(Un)christliches Architekturerbe des "Dritten Reichs"
Die Kapelle im Huyssensstift – ein Relikt der „Deutschen Christen“

Kapelle Huyssenstift: heutige Zentralansicht ohne das Altarbild mit dem blonden Jesus,der im Magazin gelandet ist. Allerdings weiterhin mit den Deckenfächern mit Hakenkreuzdekor.  | Foto: Walter Wandtke
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  • Kapelle Huyssenstift: heutige Zentralansicht ohne das Altarbild mit dem blonden Jesus,der im Magazin gelandet ist. Allerdings weiterhin mit den Deckenfächern mit Hakenkreuzdekor.
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Umgestaltung der Krankenhaus-Kapelle der Huyssensstiftung:
einfach die Hakenkreuze Rausreißen ist auch keine Lösung:

Angesichts der aktuellen Auseinandersetzung um die Kapellengestaltung aus der NS-Zeit ist es mehr als bedauerlich, dass in den neunziger Jahren das Krankenhausgebäude der Huyssensstiftung nicht unter Denkmalschutz gestellt wurde. Seinerzeit hatten aber große Sanierungs-und Erweiterungsbauten bereits dafür gesorgt, dass im Sinne des Denkmalschutzes dort kein wirklicher Eindruck der ursprünglichen Bauhausarchitektur mehr gewährleistet war. Der partielle Schutz zumindest der bis heute weitgehend unverändert gebliebenen Kapelle ist aber immer noch möglich.
Die Hinterlassenschaften der 12 Jahre nationalsozialistischer Diktatur und ihrer Anhänger*innen in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft können und sollten uns auch 73 Jahre nach ihrem Zusammenbruch nicht in Ruhe lassen .

Kirchenästhetik und der Einfluss der „Deutschen Christen“

In diesem Krankenhausbau von 1935 wurde für die Kapelle als zentrales Altarbild eine blonde Jesusgestalt vorgesehen. Die nicht bloß dekorativen, sondern sinnstiftenden Symbole in den 5 Fächern der Deckenbemalung werden dort dreimal durch Hakenkreuze verbunden, nur in zwei Nebenfächern sind dafür klassische Kreuze in einem Kreis zu sehen.
Biblische Gestalten aus dem neuen Testament in den Glasfenstermotiven der Außenwände der von Fachleuten als eine Art „Rittersaal“ beschriebenen Kapelle, sind ebenso recht kantig-nordisch gestaltet, weit ab von der Idee, dass Jesus Christus etwas mit einer Erneuerungsbewegung des Judentums zu tun gehabt haben könnte.
Wo heute ein schlichtes Holskreuz der Wand über dem Altar beherrscht, hing viele Jahrzehnte das mittlerweile ins Magazin verbannte, zentrale Altarbild eines blondhaarigen Jesus. Dieses evangelisch deutsche Christentum kannte viele Facetten, um zu unterstreichen, dass es Teil des großdeutsch erwachten arischen Volkes ein wollte.
Die Ästhetik dieser Kapelle lässt an vielen Details aufscheinen, wie nah wichtige Kreise der protestantischen Kirche nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 der neuen Staatsmacht des sogenannten „Dritten Reichs“ standen.

Geschichte zu tilgen, wird nicht gelingen

Die frühere, von nicht unwesentlichen Teilen der evangelischen Kirche und ihrer Einrichtungen gesuchte Nähe zur NS-Ideologie sollte gerade deshalb nicht jetzt nach über 80 Jahren unter den Teppich gekehrt werden. Besser wäre die selbstbestimmte kritische Aufarbeitung und in diesem Fall eben keine Auslöschung der speziellen Geschichte dieser Kapelle. Deshalb sollte die Entscheidung der Krankenhausleitung, die historische Gestaltung ihrer Klinikkapelle in Huttrop vollkommen auszulöschen, hoffentlich noch veränderbar sein.
Wie auch Leserbriefe von Herrn Dr. Geymüller und des „Arbeitskreises Essen 20130“ im WAZ/NRZ-Lokalteil darstellen, gibt es gute Gründe, dieses problematische sakrale Gesamtkunstwerk zu erhalten. Es geht hier nicht bloß um das erst auf den zweiten Blick erkennbare Hakenkreuzdeckendekor, sondern um die sehr subtile Gesamtgestaltung dieses Kirchenraums.
Für eine Kapelle oder einen überkonfessionellen Raum der Andacht in ihrer Klinik sollten sich andere Möglichkeiten finden lassen – vielleicht ja auch mit dem architektonischen Konzept, dass vom Krankenhaus ja bereits in Auftrag gegeben wurde.
Mit entsprechenden aufklärenden Hinweisen könnte ihre Kapelle in ihrer derzeitigen Gestaltung ein wichtiger Mosaikstein zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in unserer Stadt, wie auch zu dessen Einsickern in die verschiedensten sozialen Einrichtungen werden.

Krankenhauskapelle sollte ein kritischer Gedenkort werden

Diese Kapelle als kritischen Gedenkort bei Erhalt seines ästhetischen Konzepts aus den dreißiger Jahren zu erhalten, kann hervorragend verdeutlichen, dass die heutige evangelische Kirche und erst recht die Krankenhausleitung nichts wie damaligen Bewegungen wie den „Deutschen Christen“ oder anderen früheren NS-Regime nahen christlichen Gruppen zu tun hat. Dabei würde allerdings auch zutage treten, dass die sehr ehrenwerten Bestrebungen an möglichst großer Regimeferne der „bekennenden Kirche“ und von Menschen wie unserem späteren Oberbürgermeister und Bundespräsidenten Gustav Heinemann innerhalb der Protestanten im Dritten Reich leider in der Minderzahl blieben.
Mit den historisch-kirchengeschichtlich kritischen Einbettungen würde die Huyssensstiftung auch der Stadt Essen einen aufklärerischen Dienst erweisen.

Diese Kapelle von 1935 im Huttroper Huyssensstift sollte ein Beitrag zum Kampf gegen erneute autoritär- menschenfeindliche Ideologien werden, die unglücklicherweise auch heute gern im Gewand religiöser Bewegungen daher kommen.
Walter Wandtke

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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