Gedanken zur Fußball WM
Tor! Tor! - - Eigentor!!

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"Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. ... Rahn schießt ...Tor! Tor! Tor! " Wohl jeder Fußballfan  kennt diesen Ausschnitt aus der legendären Radioreportage Herbert Zimmermanns , der das entscheidende Tor des Berner Endspiels der Fußball  WM 1954 zwischen Ungarn und Deutschland so kommentierte. Auf der A40 wird einem Großteil  der 100 000 Autofahrer/innen, die täglich den "Ruhrschnellweg" benutzen müssen,  der entscheidende Moment dieses "Wunder(s) von Bern" durch Brückenbeschriftungen  zwischen zwei Abfahrten vor Augen geführt.
Die Helden von Bern waren damals vor allem Fritz Walter und Helmut Rahn, letzterer ein bodenständiger Frohnhauser, der noch heute, 68 Jahre nach seinem entscheidenden Tor, im Stadtteil gegenwärtig ist.
Die Stammkneipe Rahns, die Friesenstube auf der Frohnhauser Straße, ist heute Teil der Deutschen Fußball Route NRW. Wie oft wird der "Boss" , der nach seiner Fußballkarriere zurückgezogen lebte, dort den Satz  "Erzähl  mich doch ma dat dritte Tor" gehört haben ?
Im letzten Jahr wurde die Realschule Essen-West in Helmut-Rahn-Realschule umbenannt.
Dass man sich dort nicht nur mit dem Namen des berühmtesten Frohnhausers schmücken wollte, sondern daraus auch ein Programm machen will, bewiesen die Schüler/innen vor Kurzem, indem sie Besucher/innen  sachkundig durch die Ausstellung "Im Abseits- Jüdische Schicksale im deutschen Fußball", die im Kunstraum der Evangelischen Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußballmuseum gezeigt wurde, führten.
Fußball kann den Menschen  viel mehr vermitteln als den Traum von Geld und Toren. Fußball kann im besten Fall  völkerverbindend  und friedenstiftend sein. Der Sport kann jungen Menschen helfen, ihren Platz in einem selbstbestimmten Leben zu finden.
Natürlich gibt es im Essener Westen auch eine Helmut-Rahn- Sportanlage  mit einem (Handball) Leistungszentrum.
Helmut Rahn wurde im August 2003 auf dem kleinen Margarethenfriedhof  bestattet.  Die frischen Blumensträuße auf seinem Grab  zeigen, dass er nicht vergessen ist.
Auch wenn die Erringung des WM-Titels 1954 in der Folge mythologisiert und verklärt wurde, kann man die große Bedeutung des WM Titels heute kaum noch nachempfinden. Er gab der jungen Nation verlorengegangenes Selbstvertrauen zurück, so dass viele Zeitzeugen  das Jahr 1954 als die eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik bezeichnen.
Und heute?
Fußballweltmeisterschaften sind in erster Linie Medienspektakel, die kommerziell ausgeschlachtet werden.
Speziell in diesem Jahr sollen sie auch  das Prestige des Ölstaates Katar aufpolieren.
Die WM wird mit 220 Mrd. US-Dollar die teuerste WM der Geschichte sein. Seit der Vergabe der WM sind 6500 Gastarbeiter in dem Wüstenstaat  auf den Stadionbaustellen ums  Leben gekommen.
Dass in Zeiten der Energiekrise und des Klimawandels alle  Stadien der ja WM durch Unmengen fossiler Brennstoffe  heruntergekühlt werden, während gleichzeitig Menschen in Europa  frieren müssen , ist nicht nur ökologisch unverantwortlich, sondern skandalös.
Aber trotz der zunehmenden  Proteste und Boykottaufrufe  will auch die FIFA das Ding auf jeden Fall durchziehen.
Wie konnte  die WM  an ein Land vergeben werden, das als 139.tes auf der FIFA Weltrangliste sportlich überhaupt keine Rolle spielt und in dem sämtliche Stadien  speziell für dieses Ereignis neu gebaut  werden mussten?  Inzwischen sind die Korruptionswege der Millionenbeträge, die zu dieser Vergabe geführt haben, aufgedeckt, ohne dass die Verantwortlichen daraus Konsequenzen gezogen haben. Menschenrechte seien kein Thema, wenn es um Lieferverträge für Gas und Öl ginge, sehr wohl aber im Vorfeld der Fußball-WM, kontern die Kataris und werfen der deutschen Regierung eine Doppelmoral vor.
Die Regenbogenbinde unseres Torhüters wird  nur ein sehr schwacher Protest gegen den Umgang des Gastgeberlandes mit Homosexuellen, den fehlenden Frauenrechten und der Missachtung der Meinungsfreiheit sein.
Man kann die Weltmeisterschaften von 1954 und 2022 aus vielen Gründen nicht direkt vergleichen. Deutlich wird aber, dass die Ausrichtung des Fußballs nur nach monetären Gesichtspunkten dem Ansehen und der Vorbildfunktion der Sportart enorm geschadet haben.
In der Fußballersprache kann man die Vergabe dieser WM nach Katar nur als Eigentor bezeichnen.

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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