KUNST AM FLUSS - PETER LECHNER

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Seine letzte Skulpturen-Ausstellung im Forum Kunst & Architektur habe ich zur Hälfte verpasst.
Gesehen habe ich die mächtigen rätselhaften Betonskulpturen auf dem Kopstadtplatz in Essen; verpasst habe ich die kleineren Arbeiten, die Peter Lechner im Inneren der Ausstellungsräume präsentierte, fein und zerbrechlich. Zwei Seiten eines Künstlers.

Nun treffe ich ihn in einem ehemaligen Industriegebäude in Essen-Steele-Horst, unweit der Ruhr, wo früher Alteisen verarbeitet wurde. Breloher Steig 5, Tor 4.
Kein Namensschild, das mir den Weg weist, nur eine kompakte Betonskulptur vor dem blauen Eisentor, ein aufrecht stehendes Dreieck, massiv und doch wie in zwei Teile zerrissen.

Geschmackvoll gekleidet, schlank und mit vollem Haar empfängt mich der Künstler auf der Laderampe. Dieser Mann soll schon Anfang Siebzig sein? Man glaubt es nicht.
Ein geräumiger, zimmergroßer Lastenaufzug bringt uns in die zweite Etage diese schmucklosen Gebäudes. Er knarrt und ächzt, und man ahnt, wie viele Tonnen Beton-Kunst er befördert haben mag.
Die schweren Eisenflügel der Aufzugstür öffnen sich und wir stehen unmittelbar in einer Ansammlung von Betonskulpturen, allesamt hellgrau, betonfarben ohne Bemalung bis auf eine Ausnahme , die – wie aus einem Puzzle herausgeschnitten – sich in dunklem Blau zeigt.
Ein Blau wie von Yves Klein entlehnt.
Gleich daneben feingliedrige, zerbrechliche Kunst. Gebrannter Ton mit einer Platinschicht. Kunstwerke wie aus Urzeiten, zeitlos schön. Gold-Glasbilder mit mäanderförmigen Zeichen, bei 750 Grad im mannshohen Brennofen ihren Glanz bekommen.
Nebenan meldet sich ein Hund mit leichtem Gebell. „Lucie aus Ungarn“ erklärt mir der Hausherr, „Sie bellt nur aus Angst und wird sich gleich beruhigen“ Während ein starker Kaffee zubereitet wird, werfe ich einen Blick aus dem riesigen Fenster und entdecke auf dem Nachbargelände einen Containerdienst. Unten wird Bauschutt und Schrott recycelt. Vergehen und Entstehen.
„Ich mag diese Atmosphäre hier“, so Peter Lechner, geboren in Witten an der Ruhr, Vater Maler und Keramiker aus Österreich, Mutter Bildhauerin und Keramikerin.
Seine Kindheit mit Wohnung und Keramikwerkstatt in einer ausgebrannten Schamottfabrik des Großvaters und die Nähe zum Fluss haben den Künstler stark geprägt.
„Noch heute ziehen mich Schrottplätze, Ruinen, Unfertiges und Chaos magisch an. Ja, im Rückblick erscheint mir meine gesamte künstlerisch kreative Tätigkeit als eine konsequente Fortsetzung meines damaligen Spielens in den Trümmern.
Fast nahtlos ging meine Jugend demzufolge in eine handwerklich künstlerische Keramik- und Bildhauerausbildung über.“

Kaum 21 Jahre alt und noch in der handwerklichen, künstlerischen Ausbildung zum Bildhauer und Keramiker verstarb sein Vater und Peter Lechner übernahm die elterliche Keramikwerkstatt die ihn zu einem der bekanntesten Kachelofenbauer Deutschland machte.
Immer wieder zwei Welten, die Peter Lechner verbindet. Kunst und Handwerk, Architektur und Kunst.
Die Zusammenarbeit mit namhaften Architekten brachten viele Erfolge. 50 beruflich erfolgreiche Jahre kann man kaum in diesem Beitrag dokumentieren.
Beispiele:
Kunst im öffentlichen Raum wie die Brunnengestaltung im Zentrum von Witten, Rauminstallation aus Stahl an der Uni Münster, Brunnen im Stadtzentrum von Eutin, Gestaltung von Hallenbädern in Dortmund, ein Altarstein in Volmarstein, Design und Ausführung für die Off-Shore-Messe, Fa. Hösch, Houston (Texas) und, und, und…
Die Umgestaltung der Werft Dehler in Zaandam/Niederlande brachte Peter Lechner nach Holland und ans Wasser. Ein Hausboot wurde gekauft, groß genug um ein Atelier dort einzurichten.
In der Nähe zum Wasser entstanden Wasserskulpturen und Entwürfe wie z. B. für einen Ruhrtal-Kunstweg in Witten an der Ruhr und am Kemnader See.
Im Zuge einer Verlagerung des eigenen Schwerpunktes von überwiegend Auftragsarbeiten hin zur freien bildhauerischen Arbeit richtete er 2004 ein neues Atelier in Essen-Steele ein.
„Mit dieser Schwerpunktsverlagerung einher ging eine Rückbesinnung auf meine Wurzeln, auch auf die österreichischen (von Eltern und Großeltern her), verbunden mit dem Wunsch, auch dort Spuren zu hinterlassen, wie z.B. mit einer auf dem Attersee schwimmenden Skulptur in Unterach, die sich zur Zeit in Planung befindet“.
„Im Idealfall bekomme ich eine Aufgabe, an der ich meine kreative Seite ausspielen kann.
Ich spiele mit dem Material: Bevor ich beginne, habe ich noch keine konkrete Vorstellung.“
Inzwischen hat sich Lucie beruhigt, ich bedanke mich für die harmonische Unterhaltung und wünsche insgeheim, dass Peter Lechner vielleicht mal eine künstlerische Spur in Steele an (oder in) der Ruhr hinterlassen wird.

Dieter Kunst

Autor:

Dieter Kunst aus Essen-Steele

Webseite von Dieter Kunst
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