Jugendgeschichtspreise 2012 des Jüdischen Museum Westfalen verliehen

„Dieser Wettbewerb soll junge Menschen ermutigen sich mit Geschichte zu befassen und Lehrer bestätigen, packende Aufgaben mit forschendem Zugriff zu stellen“, fasste Dr. Norbert Reichling vom Jüdischen Museum in einem Satz treffend zusammen. Gemeint ist der Jugendgeschichtspreis, der in diesem Jahr zum vierten Male von einer Jury der Einrichtung verliehen wurde. Vergangene Woche wurden die Preisträger an der Julius-Ambrunn-Straße ausgezeichnet. Reinildis Hartmann, Thomas Ridder und Kurt Langer hatten in den Monaten zuvor ein rundes Dutzend Einsendungen von Facharbeiten zur jüdischen Geschichte, Religion und Gegenwart sowie zur NS-Geschichte examiniert. Die Ausschreibung richtete sich NRW weit an alle Oberstufenschüler. „90%“ der eingereichten Arbeiten kamen von Schülerinnen, Mädchen scheinen sich momentan mehr für Geschichte zu interessieren“, stellte der wissenschaftliche Mitarbeiter des Jüdischen Museums Thomas Ridder fest. So ist es nicht verwunderlich, dass die vier Ausgezeichneten allesamt „Preisträgerinnen“ waren. Den dritten Platz teilen sich Hanna Schnetger vom Gymnasium Georgianum in Vreden und Kira Kühnhenrich des Geschwister-Scholl Gymnasiums in Marl. Schnetger untersuchte die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die Landwirtschaft und das bäuerliche Leben in ihrer Heimat. „Meine Eltern sind aus dem Ruhrgebiet dorthin gezogen, sie und die Großeltern haben mir viel vom Krieg im Industrieraum erzählt. Da hab ich mich gefragt, wie sah es denn auf dem Land aus“, beschreibt die 18-jährige ihre Beweggründe dieses Thema zu wählen. Reinildis Hartmann lobte die gelungene Verbindung von Recherche in Zeitdokumenten mit der Befragung einer Zeitzeugin, einer 85-jährigen Bäuerin. Denselben Ansatz hatte die 19-jährige Kühnhenrich gewählt. Sie setzte sich mit der NS-Zeitungspropaganda in ihrer Heimatstadt auseinander und befragte zu den Auswirkungen Rolf Abrahamson, Marler Bürger und Holocaust-Überlebender. Der betagte Abrahamson konnte an der Preisverleihung nicht teilnehmen, ließ der Schülerin aber durch Thomas Ridder übermitteln, das Bäumchen, das er für sie in Israel im Gedenkwäldchen für seine ermordeten Angehörigen gepflanzt hat, wachse und gedeihe. Die zweitplazierte Arbeit war die der 17-jährigen Judith Ihl vom Gymnasium Remigianum in Borken. Die Autorin hatte sich dem Studium der Feldpostbriefe von der Ostfront ihres Großonkels Johannes Rademacher gewidmet. Sie ging den Fragen nach, wie weit die Briefe den wirklichen Frontalltag widerspiegeln und wo Zensur und Propaganda die Beschreibung der Realität beeinflussten. Ebenfalls erst 17-jährig ist die Trägerin des ersten Preises. Lisa Katharina Schumacher vom Städtischen Mädchengymnasium in Essen-Borbeck stellte ihre Arbeit in einem Vortrag selber vor. Unter dem Titel „Die Täter des Holocaust. Wie konnten „ganz normale“ Deutsche zu Massenmördern werden?“ analysierte sie zahlreiche Studien zu den Persönlichkeitsstrukturen der 500.000 Deutschen, die in ihren Positionen in unterschiedlicher Weise am Holocaust beteiligt waren. Zudem zeichnete sie gesellschaftspolitische und historische Zusammenhänge auf. „Wir sind begeistert wie viel kompetente wissenschaftliche Aufarbeitung alle Preisträger geleistet haben“, honorierte Reinildis Hartmann die Arbeit aller Schüler. Die Kommission hat auch 2012 wieder einen Sonderpreis für eine Gruppe vergeben. Dieser ging an ein Projekt der Realschule Essen-Überruhr. Schüler hatten sich über mehrere Wochen mit dem Thema „Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Erinnerung“ beschäftigt. Unter anderem organisierten sie einen mediengestützten Rundgang durch Essen-Steele und projezierten vor Wohnungen jüdischer Familien Fotos auf die Hausfassaden. In dieser Gruppe gab es übrigens auch einige Jungs.

Autor:

Barbara Seppi aus Dorsten

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