannes will den Folgen seiner Scheidung entgehen, und der Historiker Amadeus erholt sich mehr schlecht als recht von einem Schlaganfall.
Auf „Katharinas Gnadenhof“ hocken sie zusammen - mal am Lagerfeuer, mal bei einem Glas Wein philosophieren sie auf Talkshow-Niveau über die großen und kleinen Dinge des Alltags: über die nachlassende körperliche Fitness, über das Älterwerden generell, aber auch über den islamistischen Terrorismus und die Genderfrage. Gemeinsam durchleben und durchleiden sie einen extrem heißen Frühsommer: „Die Sonne drang allmählich durch die Mauern des Hauses, selbst in den Nächten sank die Temperatur nicht mehr unter zwanzig Grad. Die Wiese lag wie ein zerlumpter gelbbrauner Teppich vor dem Haus.“
Weder das Zusammenleben noch die Gesprächsrunden verlaufen durchweg harmonisch, und doch strahlt die Ruhe der Provinz zwischen Berlin und Rostock eine kaum zu greifende Form des Wohlbehagens aus: „Für den Rest meines Lebens ist Bossin ein idealer Ort. Von hier aus lässt sich die Gegenwart betrachten wie etwas Vergangenes, an dem ich nicht mehr beteiligt bin.“
In Monika Marons „Das Haus“ geht es um die biografischen Blessuren der Figuren, die Narben hinterlassen haben und wie man mit ihnen umgeht. „Ich interessierte mich nicht mehr sonderlich für mich, ich wusste inzwischen zu gut über mich Bescheid“, resümiert Ich-Erzählerin Eva.
Am Ende steht der „Gnadenhof“ zu Silvester in Flammen. Königspudel Pablo hat mit seinem ausgeprägten Geruchssinn schlimmeres verhindert. Das Idyll ist zerstört, alles ein Zeichen der Vergänglichkeit.
„Wir starrten dumpf auf unser zischendes und qualmendes Haus. ...Am Himmel stand ein blasser Mond, gewiss war nur, dass am Morgen die Sonne aufgehen würde“, lauten die letzten Zeilen des Romans. Herrlich leicht erzählt, die Schriftstellerin Monika Maron hat zu ihrer alten Stärke zurück gefunden.

Monika Maron: Das Haus. Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2023, 235 Seiten, 25 Euro

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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