Kindheit am Niederrhein – Abenteuer Stöberecke

Ich stelle mir gerade vor, ich wäre wieder fünf Jahre alt und im elterlichen Haus auf der Suche nach Abenteuern.

Da meine Mama ein Kriegskind war und schon in jungen Jahren viele Entbehrungen hinnehmen musste, hatte sie sich angewöhnt die verschiedensten Dinge aufzubewahren, die man vielleicht irgendwann nochmal gebrauchen könnte. Und so befand sich in jeder Ecke unseres sehr verwinkelten Elternhauses garantiert irgend etwas total spannendes zum Spielen.

Zwei Orte waren dabei immer ganz besonders interessant:

Das war zum einen das alte Badezimmer im obersten Stockwerk, dass zu der Zeit hauptsächlich als Lagerraum für Koffer, Kartons und wiederverwertbarem Geschenkpapier diente.

Und zum anderen der eigentliche Abstellraum ein Stockwerk tiefer in dem alles andere aufbewahrt wurde, was man tatsächlich noch öfter benutzte.

Leider fiel das alte Badezimmer für mich als Stöberecke aus, seitdem mein Bruder Andi und sein bester Freund mir mit der Mär von den Riesenspinnen die dort leben eine Heidenangst eingejagt hatten.

Aber das war auch nicht so schlimm, denn der Abstellraum unten war als „Forschungsgebiet“ sowieso weitaus interessanter weil mit „Artefakten“ wesentlich besser bestückt. Von dem riesigen Wäschekorb, in dem man sich prima verstecken konnte mal ganz abgesehen.

Nachdem ich also das hiesige Regal mal wieder nach Interessantem abgegrast hatte, fiel eines Tages mein Blick auf die vielen prallgefüllten Tüten, die hoch oben in der Abstellkammer am Kleiderhaken hingen.

In dem Alter war es mir natürlich streng verboten irgendwo hinauf zu klettern, damit ich nirgendwo hinunterfallen konnte, aber die geheimnisvollen Tüten ließen mir keine Ruhe und so dachte ich mir „Wenn ich ganz vorsichtig bin, dann werde ich schon nicht hinunterfallen!“

Gesagt, getan – guckte ich mir einen festen, wackelarmen Gegenstand aus auf den ich dann kletterte und reckte mich nach Laibeskräften um die Tütenschlaufen über die Haken zu bugsieren OHNE dass mir deren Inhalt unkontrolliert auf den Dickkopf fiel.

Mein kleines Herz klopfte jedesmal wie verrückt zunächst aus Angst vielleicht doch noch hinunter zu fallen und später vor Freude wenn ich mit meinem „Schatz“ wieder festen Boden unter den Füßen spürte.

Meistens befand sich in den Tüten und Beuteln nur so langweiliges, sinnloses Zeug wie Schuhcreme oder ein kleiner Vorrat an Zahnpastatuben. Aber das machte nichts, denn bekanntlich ist der Weg das Ziel und das Gefühl doch nicht irgendwo hinuntergefallen zu sein, waren dann auch schon Belohnung genug!

Aber manchmal fand ich auch richtige Schätze, wie z. B. Eine „Zaubermütze“ aus Fell, die sich so wunderbar kuschelig anfühlte und die auf zauberhafte Weise die Farbe wechselte, wenn man mit der Hand darüber strich – dunkelbraun, hellbraun, dunkelbraun, hellbraun etc.p.p. -

Oder auch ein persilreiner Stapel historischer Stofftaschentücher so glatt gebügelt und ordentlich gefaltet, dass es einem schier den Atem verschlug. Sorgfältig entfaltete ich sie um den Gesamteindruck der dezenten Randstickerei auf mich wirken zu lassen.

Aber der absolute Oberhammer waren die aus feinstem Garn gehäkelten Sonntagshandschuhe, die man vor unsäglich langer Zeit immer dann zu tragen pflegte, wenn man an hohen Feiertagen im Park flanieren ging um ein wenig Schau zu laufen.

Natürlich habe ich bei jeder meiner Abstellkammer Expeditionen peinlich genau darauf geachtet, Fellmützen, Stofftaschentücher, Sonntagshandschuhe und alle anderen Schätze möglichst orignialgetreu wieder zu verstauen, damit Mama mir nicht auf die Schliche kommen konnte.

Nur leider hat ihre scharfe Beobachtungsgabe mich dann doch das eine oder andere mal überführt, dann gab es zur Strafe einen strengen Blick und den Hinweis, dass man es im Leben nicht weit bringen kann, wenn man nicht lernt sich an Regeln zu halten...

Nunja ich denke ich bin eigentlich trotzdem ganz gut geraten …. bis auf meine Unfähigkeit mich von schönen, alten Dingen zu trennen ;o)

Autor:

Imke Schüring aus Wesel

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