Bürgerreporter Meinung: Positive und negative Eindrücke aus der Bürgerversammlung vom 13.02.20 in Essen-Steele

Seit einiger Zeit ist die Stimmung im Essener Stadtteil Steele schon sehr unterkühlt. Das liegt an dem schon länger anhaltenden Konflikt zwischen Rechts und Links. Auf der einen Seite wären da die "Steeler Jungs" und deren Anhängerschaft, die einmal pro Woche eine Art "Spaziergang" durch den Stadtteil machen und damit für ein gewisses Aufsehen sorgen. Denn unter den Mitlaufenden tummeln sich neben vielen normalen Bürgern, die ihren Ängsten, Sorgen und auch ihrer Wut Ausdruck verleihen wollen, eben auch einige Leute, die der rechtsradikalen Szene zuzuordnen sind. Auf der anderen Seite hat der Stadtteil auch einige Gegenbewegungen ins Leben gerufen, die linksmotiviert sind und sich gegen den Rechtsruck in Essen Steele zur Wehr setzen wollen. Leider gibt es auch da mittlerweile Teilnehmer die deutlich der so genannten "Antifa" zuzuordnen sind. Diese stetige Auseinandersetzung sorgt mittlerweile für ein erhebliches Chaos und auch einigen Unmut bei den Menschen im Stadtteil. Insbesondere der Gewerbetreibenden beklagen mittlerweile bereits Umsatzeinbußen, da ihre Kunden immer öfter an den Aktionstagen Dienstag und Donnerstag die Steeler City meiden.

Aus diesen Gründen gab es also nun den ersten richtigen Bürgerdialog, wo sich nach einer "Diskussion" auf dem Podium auch Menschen aus allen Lagern zu Wort melden konnten, um ihre Meinung Kund zu tun. 

Ich war an dem Abend ebenfalls dort und war sehr überrascht, wie groß das Interesse an diesem Thema mittlerweile zu sein scheint, denn die Friedenskirche am Kaiser-Wilhelm Platz war bis auf den letzten Platz gefüllt. Allein das ist schon ein Zeichen, dass es akuten Redebedarf gibt. 

Kurz zu den Teilnehmern...neben den Gästen, unter denen sich auch 30-40 Teilnehmer der "Spaziergänge" befanden, nahmen auf dem Podium der Steeler Gewerbetreibende Leon Finger, Pastor Dr. Andreas Geßmann, Vivanne Dörne vom Projekt Quartiersdemokraten Dortmund Dorstfeld, Christian Kromberg (Ordnungsdezernent der Stadt Essen), sowie die Sprecherin des Bündnisses "Essen bleibt bunt" Irene Wollenberg.

Die anfängliche Diskussion auf dem Podium, wenn man sie als eine solche bezeichnen möchte (denn von Seiten der Steeler Jungs saß niemand auf dem Podium und damit 1. Chance vertan), wurde mit ein paar warmen Worten des Oberbürgermeisters Thomas Kufen eingeleitet, der dann auch schnell wieder weg war. Gerade für politische Fragen wäre es hier sinnvoll gewesen, er hätte sich mehr Zeit für den Termin in Steele genommen (2. Chance vertan). Daraufhin wurde über den aktuellen Stand der Eskalation gesprochen, was zumindest für mich als neutralen Beobachter relativ uninteressant war. Die Zeit hätte man sinnvoller nutzen können, denn die Menschen im Stadtteil empfinden Eskalation sowieso eher als eine Skala.

Danach folgte eine Kriminalstatistik, die mit nüchternen Zahlen verdeutlichen soll, das Steele immer noch ein sehr sicherer Stadtteil ist. Leider sind Statistiken aber für die Wahrnehmung der Menschen unerheblich. Jemand, der einmal Opfer geworden ist oder in vergleichbare Situationen kam, interessiert die Statistik nicht, sondern lediglich die eigene Wahrnehmung. Jedes Menschen gutes Recht, wie ich finde.

Leon Finger, Vorsitzender des Initiativkreises City Steele, verwies darauf, dass es keine weiteren Eskalationen mehr geben dürfe, auch im Sinne der Geschäftsleute im Stadtteil. Er stellte auch fest, das neben den Auswirkungen der Aufmärsche der Steeler Jungs auch die Demonstrationen des linken Lagers eher für Besorgnis bei den Gewerbetreibenden sorgen. Ich fand das einen sehr guten Einwand, denn beide Seiten haben Mitläufer, die man durchaus als kriminell bezeichnen könnte. Und schwarzes Schaf ist schwarzes Schaf, egal ob es links oder rechts sein Gras frisst.

Zu guter letzt informierten Frau Dörne und Frau Wollenberg noch über ihre Bündnisse und deren Aktivitäten. Hierbei bleibt festzuhalten, dass es natürlich wichtig ist, Faschismus zu bekämpfen und jegliche Form von Extremismus dem Stadtteil nicht gut tut. Insofern haben diese Bündnisse natürlich eine Berechtigung, sich zu engagieren.

Darauf folgte eine offizielle Fragerunde, für die natürlich nicht mal im Ansatz die Zeit reichte. Es wurden einfach zu viele Fragen gestellt, bei der beide Seiten zwar zu Wort kamen, die aber aufgrund der Intensität des Themas einfach zu wenig Raum fanden. Dabei kam es auch zu einigen Zwischenrufen. An der Stelle sei gesagt, das mir als neutralen Beobachter negativ aufgestoßen ist, dass Frau Wollenberg auf diverse Fragen nicht eingegangen ist. Beispielsweise wurde auf die Beschmierungen von Wänden im öffentlichen Raum durch die Steeler Jungs hingewiesen. Als man ihr die Frage stellte, das es auch von links zahhlreiche wenn nicht sogar noch mehr Schmierereien gibt, wich sie aus und beantwortete die Frage leider nicht mehr.

Das Ereignis, das mir von diesem Abend am positivsten in Erinnerung geblieben ist, waren die Diskussionen nach der Veranstaltung vor der Tür, wo tatsächlich beide Seiten miteinander geredet haben. Bis auf ein oder zwei böse Worte blieb das sogar erstaunlich friedlich. Ich selbst habe ebenfalls mit beiden Seiten geredet und keinen Populismus und keinen Hass kennengelernt. Rechte haben mit Linken geredet und umgekehrt. Natürlich war es intensiv aber trotzdem friedlich.

Diese Dialoge nach dem Treffen geben mit persönlich die Hoffnung, das beide Seiten in Zukunft der meiner Ansicht nach sinnvollsten Aussage des Abends folgen, die eine junge ausdauernd lange aufzeigende Dame gemacht hat, die aus den Reihen der Steeler Jungs stammt. 

Sie sagte sinngemäß "Wir müssen aufhören, übereinander zu reden, sondern miteinander!"

Die 30 Minuten nach der Veranstaltung haben gezeigt, das es gehen kann. Darauf muss man aufbauen. Ich habe auf jeden Fall etwas daraus gelernt.

Autor:

Andreas Breimeyer aus Essen-Steele

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