Ein tragisches Ende

Die Unternehmerfamilie Simon (Leopold Simon in der Mitte) war bekannt für ihre soziale Einstellung.
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Was blieb in Werden von den jüdischen Familien? Eine Spurensuche gibt Aufschlüsse

Die Juden in Werden sind ein spannendes, spät wiederentdecktes Thema im Abteistädtchen. Es gab einflussreiche Familien, die viel für Werden taten. Ihre Spuren wurden lange Zeit kaum mehr beachtet.

Die Geschichte jüdischen Lebens in Werden beginnt erst am Anfang des 19. Jahrhunderts. Infolge der Säkularisierung wurde das Kloster Werden aufgelöst, bis dahin hatten dessen Äbte als Landesherren den Juden die Ansiedlung auf ihrem Territorium verwehrt. Die Juden durften zwar Händler sein und zunftfreie Berufe ausüben, abends hatten sie das Gebiet der Reichsabtei Werden aber wieder zu verlassen.

Viehhändler, Metzger, Gerber

Allerdings gab es in Laupendahl (heute Kettwig vor der Brücke) schon vor 250 Jahren jüdische Einwohner. Dort verlief nämlich ein alter Handelsweg zwischen dem Niederrhein und der Grafschaft Hanau. Er kam als „Kuhstraße“ von Dinslaken und führte als „Frankfurter Straße“ durch das Bergische Land. Entlang der Kuhstraße siedelten sich christliche, aber auch jüdische Viehhändler an, weitere Juden konnten als Metzger oder Gerber arbeiten. Ein Schutzbrief der Herren von Schloss Hugenpoet garantierte ihre Sicherheit. 1808 erhielt der aus Sude bei Frankfurt stammende und bis dahin in vor der Brücke lebende Metzger und Viehhändler Joseph „Juspa“ Herz die Genehmigung, sich mit seiner Familie in Werden ansiedeln zu dürfen. Wenige Wochen später folgte ihm sein jüngerer Bruder Alexander. Bald wuchs die Gemeinde an. Sehr groß ist sie aber nie geworden, mit ein paar reichen und vielen armen Familien, kaum mehr als 80 Gemeindemitglieder. Zu einer eigenen Schule, zu einem eigenen Rabbiner reichte es nie. Anfänglich wurden die Toten der Werdener Juden weiterhin in Kettwig vor der Brücke bestattet, erst später wurde ein eigener Friedhof auf dem heutigen Pastoratsberg angelegt. Bald gab es verschiedene Betsäle in Werden, zum Bau einer großen Synagoge kam es allerdings nicht. Auch die Räumlichkeiten in der Heckstraße (früher Marktstraße), die bis 1938 als Synagoge dienten, waren sehr schlicht, aber durchaus genügend. Hier hatte die Thorarolle Platz hat und die Männer der Gemeinde konnten sich treffen. Während der Ortssanierung in den Nachkriegsjahren wurde das Gebäude, in dem sich der Betraum befand, abgerissen.

Wichtige jüdische Familien

Eine für Werden besonders wichtige jüdische Familie waren die Simons, die am Klemensborn mit einem Textilhandel begannen. Der Handelsmann Herz Simon kam aus Langenberg. Er war der Sohn von Bella Baruch und ihrem ersten Ehemann Salomon Simon. Zusammen mit seiner Ehefrau Sibilla hatte er acht Kinder: Sohn Leopold wurde 1841 geboren. Er startete mit Wilhelm Döllken 1887 eine holzverarbeitende Firma, die weltweite Bedeutung erlangte. Bis zu 600 Beschäftigte fanden hier Arbeit. Dann kamen die Nazis und ermordeten Leopolds Sohn Otto in Bergen-Belsen. Dessen Bruder Ernst konnte sich nach Amerika retten, nach seiner Gattin Else Bertha Simon wurde in Anerkennung ihrer vielen sozialen Aktivitäten die Straße Simonaue benannt. Im Neubaugebiet auf dem früheren Döllken-Gelände erinnert die Leopold-Simon-Straße an den Unternehmer, dem Gründer der jüdischen Gemeinde in Werden ist der Joseph-Herz-Weg in Heidhausen gewidmet.
Jüdische Besitzer hatte die Villa auf der Franzenshöhe, sie wurde von der Bankiersfamilie Hirschland bewohnt. Im großzügigen Park fanden unter anderem Sommerfeste der Essener Jüdischen Gemeinde statt. Dr. Georg Hirschland, Kunstfreund und Mäzen, half Anfang der 1920er Jahre der Stadt Essen, die Kunstsammlung des Folkwang-Museums zu erwerben. 1933 emigrierte die Familie in die USA. 1938 wurde die traditionsreiche Privatbank Simon Hirschland zwangsliquidiert und arisiert. Die Hirschlands waren enteignet, das Haus wurde von Gauleiter Josef Terboven als Gästehaus der NSDAP genutzt. Am 29. November 1944 zerstört eine Luftmine bei einem nächtlichen Fliegerangriff das Altersheim an der Brückstraße, so dass die Bewohner in die Villa Hirschland einquartiert wurden. Die Familie bekam ihr Eigentum zurück, 1958 wurde die Villa Franzenshöhe an das Bistum Essen verkauft und das Grundstück für den Bau des Kardinal-Hengsbach-Hauses genutzt. Die Villa wurde abgerissen, übrig blieb das Kutschenhaus an der Ruhrtalstraße.

Werdener Stolpersteine

Ein bedeutsames Haus, welches heute noch existiert, steht an der Ecke Wigstraße / Dudenstraße und wurde von der Familie Levi erbaut. Albert und Helene Levi hatten mehrere Schuhgeschäfte, flüchteten nach Holland, wurden dort aber interniert und nach Auschwitz deportiert. Dort wurden sie im September 1943 ermordet. Vor ihrem früheren Schuhaus sind Stolpersteine in das Pflaster eingelassen. Dies sind kleine Gedenktafeln, die das Gedenken an das Schicksal der Opfer der NS-Zeit aufrecht halten: Das größte dezentrale Mahnmal der Welt. In der Bungertstraße 32 erinnert ein Stolperstein an Ruth und Sophie Baum. Philip Baum war Inhaber der Werdener Fischhalle, seine Witwe und die Tochter wurden gezwungen, in ein „Judenhaus“ zu ziehen. Stolpersteine für Jacob Herz, Hans Simon und Felix Steeg befinden sich auf dem Schulhof an der Grafenstraße. Letzterer besaß zusammen mit seinem Vater Sally und Bruder Kurt an der heutigen Brückstraße die beiden für Werdener Verhältnisse relativ großen Geschäfte „M. Rosenbaum“ und „Rosenbaum & Co.“, deren Anfänge auf seine Mutter Minna Steeg, geborene Rosenbaum, zurückgingen. Felix Steeg beging im Juni 1939 im Polizeigefängnis Selbstmord.
Auch das Leben der betagten Bewohner im Haus Rosenau am Pastoratsberg nahm ein tragisches Ende. Zunächst wegen seiner schönen Lage und guten Luft als Erholungsheim gedacht, wurde es 1914 von dem Düsseldorfer Ehepaar Otto Fleck und Käthe Fleck geborene Brasch gegründet. wandelte es sich mit den Jahren zu einem Kranken- und Altenheim. Das Heim wurde von den jüdischen Gemeinden Düsseldorf und Essen gemeinsam verwaltet. Käthe Fleck war bis 1938 Leiterin der Einrichtung. Im November 1938 verjagten Gestapo und der SS die Bewohner in drei „Judenhäuser“ in der Bungertstraße, von wo aus sie kurz vor Kriegsende in Vernichtungslager deportiert wurden. Käthe Fleck starb wenige Jahre nach dem Krieg in London. Haus Rosenau wurde ein Frauenerholungsheim der Nazis, nach dem Krieg bis in die 1960er Jahre wieder ein jüdisches Altersheim, befindet sich heute in Privatbesitz.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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