Gemeinsamer Schlag der Landesregierung NRW
Vier Sammelunterkünfte in Emmerich kontrolliert

Ab dem frühen Sonntagmorgen wurden mehrere Sammelunterkünfte in Emmerich am Rhein kontrolliert. | Foto: Stadt Emmerich
4Bilder
  • Ab dem frühen Sonntagmorgen wurden mehrere Sammelunterkünfte in Emmerich am Rhein kontrolliert.
  • Foto: Stadt Emmerich
  • hochgeladen von Petra Zellhofer-Trausch

Am frühen Morgen des 13. Februars startete in Emmerich am Rhein eine gemeinsame grenzüberschreitende Kontrollaktion von Sammelunterkünften für Arbeitsmigranten. Rund 50 Mitarbeitern unterschiedlicher deutscher und niederländischer Behörden waren im Einsatz, um insgesamt vier Unterkünfte am Großen Wall, an der Eltener Straße, im Laubenweg und in der Hegiusstraße zu überprüfen und die Bewohner zu befragen. In den Objekten sind vornehmlich Arbeiternehmer aus Osteuropa untergebracht, die bei niederländischen Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind und insbesondere in der Fleischindustrie im Nachbarland arbeiten.

Die gemeinsame Aktion war zuvor vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW koordiniert und in enger Abstimmung mit der Stadt Emmerich am Rhein vorbereitet worden. Mit dabei waren unter anderem auch Kräfte der niederländischen „Arbeitsinspectie“, um Verstöße gegen Arbeitsschutzrecht zu überprüfen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Rathaus inspizierten die Objekte auf baurechtliche Mängel. Außerdem wurden die Bewohnerinnen und Bewohner mit Hilfe von Dolmetschern melderechtlich überprüft und zu Arbeits- und Unterbringungsbedingungen befragt. Mehrere Räume in den vier Objekten mussten für unbewohnbar erklärt werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden von der Stadt in Ausweichquartieren untergebracht.

Peter Hinze und Dr. Stefan Wachs an allen Unterkünften mit vor Ort
Auch Bürgermeister Peter Hinze und der Erste Beigeordnete Dr. Stefan Wachs waren an allen vier Unterkünften vor Ort und machten sich ein Bild über die Zustände. „Es ist erschreckend zu sehen, wie unwürdig die Menschen zum Teil untergebracht sind. Wenn die Kontrollen abgeschlossen sind, werden wir mit der ganzen Härte der uns zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen die Eigentümer der Objekte vorgehen. Ich bin dankbar, dass die übergeordneten Ebenen unser Rufen nach strengeren und wirksamen Kontrollmaßnahmen erhört hat. Denn nur, wenn wir auch in Zukunft gemeinschaftlich und grenzüberschreitenden vorgehen, können wir den ausbeuterischen Methoden mancher Zeitarbeitsfirmen im Grenzraum Einhalt gebieten. Es zeigt sich, wie wichtig der Datenaustausch über Grenzen hinweg ist. Deshalb freut es mich, dass Ministerin Scharrenbach weitere derartige Aktionen angekündigt hat“, äußerte sich Bürgermeister Peter Hinze.
Er dankte allen Kollegen, die an der Aktion beteiligt waren:

„Alle Kräfte waren mit einer großen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt den ganzen Sonntag über im Einsatz. Man spürte eine hohe Motivation, die Lebensumstände für die Arbeitsmigranten hier in unserer Stadt zu verändern. Ihnen gilt mein großer Dank und Respekt!“

Hintergrund

Gemeinsamer Schlag von Landesregierung Nordrhein-Westfalen und niederländischer Regierung gegen menschenunwürdige Unterbringung von Arbeitnehmern - Ministerin Scharrenbach: Erstmals grenzübergreifende Kontrollaktion von Sammelunterkünften

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung teilt mit:
In einer gezielt durchgeführten landesübergreifenden Aktion haben nordrhein-westfälische und niederländische Behörden am 12. und 13. Februar Kontrollen von Unterkünften im deutsch-niederländischen Grenzgebiet durchgeführt. Insgesamt sechs Sammelunterkünfte in Geldern und Emmerich wurden dabei in Bezug auf Bauvorschriften, Wohnqualität, Überbelegung und Hygienevorschriften überprüft. Dabei bestätigte sich der Verdacht einer organisierten Einschleusung von Arbeitnehmern, vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien, sowie Mieter- und Arbeitnehmerausbeutung durch Unternehmen der Leiharbeit im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Die festgestellten Rechtsverstöße sollen ordnungsrechtlich geahndet werden.

Schimmel, Schädlingsbefall und fehlende Stromversorgung
In den kontrollierten Unterkünften wurden unter anderem erhebliche Brandschutzmängel, Schimmel, Schädlingsbefall, fehlende Stromversorgung und weitere bau- und wohnungsrechtliche Mängel festgestellt. Es werden zudem voraussichtlich Nutzungsuntersagungen für einige Unterkünfte erlassen. Eklatante Verstöße gegen Arbeitsschutzrecht (Mindestlohn, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz) werden die niederländischen Behörden zusätzlich ahnden. Dort wo es einen Anfangsverdacht von Steuerstraftaten gibt, werden zudem die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet.

Über 140 Personen kontrolliert
Über 140 Personen wurden den beiden Kontrolltagen von je 40 Mitarbeitern unterschiedlicher deutscher und niederländischer Behörden im Rahmen der Kontrollaktion kontrolliert und über ihre Schutzrechte aufgeklärt. Neben einer Vielzahl von kommunalen Behörden, wie Bauaufsicht, Wohnungsaufsicht, Ordnungsamt, lokale Feuerwehr und Gesundheitsamt, war auch der Arbeitsschutz der Bezirksregierung Düsseldorf, die Steuerfahndung sowie der staatliche niederländische Arbeitsschutz beteiligt. Für die Sicherheit der insgesamt 80 Mitarbeitern sorgten Aufgebote der Kreispolizeibehörde Kleve und der Bundespolizei. Die Kontrollaktion wurde vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und koordiniert.

Schlag gegen menschenunwürdige Unterbringung
Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen: „Mit der grenzübergreifenden Kontrollaktion von Sammelunterkünften ist uns ein Schlag gegen die menschenunwürdige Unterbringung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gelungen. Die Landesgrenzen dürfen kein Hindernis sein, um gegen ausbeuterische Strukturen vorzugehen. Mit der erstmalig grenzübergreifend durchgeführten Kontrollaktion haben wir die Scheinwerfer auf prekäre Arbeits- und Wohnverhältnisse gerichtet und illegale Strukturen aufgedeckt, um Betroffene aus den menschenunwürdigen Bedingungen zu befreien. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden und den Sicherheitskräften, die an der Kontrollaktion beteiligt waren.“

Hier und jenseits der Grenze
„Arbeitsmigranten haben wie alle anderen auch Anspruch auf angemessenen Wohnraum und ordentliche Arbeitsbedingungen. Das gilt hier genauso wie jenseits der Grenze. Deshalb bin ich froh, dass wir die Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen intensiviert haben. An diesem Wochenende haben die ersten gemeinsamen Inspektionen in der Grenzregion stattgefunden. Gemeinsam mit unseren deutschen Partnern können wir so grenzüberschreitende Missstände anpacken und die Situation von Arbeitsmigranten verbessern“, sagt Karien van Gennip, Ministerin für Soziales und Arbeit der Niederlande.

Profit aus der Not der Arbeitsmigranten
Silke Gorißen, Landrätin Kreis Kleve: „Skrupellose Unternehmer schlagen auf perfide Weise Profit aus der Not vieler Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten aus Südosteuropa. Durch seine Nähe zu den verarbeitenden Betrieben in den Niederlanden ist der Kreis Kleve besonders stark von Zuwanderungen betroffen. Die Situation dieser Menschen können wir nicht tatenlos hinnehmen. Als Modellregion hat der Kreis Kleve die Möglichkeit, das Landesministerium bei der Bekämpfung der untragbaren Zustände mit Nachdruck zu unterstützen.“

Deutliches Signal an die Hintermänner
Sven Kaiser, Bürgermeister der Stadt Geldern: „Wir sind dem Ministerium von Ministerin Ina Scharrenbach dankbar für die Koordinierung dieses groß angelegten Einsatzes. Zusammen mit den Mitarbeitenden unserer Verwaltung wurde die Aktion seit Monaten im Hintergrund akribisch vorbereitet. Wie in vielen Kommunen nahe der niederländischen Grenze beschäftigt uns die Leiharbeiter-Problematik auch in Geldern schon seit längerer Zeit. Die jetzt durchgeführte Aktion ist deshalb auch ein deutliches Signal an die Hintermänner dieses Systems, dass die Landesregierung und die betroffenen Kommunen nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft Hand in Hand entschlossen gegen dieses System des Menschenhandels und der Ausbeutung vorgehen werden, um die bestehenden Missstände zu bekämpfen.“

Prekäre Bedingungen
Viele Arbeitnehmer sind in Sammelunterkünften grenznah auf der deutschen Seite untergebracht und arbeiten auf der niederländischen Seite – jeweils unter prekären Bedingungen. Sie wer-den in den Niederlanden unter unwürdigen Arbeitsbedingungen beschäftigt. Vor allem Leiharbeitsunternehmen, vorwiegend mit Geschäftsbeziehungen in die fleischverarbeitende Industrie, bauen solche Strukturen auf. Alleine im Kreis Kleve (mit den Städten Geldern und Emmerich) gehen Schätzungen davon aus, dass etwa 2.000 Arbeitsmigranten betroffen sind.

Ein erster wichtiger Schritt
„Die grenzüberschreitende Kontrollaktion war und ist ein erster wichtiger Schritt, um Missstände auf beiden Seiten der Grenze aufzudecken und zu bekämpfen. Nur so lassen sich auf Dauer angemessene Arbeits- und Wohnbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Griff kriegen“, so Ministerin Scharrenbach weiter. Mit dem zum 1. Juli 2021 eingeführten Wohnraumstärkungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen wurden die Kommunen bei der Überprüfung von Gebäuden und Unterkünften, die für die Unterbringung von Arbeitnehmern genutzt werden, in ihren Befugnissen gestärkt. Das Ministerium für Heimat Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen hat zudem parallel dazu

"Ein scharfes Schwert" für die Kommunen
Strukturen für eine koordinierte Zusammenarbeit mit den Niederlanden entwickelt. Nun erfolgte die Kontrollaktion auf deutschem Boden. Den Grundstein für die durchgeführten Maßnahmen wurden im Dezember 2020 im Rahmen der Regierungskonsultationen mit den Niederlanden gelegt.
„Das Wohnraumstärkungsgesetz, ist ein scharfes Schwert, was wir den Kommunen an die Hand gegeben haben, damit sie Missstände beseitigen können. Wir helfen ihnen, wie bei der jetzigen Kontrollaktion dabei, es auch zu nutzen. Deshalb war das erst der Anfang. Weitere Aktionen wie diese werden folgen, damit wir den Sumpf von ausbeuterischen Strukturen trockenlegen und menschenunwürdige Unterkünfte auflösen“, kündigt Ministerin Scharrenbach an.

Autor:

Lokalkompass Emmerich aus Emmerich am Rhein

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.