Manipulation und Zensur im Wahlkampf: Wenn Medien sich anmaßen zu bestimmen, was für uns von Bedeutung ist

Gabi Fechtner (Spitzenkandidatin in NRW und Parteivorsitzende der MLPD), Cemil Gültekin (von der Essener Justiz auf Ersuchen der Türkei vorgeladen), Horst Dotten (Direktkandidat im Wahlkreis 119) | Foto: rf-foto
3Bilder
  • Gabi Fechtner (Spitzenkandidatin in NRW und Parteivorsitzende der MLPD), Cemil Gültekin (von der Essener Justiz auf Ersuchen der Türkei vorgeladen), Horst Dotten (Direktkandidat im Wahlkreis 119)
  • Foto: rf-foto
  • hochgeladen von Bodo Urbat (Essen steht AUF)

„Kai Gehring, Bundestagsabgeordneter der Grünen, besucht am Samstag, 2. September, von 11.30 Uhr bis 12.30 Uhr den Infostand auf dem Frohnhauser Markt.“

Als ich diesen Satz in der NRZ vom 31.8. las, musste ich unwillkürlich an den berühmten Sack Reis in China denken. Eigentlich war ich auf der Suche nach einer Ankündigung der Essener Auftaktkundgebung der Internationalistischen Liste/MLPD. Doch weder vorher noch nachher wurde darüber berichtet. Dieses Ereignis war dem für die Wahlberichterstattung zuständigen Lokalredakteur einfach nicht „relevant“ genug.

Meine Nachfrage bei der Internationalistischen Liste/MLPD in Essen ergab: Man hatte bei dem verantwortlichen Redakteur persönlich vorgesprochen und der hatte es schon im telefonischen Vorgespräch rundweg abgelehnt, weil die Internationalistische Liste/MLPD sowieso keine Chance hätte, in den Bundestag zu kommen. Dass andere Lokalredaktionen der gleichen Mediengruppe das anders handhaben und nicht mit fadenscheinigen Argumenten versuchen, ihre Leser zu bevormunden, ficht den Essener Lokalredakteur nicht an.

Bevormundung und Zensur: der Redakteur bestimmt, was für uns von Bedeutung ist

Er sitzt am längeren Hebel, was er für „nicht relevant“ (unbedeutend, unwichtig) erklärt, soll für den Leser ebenso unbedeutend sein. Das alles ist nicht auf seinem persönlichen Mist gewachsen, sondern dafür gibt es bei der Funke-Medien-Gruppe schon lange interne Richtlinien, die regeln, dass über die MLPD möglichst nicht berichtet wird. Ein Verfahren, das übrigens alle „Leitmedien“ und besonders die TV-Sender praktizieren. Es handelt sich hier schlicht um Zensur, denn den Lesern werden einfach wichtige Informationen bewusst vorenthalten.

Die Behauptung, dass die MLPD bzw. Internationalistische Liste/MLPD nicht relevant seien, ist allerdings nicht nur vorgeschoben, sondern entspricht auch nicht der Realität.
Die „Internationalistische Liste/MLPD“ wird getragen von 16 fortschrittlichen, linken und revolutionären Organisationen, darunter eine ganze Reihe Jugend- und Migrantenorganisationen. Über 17.000 Unterstützer haben sich in ihre Listen eingetragen. Sie hat Landeslisten in allen Bundesländern und darüber hinaus rund 140 Direktkandidaten in vielen Städten deutschlandweit. Auf ihren Listen kandidieren nicht nur viele Arbeiter und Angestellte aus großen Konzernbetrieben, sondern auch überdurchschnittlich viele Frauen und Migranten.

Wahlkampfauftakt der Internationalistischen Liste/MLPD in Essen: ein bedeutsames Ereignis wird einfach unterschlagen

Deshalb war dieser Wahlkampfauftakt ein für Essen bedeutsames Ereignis, über das ich hier kurz berichten will (gestützt auf „gewöhnlich gut unterrichtete Kreise“, denn wegen eines Krankenhausaufenthalts konnte ich selber nicht dabei sein).

Immerhin nahmen mehrere hundert Menschen während der gesamten Kundgebung oder zeitweise teil. Im Mittelpunkt stand die Rede von Gabi Fechtner (39), Spitzenkandidatin der Internationalistischen Liste/MLPD für NRW und seit April Parteivorsitzende der MLPD.
Gabi Fechtner ist in Solingen aufgewachsen, hat dort ihre Ausbildung zur Werkzeugmacherin gemacht und war von 2004 bis Ende 2016 für das überparteiliche Wahlbündnis „Solingen aktiv“ im Stadtrat von Solingen. Seit Anfang des Jahres gehört sie dem Kreisverband Essen-Mülheim der MLPD an.
Außer Gabi Fechtner stellten sich auch die drei Essener Direktkandidaten der „Internationalistischen Liste/MLPD“ vor:

• Hannes Stockert (44, Elektriker) kandidiert im Wahlkreis 118 (Mülheim-Essen)
• Martina Stalleicken (38, CNC-Dreherin) kandidiert im Wahlkreis 120
• Horst Dotten (59, langjähriger Metallarbeiter und Betriebsrat bei dem ehemaligen Krupp-Betrieb Kolektor) kandidiert im Wahlkreis 119

Ein weiterer Höhepunkt der Kundgebung waren Beiträge von zwei kurdischen Freunden. Eine junge Frau berichtete, dass sie als gewählte HDP-Bürgermeisterin vom türkischen Staat abgesetzt und eingesperrt wurde, wie hunderte andere auch. Hunderttausende Lehrer und Akademiker wurden entlassen, darunter ihr Mann. Sie floh vor der politischen Verfolgung nach Deutschland.

Cemil Gültekin lebt seit 23 Jahren in Essen. Vor zwei Jahren fuhr er das erste Mal wieder in seine Heimat, um den Wahlkampf der Demokratischen Partei der Völker (HDP) zu unterstützen, die dort von Millionen Menschen gewählt wurde. Nun wurde er deswegen auf Ersuchen der türkischen Justiz in Essen vorgeladen, weil er „terroristischer Taten“ verdächtigt wird. Die Zuhörer reagierten empört, dass sich die deutsche Justiz zum Erfüllungsgehilfen des faschistischen türkischen Regimes macht.

Frauke Petry (AfD) und Volker Beck (Grüne) hetzen gegen die Internationalistische Liste/MLPD

Dass die Internationalistische Liste/MLPD „relevant“ ist, zeigt sich auch hieran: nach dem rechten Grünen Volker Beck forderte nun die AfD-Sprecherin Frauke Petry ein Verbot der Internationalistischen Liste/MLPD, weil bei ihr auch Menschen kandidieren, die für ein befreites Palästina eintreten. Das wird pauschal als „Terrorismus“ verunglimpft. Gegen diese Hetze von Petry gingen bereits zahlreiche Solidaritätsbekundungen aus den In- und Ausland ein, die hier nachgelesen werden können: https://www.rf-news.de/2017/kw35/statements-gegen-afd-forderung-nach-verbot-der-internationalistischen-liste-mlpd

Prominente Unterstützer

Völlig „irrelevant“ ist natürlich auch, dass bekannte Persönlichkeiten wie Professor Roland Günter, bekannter Kulturhistoriker des Ruhrgebiets aus Oberhausen, die Internationalistische Liste/MLPD unterstützen.
Oder Professor Jean Ziegler (Mitglied des Beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrats der UN und Autor zahlreicher globalisierungs- und kapitalismuskritischer Bücher), der schreibt:
„Ich unterstütze das Internationalistische Bündnis. Es ist sehr wichtig, sich solidarisch, internationalistisch und kämpferisch gegen jegliche rechte Regierungspolitik und reaktionäre und faschistische Organisationen und Propaganda zusammenzuschließen, sowie gegen die Umverteilungspolitik von unten nach oben und wachsende Verarmung und Missachtung der Menschenrechte. Ich wünsche dem Bündnis viel Erfolg.“

Ich auch.

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

48 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.