Wie ein unterhaltsames Trio auch ein extrem kleines Publikum zufriedenstellen kann
Daddy Longleg: Perlen der Musikgeschichte durch den Emmericher Stilwolf gedreht

Foto: Inge Bohlen
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Stellt Euch vor, Ihr macht 'ne Fete und keiner kommt. Jede Menge Psychostress bei der Planung, später die Einladungen, Deko-Schnickschnack, Häppchen und so. Die Aufregung, kurz bevor's losgeht. Das kann an die Nieren gehen. Kommt ganz drauf an, wie man gestrickt ist. Und dann der GAU: Auf den letzten Drücker sagen 40 von 50 Geladenen ab.

So ähnlich fühlen sich Bands (und übrigens auch Veranstalter), die ein Konzert machen, bei dem eine entscheidende Sache fehlt: das Publikum. Ihr fragt Euch, was dies hier für ein seltsamer Bericht ist? Okay, ich erklär's Euch. Wir sind im Scala Kulturspielhaus Wesel. Es ist Freitagabend im November und eigentlich ist alles gut. Bis auf die Resonanz.

19.30 Uhr - Auftritt des höchst unterhaltsamen Trios "Daddy Longleg" aus Emmerich im Scala-Kino. Nur knapp 30 aufgeschlossene Menschen fanden den Weg zum Konzert. Was uns zu Kompliment Nummer 1 an die Band führt: Keine Spur von Erschrecken, Bedauern, mangelnder Motivation oder gar Lustlosigkeit. Mattes Wissing (Gitarre/ Gesang), Klaus Siebers (Kontrabass) und Uli Flür (Schlagzeug/Perkussion) sind durch Jahrzehnte des gemeinsamen Wirkens gestählt: Gähnende Leere im Auditorium? Kein Problem. Die "Langbeine" ziehen gut gelaunt ihre Show durch.

Und, mein lieber Scholli, die Darbietung hat's in sich! Hier spielen Genres keine Rolle, sondern ausschließlich der Spaß an guter Musik. Auf und vor der Bühne. "Wir sind vor nix fies", kündigen die Künstler an und meinen's auch so. Sie drehen Evergreens der Musikgeschichte auf Links, indem sie die auserwählten Lieder durch ihre ureigene Zeitmaschine jagen: Balladen werden rockig, Popsongs jazzig, Mainstream kantig. Das hat exquisiten Hörwert und ist Kompliment Nummer 2.

Quer durch die Jahrzehnte singen, zupfen und trommeln sich diese drei Vollblut-Performer. Elvis Presley, Nena, Simon & Garfunkel, Hildegard Knef, Red Hot Chilli Peppers, Ideal, Jupiter Jones, The Police, Prince, Amy Whinehouse, U2, Gloria Gaynor, Barry Manilow, Willy de Ville, Depeche Mode, Frank Zappa und viele weitere berühmte Quellen liefern ein Line-Up, das einfach Spaß macht. Auch wenn's beizeiten etwas dauert, bevor man den gerade kredenzten Songs identifiziert hat.

Damit wären wir bei Kompliment Nummer 3: "Daddy Longleg" präsentiert handwerklich solide Kunst und erreicht dabei auf der Spielfreude-Skala die Neun. Eine Zehn wäre locker drin, doch dafür fehlt es an Applaus. Womit wir wieder bei der eingangs erwähnten Party wären, die mit 50 Gästen halt schöner ist als mit zehn. Und so bleibt denn am Ende des Konzerts (neben der Begeisterung) der hehre Wunsch, das Trio bald mal wieder zu hören. Dann aber vor hoffentlich großem Publikum.

Bitte.

Foto: Inge Bohlen
Daddy Longleg | Foto: Pressebild
Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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