Englischer Glanz in der Klosterkirche Marienthal

Blick in die bis auf den letzten Stehplatz besetzte Klosterkirche | Foto: Jan Bauer
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  • Blick in die bis auf den letzten Stehplatz besetzte Klosterkirche
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Stehende Ovationen für die beiden Chöre und ihren Leiter Dominik Giesen

Festlicher Orgelklang erfüllt den Kirchenraum. Der gebürtige Brite George Warren schaffte mühelos, die kleine Dorforgel zu einer Domorgel zu machen! Stille – eine einzelne Stimme trägt die erste Strophe des bekannten Liedes „Once in royal David's City“ vor. Darauf folgt eine große, singende Prozession durch den Mittelgang der Kirche mit Messdienern, Lektoren, Chor und Vorsteher. Das nun schon zweite Festival of Nine Lessons and Carols in Marienthal hat begonnen.
Auch die Gemeinde ist, in Programmheften sind Texte abgedruckt, zum Mitsingen angehalten.
Mit dem beliebten Lied „Menschen, die ihr wart verloren“ schloss der Eröffnungsteil der Andacht ab, nun kam der Kern des Abends: neun biblische Lesungen, die die Heilsgeschichte Gottes ausbreiten, und die Lesungen kommentierende Carols.

Es sangen das Vokalensemble Cantemus aus Wesel und der Kammerchor Sine Nomine aus Köln unter Leitung von Dominik Giesen, dessen Bachelorprojekt diese Andacht war.
Beide Chöre verschmolzen zu einem angenehm homogenen Gesamtklang, der vermochte, die ganze Kirche und jeden Gottesdienstbesucher zu erfüllen.
Das erste Werk stammte von Giesen selbst: „The tree of life“ wurde erst von den Sopranistinnen, dann einem Frauenchor und zuletzt dem ganzen Chor gesungen, um zum Schluss im Frauenchor fast ins unhörbare pianissimo zu verschwinden.
Die Bearbeitung des deutsch-lateinischen Weihnachtsliedes „In dulci jubilo“ vom Engländer Pearsall bestach durch ihren Abwechselungsreichtum:
Mal sang der gesamte Chor im kräftigen Forte, beim nächsten mal sangen drei Solisten, dann setzte der Chor im sechsstimmigen Satz wieder ein. So ergab sich ein interessantes Geflecht der verschiedenen Stimmen, welches der Chor schaffte, den Zuhörern transparent aufzuzeigen.

Als bei dem berührenden „O holy night“ von Adolphe Adam die Sopranistin Christine Hesseler den ersten Refrain vortrug, hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Auch Maximilian Fieths (Tenor) Stimme entfaltete sich bei der ersten Strophe bis in die letzte Spitze des Gewölbes und sorgte für wohlige Schauer.
Bei englischen Klassikern wie „It came upon the midnight clear“ durfte die Gemeinde wieder mitsingen. Mit kräftiger Unterstützung des Chores und der Orgel wurde spätestens nach der ersten Strophe begeistert in die festlichen englischen Melodien eingestimmt.

John Taveners „The Lamb“ war wohl der Exot im Programm - ein modernes Stück, obwohl es „schon“ 36 Jahre alt ist.
Atonale Tonreihen mit Spiegelung und Umkehrung, dazwischen glasklare dur-moll-tonale Harmonik: diese Schwierigkeiten hat sich der Chor nicht anmerken (oder -hören) lassen und eine zerbrechliche, aber berührende Musik dargeboten.
Mit der Motette „Übers Gebirg Maria ging“ von Johannes Eccard stand nun ein Klassiker auf dem Programm. Beschwingt, frisch und tänzerisch sangen die Sängerinnen und Sänger dieses Werk. Ebenfalls mitreißend und fröhlich war David Willcocks Bearbeitung des englischen Carols „Ding Dong! Merrily on high“, bei der Frauen- und Männerstimmen sich abwechselten und der Organist George Warren virtuos brillierte.

Morten Lauridsens „O magnum mysterium“ war wohl das Glanzstück des Abends. Wie ein seidenes Tuch breitete sich der Klang des Chores aus dem Altarraum heraus in der Kirche aus, auch im zweifachen piano bestach die Gruppe durch glasklare Höhen im Sopran und am Schluss mit profunder Tiefe in den Bässen.
Charlotte Noreiks (Sopran) und Florian Kersten (Tenor) verstanden, bei den Strophen von Darkes „In the bleak midwinter“, den verhaltenen Charakter des Stückes mit ruhiger, einfühlsamer Stimme zu unterstreichen.
Beim Descant des nächsten Gemeindeliedes „While Shepherds watched their flocks by night“ strahlten die hohen Stimmen des Chores besonders - ein Gänsehautmoment für Hörer und Mitsänger.

John Rutter ist bekannt für liebliche, eingängige Melodien. Mit dem Lied „What sweeter music“, welches der Chor durch kleine Rubati mit einer hauchdünnen Schicht Zuckerguss versah, wurde noch einmal tief in die Kiste der weihnachtlichen Wohlgefühle gegriffen.
Nach den mystischen Worten des Johannesprologs durfte die ganze Gemeinde in das festliche „Nun freut euch, ihr Christen“ einstimmen. Nach den nun neun Lesungen folgten Fürbitten, das Vaterunser, ein Schlussgebet und der Segen. Zum Schlusslied erklang die feierliche Hymne „Hark, the herald angels sing“ nach einer Melodie von Mendelssohn. Beim Descant von David Willcocks schwangen sich Sopran und Tenor in höchste Höhen, auch die Gemeinde sang kräftig mit.
Diese musikalische Höchstleistung von Chor und Leiter dankte das Publikum mit langanhaltendem Applaus und stehenden Ovationen.

Das Bachelorprojekt von Dominik Giesen, der an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln katholische Kirchenmusik studiert, wurde mit Bestnote „sehr gut“ bewertet.

Autor:

Dominik Giesen aus Wesel

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