Hinter Gittern

Hinter Gittern: Derzeit verbüßen in der JVA Castrop-Rauxel 500 Häftlinge ihre Strafe im offenen Vollzug. Foto: Thiele
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Viele Orte bleiben den meisten Menschen verschlossen und wecken deshalb Sehnsüchte. Sicherlich kein Sehnsuchtsort ist das Gefängnis. Wer möchte schon sein Leben in Unfreiheit verbringen? Der Stadtanzeiger hat einen Blick gewagt, um zu gucken, wie es drinnen aussieht.

„Ab sofort halbe Ration und für das nächste halbe Jahr Dunkelhaft. Dunkelheit wirkt Wunder bei schlechtem Gedächtnis.“ Mit dieser drakonischen Strafe will der Leiter der Strafkolonie in Französisch-Guayana den Willen des von Steve McQueen dargestellten Titelhelden in dem Gefängnisdrama „Papillon“ brechen.

Begehen Menschen hierzulande Straftaten, dann dauert es nicht lange, bis rechtspopulistische Politiker und kleingeistige Mitbürger Strafen à la „Papillon“ fordern. Doch liegt der Sinn unseres Rechtssystems in Rache? Und wenn nicht: Machen harte Strafen Gesetzesbrecher zu guten Menschen?

„Im Urteil steht: ‚im Namen des Volkes‘. Da steht nicht, dass wir die Häftlinge kaputt machen sollen“, betont Julius Wandelt, Leiter der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel. Das Gefängnis verfügt über 567 Haftplätze; 500 sind derzeit belegt. In Castrop-Rauxel wird ein offener Vollzug praktiziert. „Wir machen fit für ein straffreies Leben“, erläutert Wandelt.

Die Häftlinge haben, wenn sie nach Castrop-Rauxel verlegt werden, den Großteil ihrer Strafe bereits hinter sich. Das Gefängnis sieht nicht aus wie eins. Eher wie eine Jugendherberge. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Hinter der Gebäudefassade gibt es Hafträume. Die Häftlinge werden abends eingeschlossen. Ein Gefängnis ist ein Gefängnis.

Zu einem solchen wurde der Gebäudekomplex erst 1968. Davor war der „Meisenhof“, wie die JVA auch heute noch genannt wird, ein Berglehrlingsheim. 21 Gebäude gibt es hier, darunter zwölf Hafthäuser.

Wer hier einsitzt, hat Arbeitspflicht. Es gibt einen Garten, in dem gearbeitet werden kann. Auch Tiere werden auf dem Gelände gehalten: Es gibt ein Ziegengehege. Bis 22 Uhr haben die Gefangenen das Recht, sich auf dem Gelände frei zu bewegen.

Offener Vollzug bedeutet aber auch, dass draußen gearbeitet werden kann; ein Teil der Häftlinge ist in Betrieben beschäftigt – mit dem Unterschied, dass es nach Feierabend nicht nach Hause, sondern in die JVA geht.

Ein Feierabendbier ist ausgeschlossen. Der Konsum von Alkohol oder illegalen Drogen hat den Verlust des offenen Vollzuges und die Verlegung in eine der umliegenden Haftanstalten zur Folge, beispielsweise nach Dortmund. Zu den Anstaltsleitern in der Region besitzt Wandelt einen kurzen Draht.

Verliert ein Häftling wegen eines Verstoßes gegen das Alkoholverbot seinen Platz in Castrop-Rauxel, ist eine Rückkehr nicht ausgeschlossen. „Schick mir den nach drei Monaten wieder zurück“, teilt Wandelt dann dem jeweiligen Amtskollegen mit.

Mancher Insasse besitzt draußen noch eine Familie, darf im Rahmen des offenen Vollzugs seine Frau treffen. „Wenn es sie noch gibt“, sagt Wandelt. „Die Haft führt nicht selten zu Scheidungen.“

Die Haft hat noch andere Folgen, gerade bei Gefangenen, die lange einsitzen. „Nach sechs, sieben Jahren wird da im Kopf ein Schalter umgelegt“, erzählt Wandelt. „Der Häftling bleibt vor jeder Tür stehen und wartet, dass ein Signal kommt.“ Gerade ältere Gefangene, die jahrelang hinter Gittern saßen, haben Schwierigkeiten mit der wiedergewonnen Freiheit, müssen dann in betreute Einrichtungen wie Altersheime. „Das sind die schädlichen Folgen des Vollzugs“, resümiert Wandelt.

Bei der Zugangsuntersuchung wird der Häftling auf seinen Gesundheitszustand geprüft, werden auch psychische oder soziale Probleme abgeklopft. „Der hat eine verkorkste Vorstellung von dem, was er darf, oder von dem, was er sich selbst antut“, reflektiert Wandelt über die Lebensgeschichten seiner Schützlinge.

Der offene Vollzug soll Perspektiven schaffen, das zu ändern.

Autor:

Sascha Ruczinski aus Schwelm

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