Interview mit der Psychotherapeutin Liane Rumpl-Heisig
Der Weg durch die Krise

Einsamkeit, Frust, Ängste - in der Corona-Krise leiden viele Menschen darunter. Doch es gibt Wege, um diese dunkle Zeit gut zu überstehen. Foto: Kappi
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  • hochgeladen von Judith Schmitz

Seit Monaten hält die Corona-Krise die Welt in Atem. Nach einem halbwegs entspannten Sommer steigen die Zahlen der Infizierten beinahe täglich auf neue Rekordhöhen, und ein Ende ist nicht in Sicht. Was tun, um gut durch diese dunkle Zeit zu kommen? Der Stadtspiegel sprach mit der Psychologin und Psychotherapeutin Liane Rumpl-Heisig.

Stadtspiegel: Wie macht sich die Corona-Krise in Ihrer täglichen Arbeit bemerkbar?
Rumpl-Heisig: Ich merke bei meinen Patienten, dass Corona in Gesprächen immer öfter Thema ist. Ängste und Depressionen nehmen zu. Viele fragen sich "Wie wird das weitergehen?", und das ist auch ganz normal.

Stadtspiegel: Wie kann man mit solchen Unsicherheiten umgehen?
Rumpl-Heisig:
Man sollte solche Gefühle annehmen und auch zulassen: Einsamkeit, Langeweile, Angst, Frust. Wir können viele Dinge nicht mehr tun, die das Leben schön machen. Das belastet natürlich. Wenn sich diese Gedankenspirale aber immer weiter dreht, sollte man versuchen, inne zu halten und sich selber zu beruhigen.

Stadtspiegel: Wie funktioniert das?
Rumpl-Heisig:
Man sollte sich immer mal wieder vor Augen führen, was man bereits geleistet hat, welche Schwierigkeiten und Probleme man in seinem Leben schon gemeistert hat. Das gibt Zuversicht, auch aus der momentanen Situation heil heraus zu kommen. Helfen können zum Beispiel auch Atem- und Entspannungsübungen. Es gibt im Internet eine Reihe guter Videoportale, die dazu Anleitung geben.
Und ganz wichtig: Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass es irgendwann vorbei sein wird. Diese Krise wird nicht ewig dauern. Und auch das Bewusstsein, dass man in dieser schwierigen Zeit eine kollektive Verantwortung trägt, sich an die Regeln zu halten, ist hilfreich. Man ist Teil eines großen Ganzen und leistet einen Dienst für die Gesellschaft.

Stadtspiegel:
Gerade ist für viele Familien der Urlaub geplatzt, die Angst vor einem zweiten Lockdown ist da. Wie vermeidet man, gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit, in Trübsal zu versinken?
Rumpl-Heisig:
Man sollte versuchen, bewusst positive Gefühle herzustellen, schöne Dinge tun. Einen guten Film schauen oder etwas besonders leckeres zu essen machen. Familien, deren Urlaub geplatzt ist, könnten sich ein Alternativprogramm überlegen. Das gibt ein Gefühl der Kontrollierbarkeit der Situation. Man ist kein Opfer, sondern bestimmt selbst, was passiert - in den aktuellen Grenzen. Am Ende kann das Gefühl stehen: Das haben wir gut hingekriegt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist Bewegung. Die ist wahnsinnig hilfreich und gut für die Psyche. Auch hier gibt es gute Videoportale. Ich muss also nicht ins Fitness-Studio oder in die Sporthalle gehen, ich kann das auch in meinem Wohnzimmer machen. Und natürlich Kontakte zu anderen zu pflegen, wenn schon nicht von Angesicht zu Angesicht, dann wenigstens per Telefon oder Videochat. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen den Austausch mit anderen.

Stadtspiegel: Viele Menschen arbeiten zurzeit im Homeoffice. Was können sie tun, um nicht zu "versumpfen"?
Rumpl-Heisig: Eine Tagesstruktur ist ganz wichtig. Wann ist Arbeitszeit und wann ist Zeit für die Familie? Und an diese Struktur sollte man sich auch halten. Zu einer festen Zeit aufstehen, sich fertig machen und dann an den Schreibtisch gehen - nicht im Schlafanzug mit dem Butterbrot in der Hand arbeiten.

Stadtspiegel: Bemerken Sie seit der Corona-Krise eine Veränderung in Ihrem Arbeitsalltag?
Rumpl-Heisig: Ich bekomme schon sehr viele Anrufe in letzter Zeit. Aber das ist auch gut so, denn wenn man alleine nicht mehr aus dieser Gedankenspirale raus kommt ist es wichtig zu wissen, dass man sich Hilfe holen kann. Es gibt auch die Möglichkeit, in den wöchentlich angebotenen Sprechstunden der Therapeuten erste Gespräche zu führen. Manche Kollegen bieten auch die Möglichkeit an, am Telefon oder per Videoschaltung diese Gespräche zu führen. In manchen Fällen kann das schon ausreichen.

Autor:

Judith Schmitz aus Bottrop

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